- ...und nun Brasilien... - Tofir, 20.08.2001, 13:26
...und nun Brasilien...
aus der NZZ:
Rezessionsbefürchtungen in Brasilien
Ungünstige makroökonomische Entwicklung
Der Verlangsamungsprozess im wichtigsten Land Lateinamerikas hat sich im zweiten Quartal 2001 akzentuiert, so dass man Befürchtungen vernimmt, Brasilien könnte unter der Einwirkung negativer Konjunkturfaktoren in eine Rezession schlittern.
R. F. L. Rio de Janeiro, 19. August
Zur Überraschung der meisten lokalen Beobachter bedeutet das zweite Vierteljahr 2001 für die brasilianische Wirtschaft einen Rückschlag. Nach Angaben des Statistischen Amtes (IBGE) in Brasilia hat sich das Bruttoinlandprodukt (BIP) im Berichtsquartal im Vergleich mit dem Vorquartal um 1,0% verringert. Der Jahresvergleich ergab für das zweite Quartal die geringe Zuwachsrate von 0,8%. Der Zuwachs auf Semesterbasis beträgt gegenüber dem ersten Halbjahr 2000 2,4%; ein Jahr zuvor war das Plus mit 4,3% noch fast doppelt so hoch. Die Reduktion konzentrierte sich vor allem im Industriebereich: So expandierte die Industrie zwischen April und Juni um 0,4%, gegenüber 5,8% ein Jahr früher. Für die Landwirtschaft betragen die entsprechenden Zuwächse 0,2% und 4,6%, für den Dienstleistungssektor dagegen 2,2% und 2,8%.
Interne und externe Faktoren
Zu den Ursachen der deutlichen Verlangsamung zählen vornehmlich das hohe Zinsniveau, die Währungsschwäche und die Krise in Argentinien. Dagegen dürfte die Energiekrise auf die Quartalsresultate noch kaum stärker eingewirkt haben, da sie erst im Juni - also im letzten Monat des Berichtsquartals - zu Spar- und Rationierungsmassnahmen geführt hat. Anderseits sollten sich in den kommenden Monaten mit dem Einfluss einer sehr guten diesjährigen Ernte die Resultate der Landwirtschaft bessern. Immerhin ist es zum ersten Mal seit dem vierten Quartal 1998, als das russische Moratorium Brasilien konjunkturell in Mitleidenschaft zog, dass im Vergleich zweier aufeinander folgender Vierteljahre eine Reduktion des BIP auszumachen ist.
Im Jahre 1999, das mit einer dramatischen Abwertung des Real begann, konnte das brasilianische BIP um nicht ganz 1% wachsen. Im folgenden Jahr betrug das Wachstum 4,5%; heuer sollte eine Expansion von wenigstens 4% erzielt werden. Diese Projektion ist gegenwärtig schon völlig unrealistisch. Die meisten qualifizierten Beobachter nehmen an, dass das BIP in diesem Jahr einen geringeren Zuwachs als 2% aufweisen werde; bei J. P. Morgan geht man sogar nur von einem Wachstum im Ansatz aus, mithin etwa 0,7%.
Soziale Belastungen
Ist Brasilien auf dem Wege in die Rezession? Zieht man in Betracht, dass die Negativfaktoren - Zinsniveau, Währungsschwäche, Argentinien-Krise - weiter bestehen oder gar - wie die Energiekrise - jetzt erst richtig zum Ausdruck kommen werden, so ist die Annahme, dass das Land vor einer Rezession stehen könnte, nicht ganz aus der Luft gegriffen, auch wenn es sich bei der bisherigen Entwicklung nur um eine Verlangsamung handelt und die jüngste Absprache mit dem Internationalen Währungsfonds als Expansionselement wirken könnte. Rezession im Jahre 2002? Es wäre - so schreibt das «Jornal do Brasil» - erstmals in der brasilianischen Geschichte, dass ein Wahljahr unter solchen Vorzeichen stünde.
Jedenfalls werden Befürchtungen laut, dass der vor sich gehende Prozess die Arbeitsmarktlage - zurzeit soll sich die Arbeitslosigkeit schätzungsweise zwischen 7,6% und 7,8% bewegen - weiter verschlechtern müsste. Auch die geforderte und versprochene Verringerung des extremen Sozialgefälles in Brasilien kann ohne eine starke volkswirtschaftliche Expansion nicht in Angriff genommen werden.
Präsident Fernando Henrique Cardoso, dessen Mandat im kommenden Jahr ausläuft, gibt sich gleichwohl eher sorglos. Die Konjunkturentwicklung, meint er, sollte sich rasch wieder zum Guten wenden. Den Leuten gehe es immerhin besser, und die beklagenswerte Ungleichheit - nach wissenschaftlichen Untersuchungen besitzen 10% der Brasilianer 50% des Volkseinkommens, während sich die Hälfte der Bevölkerung mit 10% dieses Einkommens zufrieden geben muss - sei nicht der Wirtschaftspolitik zuzuschreiben, sondern gehe auf das kapitalistische Regime als solches zurück. Diese Feststellung des einstigen Marxisten entspricht zwar nicht den Tatsachen, aber um solche schert man sich ja in der Lokalpolitik - das nächste Jahr ist, wie gesagt, Wahljahr - auch nicht sonderlich.
20. August 2001, 02:05
$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$$
Ein Übergreifen der Krise in SA auf das wichtigere Brasilien war und ist d i e Befürchtung der Marktbeobachter!
Gruss
tofir
<center>
<HR>
</center>

gesamter Thread: