- Wirtschaftswachstum - Rudow, 26.08.2001, 02:08
- Re: Wirtschaftswachstum - Turon, 26.08.2001, 02:58
Wirtschaftswachstum
Mir scheint, dass die Freigeldleute vor allem auf das Wirtschaftswachstum zielen. Sie sind der Meinung, dass das notwendige Wirtschaftswachstum durch den falschen - weil zurückhaltenden Geldgebrauch (Geldhorten) - beeinträchtigt wird. Durch die sogen. Umlaufsteuer versprechen sie sich eine Verbesserung der Wachstumsmöglichkeiten der Volkswirtschaft. Dabei bedenken sie nicht, dass volkswirtschaftliches Wachstum nicht in jedem Fall zur Steigerung des Wohlstandes beiträgt. Darum hier ein Zitat, das auf das Wachstumsdilemma aufmerksam macht.
Grüße
Rudow
Das Wachstumsdilemma
Volkswirtschaftliches Wachstum entsteht durch Innovation. Aber deren Konkretisierung erreichen eher Naturwissenschaftler und Techniker als ausgerechnet Volkswirte. Wenn Erfindungen das Wachstum einer Volkswirtschaft nachhaltig bestimmen, dann muss eine Theorie des Wachstums sie vorgeben, ohne ihre Details beschreiben zu können oder zu dürfen. Diese notwendige Unbestimmtheit könnte zur Annahme verleiten, eine volkswirtschaftliche Wachstumstheorie sei unmöglich oder müsse allumfassend sein, um zumindest alle Naturwissenschaften inklusive des Ingenieurwesens komplett in sich zu enthalten.
Aus Dilemmasituationen versucht Wissenschaft herauszukommen, indem sie zum Ursprung zurückgeht, der in sie hineinftihrte. Der Begriff Wachstum stammt aus der Biologie. Lebewesen wachsen. Aber insbesondere solche, die sehr groß werden, wie Bäume, expandieren nicht in alle Richtungen, sondern sind in vielfältiger Weise begrenzt.
Primär lässt sich Wachstum von formloser Expansion in alle Richtungen abgrenzen, gegenüber der es weitgehende Beschränkung darstellt, die nur noch hochspezifische Möglichkeiten offenlässt. Das Vorhandensein solcher Beschränkung definiert den qualitativen Unterschied von Wachstum gegenüber ihrem Fehlen bei bloßer Expansion, wie sie für unbelebte Materie typisch ist.
Um Erfindungen zu machen, muss man Experte des entsprechenden Gebietes sein. für ihre Verhinderung nicht. Die braucht die Volkswirtschaft, damit sie ihre Ressourcen auf die für ihr Wachstum wesentlichen Erfindungen und allgemein Innovationen konzentriert. Sonst würde an Erfindungen gearbeitet und damit in sie investiert, deren Realisierung sich gegenseitig ausschließt oder bei denen man gegenüber der Konkurrenz anderer Staaten zu spät kommt.
Die theoretische Grundlage einer Wachstumstheorie ergibt sich also nicht aus dem Nachdenken darüber, wie sich eine möglichst weitgehende Expansion einer Volkswirtschaft nach allen Seiten realisieren lässt, sondern umgekehrt daraus, wo solche Expansion, weil nutzlos oder schädlich, begrenzbar ist. Aus der Begrenzung ergibt sich die Konzentration auf das Wesentliche, sie ermöglicht gezieltes Wachstum.
In einfachster beispielhafter Anwendung heißt das, dass in dieselbe Richtung geführte Linienführungen von Bahn und Straße, wenn diese sich dann Konkurrenz machen und somit jeweils auch nicht annähernd ausgelastet sind, aber beide Unterhaltskosten verursachen, die insgesamt weit über den anfänglichen Investitionskosten liegen, zwar augenblickliche Expansion. aber wegen ihrer Widersprüchlichkeit Behinderung des Wachstums einer Volkswirtschaft darstellen. Dasselbe gilt für eine zeitliche oder räumliche Anhäufung von Hausbauten, für die kein aktueller Bedarf besteht, genauso wie der Bau einer Anlage, die Abgase und Lärm produziert in der Nähe von einer, die Ruhe und saubere Luft braucht.
Solch widersprüchliche Investitionen bedeuten nicht Wachstum. als was sie bisher in Statistiken eingehen, sondern umgekehrt Zerstörung von Werten und Wachstumsmöglichkeiten. Ähnliches gilt für Forschungen, die anderen widersprechen und dadurch keine Nutzungschance haben. Eine Wachstumstheorie hat die Aufgabe. widersprüchliche Expansion zu verhindern, wodurch nur eine Beschränkung auf Möglichkeiten für widerspruchsfreie offenbleiben, die dann Wachstum ist.
Es scheint ein Paradox zu sein, dass sich Wachstumstheorie primär mit der Formulierung und Durchsetzung von Expansionsbeschränkungen und nicht mit deren Beseitigung beschäftigen muss. Aber nur so kann sie Verzettelung, widersprüchliches Handeln vermeiden. Erst strikte Trennung, was unerwünscht und was erwünscht ist, schafft die Voraussetzungen zu einer Konzentration der Kräfte in die gewünschte Richtung. Die Notwendigkeit strikter Beschränkung auf das Wesentliche in Form einer Orientierung an Prioritäten gilt nicht nur für erfolgreiches individuelles, sondern auch für volkswirtschaftliches Wachstum.
Wic Wen: Die 5 Paradigmen der Volkswirtschaftslehre für Inflationslosigkeit, Vollbeschäftigung und Verminderung von Kriminalität. ISBN 3-00-001457-8 (1997)
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