- Brasiliens Wirtschaft droht Stagnation - Sascha, 21.08.2001, 16:31
Brasiliens Wirtschaft droht Stagnation
Hohe Zinsen verunsichern die Verbraucher - Nicht nur Argentiniens Finanzkrise belastet die Konjunktur
<font size=5>Brasiliens Wirtschaft droht Stagnation</font>
Noch zu Beginn des Jahres erwarteten die meisten Ã-konomen, dass Brasilien die <font color="#FF0000">Wachstumslokomotive Südamerikas </font>sein würde. Doch nun <font color="#FF0000">mehren sich Anzeichen von Stagnation im zweiten Halbjahr</font>. Die Finanzkrise in Argentinien, der Wertverlust des brasilianischen Peso und die grassierende Energiekrise bringen die Wirtschaft ins Strudeln.
ALEXANDER BUSCH
HANDELSBLATT, 21.8.2001
SAO PAULO. Den Ã-konomen fällt es derzeit schwer, die Konjunktur in Brasilien für dieses Jahr zu prognostizieren. Banken und Institute erwarten ein <font color="#FF0000">Wachstum zwischen 0,7 % und 2,5 %</font>. Die in der vergangenen Woche veröffentlichten Konjunkturdaten haben die Unsicherheit nur verstärkt: Nach Angaben des statistischen Amts IBGE ist die brasilianische Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,7 % gegenüber den ersten drei Monaten geschrumpft. Prompt revidierten Investmentbanken wie etwa JP Morgan ihre Wachstumsaussichten für 2001 von 1,7 % auf 0,7 % nach unten.
Doch nun haben zahlreiche Ã-konomen in der Erhebung des sonst angesehenen Instituts Mängel entdeckt. Danach sei der Abschwung gar nicht so stark, wie es die Statistiken belegen, ein Wachstum von 2 % für ganz 2001 noch problemlos zu erreichen.
Über die Frage, welche Faktoren die Konjunktur am stärksten hemmen, streiten sich die Experten: Einige Analysten halten die <font color="#FF0000">Energiekrise </font>für den entscheidenden Bremsfaktor und beziffern die Wachstumsverluste alleine wegen des Strommangels auf 1 % für 2001. So verloren Branchen, die energieintensiv produzieren - wie etwa Stahl oder Chemie - im ersten Semester stark an Umsatz. Andere Ã-konomen rechnen jedoch damit, dass der wachstumsbremsende Effekt des Energiemangels durch die erhöhte Produktivität und Einsparungen fast neutralisiert wird.
<font color="#FF0000">Einig sind sich die Experten hingegen, dass der seit Februar steigende Zins die Wirtschaft stark in Mitleidenschaft zieht</font>: So leiden vor allem die Firmen, welche hochwertige Konsumgüter herstellen, unter den <font color="#FF0000">hohen Finanzierungskosten</font>. <font color="#FF0000">Der Pkw-Absatz ist Mitte des Jahres zusammengebrochen, da die Brasilianer den Autokauf zu 70 % über Kredit finanzieren</font>. Auch die Hersteller von Haushalts- und Unterhaltungselektronik leiden unter den höheren Finanzierungskosten.
Zudem sind die negativen Auswirkungen der <font color="#FF0000">anhaltenden Argentinien-Krise</font> schwer zu beziffern. Die direkten Effekte sind eher gering: Die (geringen) Exporte ins Nachbarland schrumpfen seit zwei Jahren. Außerdem profitiert Brasilien teilweise von umgeleiteten Investitionen ausländischer Unternehmen, die nun das Pampaland meiden (Auto- und Telekomzulieferer). Doch indirekt belastet Argentinien die brasilianische Konjunktur erheblich: <font color="#FF0000">Der geschwächte Real und die höheren Risikoaufschläge auf ausländische Finanzierungen bremsen Investitionen der Großunternehmen und verteuern deren ausländische Verschuldung</font>.
Das spürt vor allem die Industrie. Letztes Jahr war sie noch der Wachstumsmotor des Landes. Doch nach einem guten ersten Quartal (6 % Wachstum) stottert dieser seit April zunehmend. Nach den neuesten Angaben des IBGE akkumuliert sich das Industriewachstum im ersten Semester inzwischen nur noch auf 3 %. Die schwächere Konjunktur macht sich klar bei den Kreditanträgen bei der staatlichen Entwicklungsbank BNDES bemerkbar: Gegenüber dem ersten Halbjahr 2000 sind die diesjährigen Anträge auf Kredite um 40 % gesunken.
<font color="#FF0000">Unklar ist weiterhin das Verhalten der ausländischen Investoren: Bis Jahresmitte haben sie nur etwa 10 Mrd. Dollar in Brasilien investiert. Auf das Jahr hochgerechnet, wäre das weit weniger als nach die 30 Mrd. Dollar im gesamten Jahr 2000</font>. Trotzdem registrieren Unternehmensberater und Banken in Brasilien ein anhaltendes Interesse ausländischer Konzerne an Akquisitionen in Brasilien wegen des schwachen Real, etwa beim Einzelhandel, bei Pharma und Petrochemie. Auch auf die Handelsbilanz wirkt sich der schwächere Real aus. Durch die Abwertung des Real sind brasilianische Produkte wettbewerbsfähiger geworden. Ende Juli verzeichnete Brasilien so erstmals in diesem Jahr ein positives Handelsbilanzergebnis.
Unklar bleibt auch, wie sich das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) getroffene Abkommen auf die Konjunktur auswirken wird: Einerseits hat die in Aussicht gestellte Kredithilfe die Märkte für Real, Börse, Zinsfutures und Bonds beruhigt. Andererseits ist nicht abzusehen, <font color="#FF0000">wie stark die Regierung im Staatshaushalt den Rotstift ansetzen muss, um die mit dem IWF vereinbarten Haushaltsziele zu erreichen</font>. Der stark schwankende Real macht eine fundierte Kalkulation der Regierung schwierig. Jede weitere Abwertung würde zusätzliche Streichungen erfordern, um das Haushaltssziel nicht zu gefährden. <font color="#FF0000">Daraus könnte ein Teufelskreis immer neuer Streichungen und eines weiter im Wert sinkenden Reals entstehen</font>.
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