- Die Bewertung des IT-Sektors macht Angst und Bange - marsch, 03.08.2001, 21:13
Die Bewertung des IT-Sektors macht Angst und Bange
Das Kapital: Die Bewertung des IT-Sektors macht Angst und Bange
Was rauchen diese Leute? Barton Biggs von Morgan Stanley hat sich schon im März gewundert, in welchem Zustand die Zunft ihre
Schätzungen abgibt. Auch wenn wir das selbstverständlich nicht lustig finden: Die Gewinnschätzungen sind nach wie vor zu hoch.
Nach S&P prognostizieren die Analysten für 2002 einen Gewinnanstieg von 373 Prozent im IT-Sektor, der schwersten Branche im S&P 500. Die
operativen Profite in der IT-Industrie lägen dann beinahe wieder auf dem Niveau von 2000. Dabei sollte man nicht vergessen, dass die
Jahrtausendwende eine absolute Ausnahmezeit war. Angefangen hat alles mit den Zinssenkungen der Fed im Jahre 1998, um die Finanzkrise in
Asien zu bekämpfen.
Da die US-Wirtschaft seinerzeit ohnehin gut lief, hat das die Investitionsneigung noch verstärkt. Dazu kamen die Euro-Einführung und die
Umstellung der Computer auf das Jahr 2000, die zusätzliche Investitionen erforderlich gemacht haben. Die hohen Wachstumsraten haben einen
überbordenden Optimismus geschaffen und so die Internethysterie begünstigt. Schließlich wurde 2000 die fast völlige Marktdurchdringung mit
Mobiltelefonen in Europa erreicht. So kam eins zum anderen, und die Wachstumserwartungen kannten bald keine Grenzen mehr. Massive
Überinvestition und Kapazitätsüberhang waren die unvermeidliche Folge.
Aber gut. Sehen wir davon - und von den großen makroökonomischen Risiken - ab und gehen mit den Analysten. Selbst wenn ihre Schätzungen
für 2002 aufgehen, müsste der IT-Sektor danach noch bis 2010 um jährlich 20 Prozent zulegen, allein um den heutigen Marktwert zu
rechtfertigen. Das gilt zumindest dann, wenn man eine erwartete Aktienrendite von acht Prozent unterstellt und eine Ausschüttungsquote von
40 Prozent. Aber acht Prozent sind dürftig für einen so volatilen Sektor wie die IT-Branche. Wer sich von diesen Aktien im Schnitt zehn Prozent
verspricht, muss den Firmen sogar bis 2015 ein Gewinnwachstum von 20 Prozent zutrauen. Und natürlich ist die unterstellte
Ausschüttungsquote unrealistisch hoch, weil die berichteten"operativen" Gewinne oft gnadenlos aufgebläht sind.
Dennoch: Es steht ein Haufen Geld Gewehr bei Fuß - und es gibt eine Menge Leerverkäufe, die einzudecken sind, wenn die Richtung plötzlich
dreht. Das hat man in den letzten Tagen nach der Heraufstufung des Halbleitersektors durch Merrill Lynch sehen können. Die Halbleiteraktien
sind regelrecht gesprungen, obwohl der Sektor sogar nach Merrills rosigster Prognose noch das 7,6fache des für 2002 geschätzten Umsatzes
und das 84fache des Gewinns kostet. Fundamental liegt das völlig aus der Welt.
Die Volatilität wird natürlich hoch bleiben. Das hat eine Reihe von Gründen, unter anderem den, dass die meisten IT-Aktien nach dem Kurssturz
optisch sehr billig aussehen und bei vielen als Schnäppchen gelten. Eine positive Börsenstimmung, und die Post geht ab. Die meisten IT-Aktien
haben ein hohes Beta, und das wirkt halt in beide Richtungen.
Es bleibt alles beim Alten. Wer es versteht, mit den Wellen an der Börse umzugehen, für den sind IT-Aktien überaus interessant. Wer indes eine
Rentenversicherung sucht, sollte sich Engagements im Sektor gut überlegen.
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