- Land im Dilemma - Sascha, 02.08.2001, 09:14
- Re: Land im Dilemma - das ist noch der leichte Teil - Diogenes, 02.08.2001, 10:47
- Re: Land im Dilemma - das ist noch der leichte Teil - Fürst Luschi, 02.08.2001, 13:07
- Re: Land im Dilemma - das ist noch der leichte Teil - Diogenes, 02.08.2001, 20:29
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Land im Dilemma
ARGENTINIEN
<font size=5>Land im Dilemma</font>
Ein strikter Sparhaushalt soll Argentinien wieder kreditfähig machen. Aber die Menschen verweigern die Zustimmung und demonstrieren mit Straßensperren.
ANNE GRÜTTNER, Buenos Aires
HANDELSBLATT, 2.8.2001
Die Szene auf der Avenida Cordoba im Zentrum von Buenos Aires hat beinahe Volksfestcharakter: Eine Köchin rührt in einem riesigen Topf und erzählt Reportern stolz, welche Zutaten sie verwendet hat. Überall stehen Gruppen von Menschen auf der Straße. Den Autos bleibt nur eine Fahrspur, die von Polizisten freigehalten wird. Selbst die brennenden Reifen wirken eher wie ein Lagerfeuer als wie Barrikaden.
<font color="#FF0000">Aber die friedliche Versammlung ist eine Demonstration. In mehr als 200 Orten in Argentinien haben die Menschen am Dienstag Straßen gesperrt</font>. Sie protestierten damit gegen das Sparprogramm, mit dem die Regierung das Land wieder kreditfähig machen will."Arbeitslosigkeit null Ja, Defizit null Nein", steht auf einem Plakat: <font color="#FF0000">Die Menschen sind es leid, dass der Staat auf die immer neuen wirtschaftlichen Krisen immer gleich reagiert. Die Last wird denen aufgebürdet, die es am wenigsten wegstecken können</font>: Der Staat will alle Gehälter über 500 Dollar um mindestens 13 Prozent kürzen und außerdem die Steuern erhöhen. Da beruhigt es die Menschen kaum, dass auch die Diäten der Parlamentsabgeordneten gesenkt werden.
Die Regierung von Präsident Fernando de la Rua steckt in einem <font color="#FF0000">Dilemma: Sie muss kräftig sparen und gleichzeitig die Wirtschaft in Schwung bringen</font>. Die internationalen Finanzmärkte vertrauen dem im Ausland mit <font color="#FF0000">150 Milliarden Dollar verschuldeten Land </font>nicht mehr. Die Ratingagentur Moody’s hat Argentinien auf ein Niveau mit Pakistan und der Ukraine eingestuft.
<font color="#FF0000">Die Zahlungsunfähigkeit droht und damit einhergehend auch eine Abwertung des Pesos</font>. Das kann die wirtschaftliche Situation nur noch weiter verschlechtern, das wissen die Argentinier nur zehn Jahre nach der Überwindung der Hyperinflation noch genau. Aber die Bevölkerung will nicht mehr sparen.
Dabei hängt jetzt für de la Rua alles davon ab, das ganze Land hinter sich zu bringen: die politischen Parteien, die lokalen Banken, die privaten Rentenfonds, die Privatanleger und Sparer: also alle, die das Finanzsystem stützen und unpopuläre Maßnahmen zur Verkleinerung und Reform des Staatsapparats mittragen müssen.
"Wir müssen alle parteilichen Interessen zurückstellen und die gemeinsamen Überzeugungen in einer einzigen nationalen Unternehmung bündeln: den Präsidenten unterstützen", sagt Ex-Präsident Raul Alfonsin, der schon Anfang der 80er-Jahre die Bevölkerung angesichts eines drohenden Militärputsches zu mobilisieren wusste. Heute ist Alfonsin Parteichef der größten Regierungspartei.
Die seit vielen Jahren arbeitslose Frau im Hafenviertel"La Boca" von Buenos Aires interessiert dagegen vor allem, <font color="#FF0000">wie sie ihre zehn Kinder ernähren soll, die jetzt zwischen den Straßensperren herumtoben</font>. Sie könne die Kleinen nur mit Hilfe öffentlicher Essstuben und anderer Hilfen irgendwie durchfüttern, erzählt sie, und in ihrem Mund klaffen breite Lücken zwischen den wenigen verbliebenen Zähnen. Aber irgendwie ist dieser Tag auch für sie ein Festtag: Sie hat das Gefühl, angehört und ernst genommen zu werden, und das passiert ihr nicht oft.
Doch die Freundlichkeit dieser ersten Protestwelle wird noch auf eine harte Probe gestellt werden. Die Finanzmärkte reagierten kaum auf de la Ruas Gesetz zum sofortigen Abbau des Haushaltsdefizits. <font color="#FF0000">Die Investoren haben die Nase voll von Ankündigungen. Sie wollen Fakten sehen. Also werden weitere tiefe Einschnitte in den Staatsausgaben folgen. Und auch an die Straßensperren werden sich die Argentinier wohl gewöhnen müssen. Schon nächste Woche soll es weitergehen, dann sogar zwei Tage lang</font>.
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