- Real-Enzyklopädie (7): Urschuld - dottore, 17.07.2001, 17:19
- Re: Real-Enzyklopädie (7): Urschuld - Fontvieille, 17.07.2001, 18:44
- Re: D'accord und besten Dank! (owT) - dottore, 17.07.2001, 18:48
- @dottore: Zum"Äufnen von Kapital", zur"Urschuld" und anderem - Galiani, 18.07.2001, 02:36
- Re: Zwei Seelen, ach... Wer ist der"Conscius"? - dottore, 18.07.2001, 13:32
- @dottore: OK, lassen wir's dabei! Grüße! Ihr"schizo-Urschuld-Mensch" G. (owT) - Galiani, 18.07.2001, 17:56
- Re: Zwei Seelen, ach... Wer ist der"Conscius"? - dottore, 18.07.2001, 13:32
- Re: Real-Enzyklopädie (7): Urschuld - Fontvieille, 17.07.2001, 18:44
@dottore: Zum"Äufnen von Kapital", zur"Urschuld" und anderem
Lieber, sehr verehrter dottore
Das Wort"äufnen" ist, wie Sie ja sicherlich noch aus Ihrer Schweizer Zeit wissen, hier in der Gegend noch ganz gebräuchlich. Ich gestehe, daß ich im Duden nachsehen mußte, als ich das Wort zum ersten Mal, vor vielen Jahren, in der NZZ las.
Aber zu etwas anderem:
Ihr"Urschuld"-Aufsatz ist natürlich wieder einmal in Diktion, Detailreichtum und auch in der Argumentation eine Meisterleistung. Langsam sammle ich mir auf diese Weise ene ganz schöne Datenbank zusammen...
Herzlichen Dank jedenfalls.
Dennoch bekenne ich, daß ich auch nach Studium dieser letzten sehr kenntnisreichen Abhandlung von Ihnen immer noch nicht so recht an die"Urschuld" glaube. Ich hege den schrecklichen Verdacht, daß die"Urschuld" nichts anderes ist als das biologische Postulat der Spezies, zu überleben. Das wollen aber zum Beispiel auch Hühner: Ich erinnere mich an meinen Onkel, einen Chirurgen, der in unserer Familie während des Krieges am Sonntag dafür zuständig war, den Hühnern, die meine Mutter mittags braten wollte, den Garaus zu mahen. Mein Onkel hat das - trotz seiner chirurgischen Vorbildung - wohl nicht richtig gemacht. Es hat mich als Kind jedenfalls immer tief beeindruckt, wie sehr sich die Hühner gegen das Schlachten gewehrt haben und daß sie, selbst nachdem ihnen der Kopf abgehackt war, meist noch ein Stückchen kopflos in der Gegend herumflogen. Mit einer"Urschuld" hatte das sicher nichts zu tun!
Aber im Ernst: als Jurist war ich immer der Ansicht, daß der Begriff der Schuld, auch in seiner doppelten Bedeutung, sowohl als debitum wie auch als culpa stets zwei Parteien voraussetzt, einen Gläubiger und einen Schuldner. Selbst wenn man den eigentlichen ökonomischen Bereich verläßt, mag ein Mensch zwar die Pflicht zu einem gewissen Verhalten gegenüber anderen, gegenüber der Allgemeinheit etwa, haben. Er mag es anderen gegenüber"schuldig" sein und bußfällig werden, wenn er seine Pflichten verletzt. Der Fromme wird sich Gott gegenüber zur Einhaltung von Geboten verpflichtet fühlen. Sich selbst aber kann meiner Überzeugung nach niemand etwas"schuldig" sein. Selbst wenn jemand sagt:"Ich bin mir das oder jenes schuldig", so meint er das im übertragenen Sinn, daß er nicht die Werthaltungen seines"bessern Ich's" verletzen möchte. Der philosophische Wiener Komödienschreiber Nestroy hat das einmal so ausgedrückt:"Wer wird jetzt das Richtigere tun? Der i oder der i?"
Und so bin ich denn nach wie vor zwar mit Ihnen der Meinung, daß die Verschuldung unserer Welt das Symptom einer tiefsitzenden Krankheit ist. Daß jedes Neugeborene qua Staatschuld schon von allem Anfang an eine beträchtliche Schuldenlast zu tragen hat, ist ein moralischer Skandal, an dem die Demokratie zugrunde gehen wird. Ich gehe auch mit Ihnen darin d'accord, daß es wahrscheinlich eher früher als später ökonomisch ein böses Erwachen geben wird. Denn immer nur hochzubuchen, führt zu Verzerrungen, zur Fehlallokation von Resourcen, wie wir Ã-konomen sagen, was irgendwann - und nochmals: wahrscheinlich in gar nicht so ferner Zukunft!; auch da haben Sie zweifellos recht! - sehr schmerzhaft korrigiert werden wird. Aber ich bezweifle, daß - in einer fundamentalen, in einer grundsätzlichen Weise, - Schulden ein theoretischer Konstruktionsfehler sind, der sozusagen dem lieben Gott bei der Erschaffung der Welt unterlaufen wäre.
Trotzdem besonders herzliche und respektvolle Grüße, Ihr
G.
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