- Argentinien verdient neue IWF-Hilfen - Sascha, 13.08.2001, 12:26
Argentinien verdient neue IWF-Hilfen
Bei den Verhandlungen mit dem Währungsfonds geht es für Buenos Aires um alles oder nichts
<font size=5>Argentinien verdient neue IWF-Hilfen</font>
Von ANNE GRÜTTNER
Die Erwartungen sind hoch gesteckt. Mit seinem Versprechen, die von ihm zu Verhandlungen mit dem IWF nach Washington ausgeschickte Delegation werde"nicht mit leeren Händen" zurückkehren, hat Argentiniens Wirtschaftsminister Domingo Cavallo <font color="#FF0000">sich auf ein Alles-oder-nichts-Spiel eingelassen</font>: Entweder es gibt den von den Finanzmärkten bereits teilweise eingeplanten Kredit in Höhe von sieben bis neun Milliarden Dollar zur Stützung des argentinischen Finanz- und Reservesystems. Oder es kommt zu einem rapiden Abfluss von Devisen und Bankeinlagen, was das Land innerhalb weniger Wochen in eine unfreiwilligen Umschichtung seiner Schulden <font color="#FF0000">und höchstwahrscheinlich in die Dollarisierung führen würde</font>.
Trotz des großen Drucks ziehen sich die Verhandlungen hin. Denn der IWF spürt seinerseits den Druck der Hardliner in der US-Regierung, <font color="#FF0000">die an Argentinien ein Exempel statuieren und den Anlegern zeigen wollen, dass die Zeit der großen Finanzpakete zur Stützung ineffizienter Dauerschuldnerländer vorbei ist</font>. Deshalb verlangen die IWF-Unterhändler in Washington deutliche Beweise dafür, dass das kürzlich verabschiedete Gesetz des Nulldefizits wirklich realisiert wird. Sie wollen sichergehen, dass eine neue Finanzhilfe <font color="#FF0000">zur Lösung des Problems beiträgt und nicht nur den Zahlungsausfall hinauszögert</font>.
Diese Argumentation ist nicht schlüssig. Klar ist, dass der Zahlungsausfall dann unvermeidlich ist, wenn die argentinische Wirtschaft weiterhin vom Kreditmarkt ausgesperrt bleibt, wie es bei den jetzigen Finanzierungskosten der Fall ist. <font color="#FF0000">Schon jetzt sieht sich Argentinien einer Welle von Firmenpleiten gegenüber, welche die Arbeitslosigkeit weiter erhöhen und das besteuerbare Einkommen senken wird. Die Politik des Nulldefizits führt so unweigerlich spiralförmig nach unten in einen Sumpf aus noch tieferer Rezession, sozialen Aufständen und antikapitalistischem Populismus</font>.
Die von Argentinien bereits ergriffenen Maßnahmen und der deutlich gezeigte Reformwille sollten ausreichen, dem Land eine neue Chance zu geben. Nur ein neuer Kredit kann das notwendige deutliche Signal an die Finanzmärkte geben und damit die Zinsen senken. Es wäre unlogisch, das Land ausgerechnet jetzt fallen zu lassen, wo zum ersten Mal und trotz der schwierigen sozialen und politischen Bedingungen eine verantwortliche und nachhaltige Haushaltspolitik mit politischem Rückhalt auch von der Opposition gesetzlich beschlossen wurde.
Statt den bestehenden, verständlichen Widerstand einiger politischer und gesellschaftlicher Gruppierungen gegen die geplanten radikalen Einsparungen zu kritisieren, könnten sich die Politiker der entwickelten Länder fragen, ob sie selbst inmitten einer tiefen Rezession zur Durchsetzung ähnlicher drastischer Amputationen des Staatshaushalts in der Lage wären, wie sie in Argentinien bereits in die Tat umgesetzt werden. Und angesichts der friedfertigen Proteste von verzweifelten Arbeitslosen und schlecht bezahlten Arbeitern in Argentinien könnte man sich fragen, wie zum Beispiel deutsche Arbeiter auf die Aussicht reagieren würden, dass ihre Gehälter als Pfand für einen ausgeglichenen Haushalt eingesetzt werden, wie es in Argentinien geschieht.
Kurz, Argentiniens Politik und Gesellschaft zeigen angesichts der existenziellen Wirtschaftskrise beachtliche Reife, und das sollte belohnt werden. Eine <font color="#FF0000">weitere, großzügige Kreditspritze zur Stützung des argentinischen Währungs- und Finanzsystems ist nicht nur ein Signal an die Finanzmärkte, sondern auch an die argentinische Bevölkerung, dass die jetzt eingeschlagene, schmerzliche Sparpolitik richtig ist</font>.
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