- Heiner Flassbeck: ein debitist (?!) - Fontvieille, 14.07.2001, 18:15
- Quatsch, das ist Keynesianismus + Druckerpresse - Bart, 14.07.2001, 22:13
- thx. und an @puppetmaster:"ruhige Hand" wird darin beschrieben - Jacques, 15.07.2001, 09:07
Heiner Flassbeck: ein debitist (?!)
Aus der Süddeutschen Zeitung vom 14.7.2001
Mit ruhiger Hand in den Abgrund
Die wirtschaftspolitische Debatte in Deutschland gewinnt an Skurrilität und verliert den Kontakt mit dem zu lösenden Problem
Von Heiner Flassbeck
"Mit der deutschen Wirtschaft geht es bergab. Kaum ein Tag, an dem nicht eine neue Hiobsbotschaft auch dem letzten Optimisten klarmacht, dass etwas Böses geschieht, wenn nichts geschieht. Die Zahl der Arbeitslosen, um nur das eine und zugleich wichtigste zu nennen, ist seit ihrem Tiefstand im Dezember 2000 um 80000 gestiegen, die der offenen Stellen um 50000 gesunken. Die Wirtschaftspolitiker aber haben die Ruhe entdeckt. Man dürfe jetzt nicht in Hektik verfallen, so die Parole, sondern müsse mit einer Politik der ruhigen Hand Ziele verfolgen, die über das Jahr 2001 hinaus reichen. Insbesondere die Konsolidierung dürfe nicht in Frage gestellt werden, 2004 sei ein Budget des Bundes ohne Neuverschuldung vorzulegen - komme, was wolle. Sinken die Steuereinnahmen, müssen die Ausgaben auch sinken, Sparen ist <font color="FF0000">noch immer</font> die oberste Tugend.
Bei den Unternehmen klingt es ähnlich. Keine Hauptversammlung, wo nicht der Vorstand angesichts schlechterer Zeiten eisernes Sparen und Kostensenkungen ankündigt. Auch die privaten Haushalte halten ihr Scherflein zusammen, ist ihre finanzielle Lage doch trotz Steuerreform schlechter als erwartet und die Gefahr für den eigenen Arbeitsplatz größer geworden. Außerdem, so hat man ihnen seit Jahren gepredigt, gilt es mit mehr Ersparnissen fürs Alter vorzusorgen, und wen das nicht überzeugt, dem gibt der Staat vom nächsten Jahr an eine hohe Subvention,<font color="FF0000"> damit er weniger von seinem Einkommen zum Markte trägt</font>.
Nicht ganz ins Bild passt lediglich, dass Wirtschaftsschwäche und drohende Rezession offenbar etwas mit sinkender Nachfrage bei den Unternehmen zu tun haben. Weil die Aufträge zurückgehen, gibt es Hiobsbotschaften, weil die Produktionskapazitäten schlecht ausgelastet sind, werden Mitarbeiter entlassen. <font color="FF0000">Man fragt sich, wie das „eiserne Sparen“ und gar die Subventionierung des Sparens dem abhelfen soll?</font> Die Vereinigten Staaten, so hieß es am Wochenende beim Treffen der G-7 Finanzminister in Rom, hätten das Schlimmste schon hinter sich, <font color="FF0000">weil die Konsumenten auch weiter keinen Pfennig sparen</font>. Großbritannien ist vielleicht schon auf dem Wege der Besserung, <font color="FF0000">weil der private Verbrauch noch immer boomt</font>. Frankreich hat es noch nicht ganz so schlimm erwischt, weil die Binnennachfrage kräftiger als rechts des Rheins ist. Lauscht man jedoch den Verantwortlichen und den meisten Meinungsmachern in der größten europäischen Volkswirtschaft, dann haben sie anscheinend gerade die Ã-konomie des Reichkanzlers Brüning von 1929/30 neu entdeckt: Deutschland spart sich aus der Krise.
Besonders absurd wird es, wenn dann auch noch behauptet wird, genau dieser Weg sei der mit der ruhigen Hand. Wer im Abschwung höhere Staatsdefizite um jeden Preis verhindern will, weil Unternehmen und Haushalte weniger Geld ausgeben und damit weniger Steuereinnahmen zur Verfügung stehen, muss in Aktionismus, blinden zumal, verfallen. Er muss womöglich in der Rezession und zwischen den Haushaltsterminen die Ausgaben herunterfahren, um das angestrebte Defizit zu erreichen. Schon bald wird er dann mit nochmaliger Kürzung reagieren müssen, weil er ja selbst die Konjunktur geschwächt hat. Eine Serie von Nachtragshaushalten und das Gegenteil von Ruhe sind die Folge. Eine Politik der ruhigen Hand gibt es nur für den, der konjunkturbedingte Steuerausfälle und konjunkturbedingte Mehrausgaben hinnimmt, <font color="FF0000">die Schulden kurzfristig steigen lässt</font>, damit die wirtschaftliche Lage stabilisiert und auf mittelfristigen Abbau der Defizite setzt. Die Frage, ob Konjunkturprogramme notwendig sind, kann erst diskutiert werden, wenn klar ist, dass <font color="FF0000">ein konjunkturbedingt höheres Defizit ohne wenn und aber hingenommen wird</font>.
Schwadronieren ist Humbug
In der Tat <font color="FF0000">kommt es auf die Defizite und die Verschuldung an</font>. Alles Schwadronieren über vorgezogene Steuersenkungen bei unveränderter Verschuldung, wie es grüne Wirtschaftsexperten so lieben, ist Humbug, ist ein Schritt näher an den Abgrund und nicht weg davon. <font color="FF0000">Globale Abschwächung oder Rezession ist nur ein anderes Wort für die Tatsache, dass es weltweit zu wenige Akteure gibt, die bereit sind, sich zu verschulden, also mehr Geld auszugeben als sie einnehmen und zu viele, die mehr sparen wollen</font>. Halten die Staaten mit ihren Haushalten nicht dagegen, sondern destabilisieren selbst, gibt es nur einen einzigen Ausweg: <font color="FF0000">Die Regierungen müssen darauf vertrauen, dass eine andere Institution stark genug ist, das Sparen unattraktiv und das Ausgeben attraktiv zu machen</font>. Das kann nur eine Zentralbank sein, die bereit ist, rechtzeitig die <font color="FF0000">negative Wirkung der Haushaltskonsolidierung</font> mit aggressiven Zinssenkungen zu überspielen. In den USA gibt es eine solche Zentralbank, in Europa bisher nicht. Wenn die Finanzpolitik aber eine andere Rolle der Zentralbank nicht einmal einfordert und selbst die Lage verschlimmert, ist sie hauptverantwortlich für den Verlust an Arbeitsplätzen und Realeinkommen, den wir jetzt schon verzeichnen und für den, der bei der Politik der „ruhigen Hand" unausweichlich ist.
Dr. Heiner Flassbeck ist ökonomischer Berater bei der Organisation für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen (Unctad) in Genf."
"Similia similibus curantur", so nannte es der Arzt Hahnemann in seiner Homöopathie: Gleiches soll durch Gleiches kuriert werden. Flassbeck ist nicht nur debitist ("... kommt es auf die... Verschuldung an"), sondern auch Homöopath (zu viele Schulden durch noch mehr Schulden kurieren). Wir hätten Lafontaine und Flassbeck mal machen lassen sollen, dann wären wir heute nicht am Rande des Abgrunds, sondern schon längst einen Schritt weiter.
Gruß an alle Schuldenfreaks, und frohes Geldausgeben am Wochenende wünscht F.
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