- Chuzpe - R.Deutsch, 12.08.2001, 12:03
- Re: Chuzpe - apoll, 12.08.2001, 16:24
- Re: Chuzpe - dottore, 13.08.2001, 14:44
Re: Chuzpe
>Jetzt muss ich mir doch mal was vom Herzen schreiben.
>Da wird ständig erklärt (von dottore, H&S, allen Bänkern, Professoren und den Zentralbanken) was einzig und allein Geld ist ( Schuldgeld, Papiergeld, umlauffähig gemachte Forderung etc.) und was auf alle Fälle kein Geld ist (Gold und Silber). Dottore erklärt über Jahre mit teilweise abenteuerlichen logischen Verrenkungen, dass Gold und Silbermünzen nie Geld waren.
Ich darf ersuchen, jetzt nicht degoutant zu werden. Hier geht's nicht um logische Verrenkungen, sondern um höchst ernsthafte Versuche, dem Geldrätsel auf die Spur zu kommen.
1. Zunächst einmal zum Wort (ich liefere die ausführlichen Passagen nach). Geld kommt als Wort der deutschen Sprache zunächst als gleichbedeutend mit "Schuld" vor. Die entsprechenden Fundstellen werden - wie gesagt - nachgetragen.
2. Das heutige Wort"Geld", es wurde hier schon gepostet, ist für gar nichts zu gebrauchen. Was allein wir heute haben sind Banknoten, täglich fällige Guthaben und Scheidemünzen.
3. Eine Definition von"Geld" außer dem üblichen wie"Tauschmittel" usw. wurde bisher befriedigend nicht gebracht."Tauschmittel" scheidet historisch schon deshalb aus, weil - wie oft genug gepostet - nicht mit kleinen Edelmetallbeständen (egal ob ungemünzt oder gemünzt) gearbeitet wurde, sondern mit großen. Das gilt für Abraham wie für die frühen Griechen (Oktodrachmen, Dekadrachmen!) wie die Etrusker, wie ausführlich hier schon diskutiert.
4. Zu Geld gehört unbezweifelbar seine Akzeptanz als"irgendetwas". Diese Akzeptanz muss mehrere (möglichst viele) Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen umfassen und sie muss zeitlichen Bestand haben.
Dass heute alle Teilnehmer einer Volkswirtschaft durch die aufoktroierte Form des"gesetzlichen Zahlungsmittels" gezwungen werden, dies als Geld zu betrachten, spielt dabei keine so entscheidende Rolle. Es kommt immer darauf an, dass mehr als zwei an einem Kontrakt Beteiligte, den Kontrakt als an sich zu leistend akzeptieren. Das ist die berühmte Zession, die sich auf alle Forderungen einschließlich Banknoten bezieht.
Dass Gold & Silber heute - sozusagen"unentdeckt" oder"tief in den Herzen schlummernd" - nach wie vor als Geld fungieren oder funktionieren, ist eine durch nichts bewiesene Behauptung.
Der zeitliche Bestand von Gold und Silber als Waren ist ausschließlich abhängig von anderen Waren, die ich dagegen eintausche. Gold und Silber selbst können also niemals Standard sein, da ich niemals wissen kann, wie viel in anderen Waren ich mit bestimmten (abgewogenen und in Feinheit definierten) Mengen von Metall in Form von anderen Waren erhalten kann. Wir haben es mit zwei Variablen zu tun (Metall / Waren), die keinerlei festen Bezug zu einander haben können. Nichts"gilt" also. Weder das Metall noch die Ware.
Völlig anders bei Forderungen (Schulden, Schuldscheinen)! Auf ihnen ist ganz genau festgehalten, welche Menge eine Ware ich bei Fälligkeit abfordern kann. Wenn ich eine Forderung auf 1 Kilo Silber habe, verändert sich diese Forderung nicht. Damit kreeiert diese Forderung einen Standard, wobei es keine Rolle spielt, wieviel andere Waren ich nach Fälligkeit der Forderung gegen das mir dann zur Verfügung stehende Metall tauschen kann, siehe oben.
5. Da bisher in der überlieferten Literatur (Babylon, Bibel) keinerlei Unterlagen über Gattungskäufe (vertretbare Waren wie Getreide, Ã-l, Brot usw.) gegen Metall gefunden wurden, erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass Metall im täglichen Gebrauch als Geld funktioniert hat, also als Tauschgegenstand Kassa gegen Kassa.
Die Probleme des römischen Schwergeldes sind in diesem Zusammenhang ausführlich dargestellt worden. Ein As (Einheit) von 1,5 Kilo und abwärts bis mehrere hundert Gramm schwer kann unmöglich mit Alltagswaren getauscht worden sein.
6. Ein"Tauschmittel" Edelmetall - im Sinne eines"Tauscherleichterungsmittels" hat es in früher oder späterer Zeit mit Sicherheit niemals gegeben, da es zur Darstellung bzw. Dokumentation von einfachen Tauschvorgängen relativ zu den"auseinander zu dividierenden" Waren viel zu wertvoll gewesen ist. Auch heutige Scheidemünzen sind bekanntlich fast stoffwertlos.
7. Bleiben also Gold & Silber als Tauschgegenstände beim Stückkauf (wie ausführlichst dargestellt). Da die getauschten Stücke (Immobilien, Sklaven, Vieh) ihrerseits stets einen Ertrag abwerfen, muss die Zeit, in der derjenige, der eine Ertrag bringende Sache gegen nicht Ertrag bringendes Metall tauscht, für die Zeit der Ertraglosigkeit entschädigt werden. Daraus und auch aus obigem ergibt sich, dass Edelmetall als solches keinen Kassapreis gehabt haben kann (in was auch wohl?), sondern immer auch einen Zeitfaktor (Zeit des Ertragsverzichtes) beinhaltete und beinhaltet.
