- Noch kein Ende der Schwellenländer-Krise - Sascha, 20.07.2001, 14:07
Noch kein Ende der Schwellenländer-Krise
Ein Übergreifen der Turbulenzen in den Emerging Markets auf andere Länder gilt zwar als wenig wahrscheinlich, wird jedoch nicht mehr länger ausgeschlossen
<font size=5>Noch kein Ende der Schwellenländer-Krise</font>
An den Emerging Markets brodelt es weiter. Zwar haben sich am Donnerstag in einigen der zuletzt besonders unter Druck stehenden Schwellenländern die Wertpapier- und Devisenkurse stabilisiert, doch ist ein Ende der Krise vorerst nicht in Sicht. <font color="#FF0000">Analysten sehen weiterhin die Gefahr einer Ausbreitung der Krise</font>.
UDO RETTBERG
FRANKFURT/M. Nach den heftigen Turbulenzen der vergangenen Tage gerieten die Wertpapier- und Devisenmärkte der meisten Emerging Markets zur Wochenmitte in ein etwas ruhigeres Fahrwasser. Ausgangspunkt für die sich zuvor deutlich zuspitzende Krise war erneut Argentinien. <font color="#FF0000">Der Gouverneur der Provinz Buenos Aires hatte am Dienstag erklärt, die hoch verschuldete Provinz stehe am Rande der Zahlungsunfähigkeit</font>. Nachdem die argentinischen Gewerkschaften wegen der Pläne für Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst zum Generalstreik aufgerufen haben, hat sich die eh prekäre Situation in diesem Land noch weiter zugespitzt.
<font color="#FF0000">An den Märkten wird befürchtet, dass Argentinien gezwungen sein könnte, seinen Schuldendienst einzustellen und die Zahlungsunfähigkeit zu erklären. Die Schuldenlast des Landes entspricht rund der Hälfte seiner gesamtwirtschaftlichen Leistung</font>. An den Märkten wird daher an der Realisierbarkeit des von der Regierungskoalition vorgelegten Null-Defizit-Plans gezweifelt. Dieser Plan sieht den gezielten Abbau der Verschuldung vor. Wegen der in internationalen Finanzkreisen geäußerten Skepsis zeigte sich die Aktienbörse in Buenos Aires gestern im Anfangsgeschäft weiterhin labil. Der Merval-Index verlor 1 %. <font color="#FF0000">Der Index hat von seinem im August 1997 erreichten Hoch rund 63 % eingebüßt. Auch Argentinien-Anleihen standen wegen der anhaltenen Unsicherheiten weiter unter Druck</font>.
An den anderen Lateinamerika-Börsen zogen die Kurse meist an. <font color="#FF0000">Brasiliens Börse reagierte mit einem Plus von 0,6 % auf die fünfte Zinserhöhung in Folge. Die Zentralbank hatte zur Eindämmung der Inflation den Leitzins von 181/4 % auf 19 % angehoben</font>. Mexikos Börse eröffnete 0,6 % höher.
Stabiler war die Lage an den Finanzmärkten der meisten aufstrebenden Länder Mittel- und Osteuropas. Lediglich Polen stellte eine Ausnahme dar. Nach negativen Konjunkturdaten stand der Zloty am Devisenmarkt unter Druck. Da die Währung das Aushängeschild eines Landes und das Spiegelbild der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Staates ist, überraschte die in diesem Kontext zu beobachtende Schwäche polnischer Anleihen kaum. <font color="#FF0000">Die Industrieproduktion Polens fiel im Juni um 4,8 %</font>. Man sei nicht überrascht, wenn die Notenbank die Leitzinsen bald um 100 oder gar 150 Basispunkte senken würde, hieß es bei der Hypovereinsbank in München. Polnische Aktien verloren 0,3 %.
In der Türkei zogen die Aktienkurse dagegen um mehr als 6,6 % an. Die zuvor sehr schwache türkische Lira wies - auch wegen angeblicher Stützungskäufe der Notenbank - gegenüber dem US-Dollar ein Plus von 1,8 % auf. Die Renditen zweijähriger türkischer Festverzinslicher fielen von 100,2 % auf zeitweise 97,5 %. Nach dem Rücktritt von Transport-Minister Oksuz, der als lauter Kritiker der von der Regierung eingeleiteten und vom Internationalen Währungsfonds unterstützten Reformen galt, kehrte an den Märkten wieder etwas mehr Vertrauen ein, so die Experten von Iktisat Yatirim in Istanbul.
Finanzmarkt-Analysten in Frankfurt warnten am Mittwoch allerdings davor, die Stabilisierung der Wertpapier- und Devisenkurse in den Emerging Markets zum Anlass einer frühzeitigen Entwarnung zu nehmen. Die Krise in Argentinien wird als die erste richtige Bewährungsprobe für die nach der Asienkrise 1997 und 1998 von den Finanz- und Geldpolitikern der G20- Länder erarbeiteten neuen globalen Finanz-Architektur bezeichnet. Damit sollte kurz nach der Asienkrise ein Instrumentarium zur besseren Bewältigung regionaler Krisen und ein Übergreifen auf die Weltmärkte vermieden werden.
<font color="#FF0000">Die Ã-konomen sprechen weiterhin von der Gefahr einer Ausbreitung der jüngsten Krisen in hochverschuldeten Ländern wie Argentinien und der Türkei auf andere Schwellenländer, deren Finanzlage bislang noch nicht als ganz so stark angespannt gilt</font>. Michael Saunders, Ã-konom bei Schroder Salomon Smith Barney, betont in diesem Zusammenhang, dass eine Zuspitzung der Lage in den Emerging Markets auf verschiedenen Wegen sehr wohl negative Auswirkungen auf das Wachstum in Europa haben könnte."Die Krise in den aufstrebenden Ländern erhöht den Druck auf die Europäische Zentralbank, die Euro-Leitzinsen weiter zu senken", sagt Saunders.
Stephen S. Roach, Ã-konom von Morgan Stanley, weist auf die Gefahr eines Systemrisikos in den Schwellenländern hin. Den Grund für die Krise sieht er u.a. in der fehlenden Umsetzung der Globalisierung. <font color="#FF0000">Der IWF und US-Notenbankchef Alan Greenspan erklärten, die Gefahr, dass andere Finanzmärkte ernsthaft von der Krise in Mitleidenschaft gezogen werden könnten, sei gering</font>.
HANDELSBLATT, Freitag, 20. Juli 2001
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