8. Überdies erfordern Gold & Silber sehr große Investitionen, um sie überhaupt in handel- bzw. tauschbaren Zustand zu versetzen. Diese Investitionen können nicht mit Gold & Silber vorfinanziert worden sein (die berühmte"Nugget"- oder Zufallsfund-These), da es Gold und Silber in tauschbarem Zustand vor der Fertigproduktion noch nicht gegeben hat. Insofern muss vor Gold & Silber als Münzen nicht nur vormünzliches Gold und Silber existiert haben, sondern noch ganz andere Formen von Verbuchungen, die letztlich immer auf Zeitüberbrückung hinauslaufen; ich erinnere an die Forschungen von Frau Schmandt-Besserat und andere.
9. Auch die Tatsache, dass es - von Kroisos angefangen - nie gelungen ist, einen Bimetallismus durchzuhalten, zeigt, dass weder Gold noch Silber Geld gewesen sein können, denn wären sie es gewesen, hätten sie wenigstens eine Parität untereinander haben müssen. Diese einzurichten scheiterte genau so wie die Einrichtung einer Parität eines der beiden Metalle bezogen auf andere Waren oder Leistungen. Die Preise der Waren Gold & Silber untereinander schwankten letztlich immer frei - bis heute. Das galt, wie bereits nachgewiesen, auch für die Zeit des Goldstandards, siehe dazu mein Real-Enzyklopädie-Posting mit abnehmendem Goldmünzenumlauf.
Ganz anders ist es bei auf Gold und Silber lautenden Kontrakten (incl. etallgedeckte Banknoten). Erst der Kontrakt verschafft die Sicherheit, eine im voraus ganz genau definierte Menge eines der beiden Metalle abfordern zu können - egal, was die Sicherheit vom Fälligkeit dann wirklich wert war. Mit einer Menge Silber kann ich niemals eine im voraus klar festgelegte Menge Gold abfordern und umgekehrt. Das vermag erst der Kontrakt, weshalb auch nur der Kontrakt"gilt".
>Dann bricht die Front unter der Wucht der Argumente zusammen, und dann schreibt der dottore, ich solle aufhören den Leuten vorzuschreiben, was Geld ist und was nicht. Das hat mich dann doch verblüfft.
Geld ist eine Chimäre. Entweder wir haben konkret bezeichnete Forderungen auf Waren aller Art, einschließlich Edelmetall. Oder wir haben das Edelmetall selbst, das als solches, da nicht Ertrag bringend, nur über private Konvention oder staatlichen Zwang dazu dienen kann, Ertragsverzicht zu kompensieren.
Die Behauptung, nur Gold & Silber seien Geld, ist vom Ansatz her falsch und wird durch permanente Wiederholung nicht richtiger.
Desungeachtet weiß ich, dass Gold & Silber, wie so manche anderen Waren (mit entsprechend langer Haltbarkeit) den auf uns offenbar zukommenden Zusammenbruch der weltweiten Forderungsketten physisch überstehen werden, was in der Natur des Edelmetalls liegt. Das allein macht meiner Meinung nach den Sinn einer Bildung von Edelmetallvorräten aus.
Da zusammenbrechende Forderungsketten nach historischer Erfahrung durchaus eine verstärkte Nachfrage (womit auch immer ausgeübt) nach Edelmetall ausgelöst haben, dürfte sich ein Run ins Edelmetall erneut ergeben, wobei aktuelle Preise in Forderungen (wie Banknoten oder Giralkonten) nur eine untergeordnete Rolle spielen dürften.
Bevor mein Giralkonto erlischt, werde ich das Guthaben abfordern und in Gold anlegen, wobei mir der Goldpreis oder Goldpreistrend völlig egal ist. Etwas (Metall) ist allemal mehr als nichts (erloschenes Giralkonto). Bei den Banknoten gilt Entspechendes, wobei das Procedere einfacher ist, da es eine Inflationierung von Giralkonten niemals geben kann, eine solche von Banknoten duchaus, was der Mengeneffekt ("Gelddrucken" heißt ja Banknotendrucken, nicht Giralkontendrucken) jeder Hyperinflation vor Augen führt.
Das große Problem ist das Timing. Da Giralkonten wegen der jeder Großpleite zwangsläufig vorangehenden Liqudititätsproblematik am Geldmarkt unmittelbar vor Eintritt der Pleite am höchstens verzinst sind, ist die Verlockung groß, die Konten noch"ein bisschen" weiter bestehen zu lassen und nicht abzuräumen. Nur ein bisschen später ist das Konto erloschen.
Besonders tückisch ist die Situation, wenn man den aktuellen Geldmarktsätzen nicht ansieht, dass eine Großpleite (mit der bekannten Kataraktwirkung) unmittelbar bevor steht.
Der Geldhandel bleibt dann bei seinen niedrigen Sätzen, die für alle nicht bedrohten Institute gelten und kürzt dem problembehafteten Institut die Linien. Da die Linien nicht veröffentlicht werden, und sich vermutlich auch nur sehr schwer aus den Zahlen für täglich fällige Liquidität erschließen lassen (die MZM-Problematik), kann es zu höchst unerfreulichen Überraschungen kommen.
Noch einen persönlichen Rat zum Schluss: Da wir uns alle hier möglichst behutsam und in harten (und sehr fairen) Diskussionen an die Probleme herantasten können, sollte jeder Teilnehmer seinen Dünkel, von wegen"alles ist doch ganz einfach" oder"ich allein habe die Welt im Döschen" fahren lassen. Arroganz ist das schlechteste Argument, das es gibt.
Und anderen"Chuzpe" vorzuwerfen ist für mich nicht akzeptabel.
Gruß
d.
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