- NZZ-Artikel: Der schwache Dollar belastet Unternehmensanleihen - Frank1, 27.08.2001, 16:54
NZZ-Artikel: Der schwache Dollar belastet Unternehmensanleihen
Warnungen vor steigenden langfristigen Schuldzinsen
Die anhaltend flache Konjunktur in den USA und der schwächere Dollar stellen für den internationalen Kapitalmarkt eine steigende Belastung dar. Zu den Folgen können anziehende langfristige Zinsen und sinkende Anleihenkurse gehören. Gefährdet sind in erster Linie Unternehmenspapiere, während Regierungsanleihen von ihrem «Rating» und einer relativen Knappheit weiterhin profitieren können.
Ug. London, 26. August
Die Terrainverluste der US-Währung gegenüber dem Euro haben vielen Marktteilnehmern, die schon seit langem einen Trendwechsel und ein Ende der Dollarstärke vorhersagen, die Zuversicht gegeben, dass sie diesmal nicht enttäuscht werden. In ihrer Sicht gibt es zahlreiche Gründe für einen schwächeren Dollar bzw. stärkeren Euro, und es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie die Kursentwicklung nachhaltig beeinflussten. Von Bedeutung sei vor allem, dass die amerikanische Wirtschaft am Rande einer Rezession schlingere und die Rückkehr zu raschem Wachstum offensichtlich länger auf sich warten lasse, als Optimisten geglaubt hatten. Hingewiesen wird wieder auf das hohe Leistungsbilanzdefizit der USA, das nun fast 5% des Bruttoinlandproduktes entspricht. Die Finanzierung dieses Defizits werde zunehmend schwieriger, da die Bereitschaft ausländischer Investoren abnehme, ihr Kapital in Dollarpapieren anzulegen. Aber andere Beobachter warnen vor übertriebenen Erwartungen. Die Erholung des Euro könne sich vor allem dann als ein neuer Fehlstart erweisen, wenn sich die europäische Konjunktur nicht spürbar besser entwickle als die amerikanische.
Inflationsrisiko und «Rating»-Differenz
Ein schwächerer Dollar wird nicht ohne Auswirkungen auf den internationalen Kapitalmarkt bleiben, da davon auszugehen ist, dass Dollaranleihen unter Druck geraten. Zu den möglichen negativen Auswirkungen eines deutlich niedrigeren Dollarkurses gehören höhere Inflationsrisiken, die nicht nur den Spielraum des Federal Reserve für weitere Zinssenkungen einschränken, sondern auch zu höheren langfristigen Zinsen als Ausgleich für die Inflationsrisiken - und damit zu sinkenden Kursen von langfristigen Anleihen und zu einer spürbar steileren Zinsertragskurve - führen. Sollten ausländische Investoren, die in den letzten Jahren in grossem Stil US-Aktiva erworben haben, sich wegen erhöhter Inflationsrisiken und wegen der Gefahr eines sinkenden Dollartrends von einem Teil ihrer US-Wertpapiere trennen, kann sich ein sich selbst verstärkender Prozess von sinkenden Wertpapier- und Wechselkursen einstellen.
Einer der Beachtung verdienenden Aspekte ist die Zinsdifferenz von Treasury-Papieren und US- Unternehmensanleihen. Das gestiegene Interesse von Anlegern an Unternehmensanleihen, das nicht zuletzt auf das enger gewordene Angebot von Regierungsanleihen zurückzuführen war, hatte den Zinsaufschlag, den Unternehmen zu zahlen haben, schrumpfen lassen. Angesichts der anhaltenden konjunkturellen Probleme der US- Wirtschaft, der abnehmenden Kreditqualität vieler Unternehmen und der Aussicht auf einen sinkenden Dollarkurs könnte bei Anlegern nun aber eine grössere Zurückhaltung eintreten, neues Material zu absorbieren. Regierungsanleihen und Papiere von öffentlichen bzw. quasiöffentlichen Kreditagenturen dürften sich als attraktiver erweisen, da sie über ein besseres «Rating» verfügen. Ausserdem macht sich bei Staatsanleihen Knappheit bemerkbar. Das Potenzial für Umschichtungen von Anlagen entweder innerhalb des Dollars oder aber aus dem Dollar hinaus ist riesig, da ausländische Investoren in den letzten Jahren in grossem Stil Wertpapiere von Schuldnern mit anfälliger Kreditqualität erworben haben.
Globale Gefahren
Aber nicht nur Anleihen von US-Unternehmen können durch einen schwächeren Dollar unter Druck geraten. Die flache US-Konjunktur hat bereits, wie die Investmentbank Credit Suisse First Boston in einem Marktkommentar unterstreicht, in Asien zu deflationären Tendenzen geführt. Bei einer zyklischen Schwächung des Dollars könnten sich Nachfrage- und Preisprobleme auf globaler Ebene bemerkbar machen. Die Ã-konomen der Bank betonen, dass die mit einem Dollarabschwung verbundenen deflationären Effekte für die Weltwirtschaft nur dann vermieden werden können, wenn in Europa gegensteuernde Ankurbelungsmassnahmen ergriffen und wirksam werden. Für Unternehmensanleihen bedeutet dies einen Druck auf die Ertragslage und daraus folgend auf die Kreditwürdigkeit.
Einige Unternehmenssektoren sind ohnehin kräftigem Druck ausgesetzt. Dies trifft insbesondere für Auto-, Telekom- und Informations- sowie Technologieunternehmen zu, deren Anleihen von den Kreditagenturen bereits niedriger eingestuft wurden oder mit einer Tieferbewertung konfrontiert sind. In letzter Zeit ist eine neue Entwicklung aufgetreten, indem Bondanleger die freiwillige Liquidation von Unternehmen fordern. Eines der Beispiele betrifft die in Grossbritannien, den Niederlanden und Deutschland tätige Fernmeldegesellschaft Atlantic Telecom. Vor einigem Tagen wurde bekannt, dass Investoren, die angeblich rund 25% der ausgegebenen Anleihen auf sich vereinigen, die Geschäftsleitung aufgefordert haben, das Unternehmen zu schliessen. Anscheinend befürchten die Anleger, dass sie bei einer Weiterführung des Unternehmens ihr Kapital nicht zurückerhalten werden. Auch bei anderen Unternehmen - insbesondere in den USA - werden Bondanleger mit ähnlichen Vorschlägen aktiv. Gleichzeitig überlegen sich Geschäftsleitungen, ob sie mit dem ihnen noch zur Verfügung stehenden Kapital ihre zu extrem niedrigen Kursen gehandelten Anleihen zurückkaufen sollen.
Anhaltende Sommerpause
Im Primärgeschäft macht sich die Sommerpause deutlich bemerkbar. Nur wenige neue Anleihen wurden aufgelegt, und die Marktdiskussionen drehen sich vor allem um die Pläne von neuen Emissionen, die im September, wenn der Markt wieder voll aktiv sein wird, angeboten werden sollen. Mit einer Dollaranleihe deckte die Bank Nederlandse Gemeenten die vor allem in Asien bestehende Anlegernachfrage (Konsortialführer: Dresdner Kleinwort Wasserstein, Nomura, Goldman Sachs). Die Nestlé Holdings Inc. legte die einzige Unternehmensanleihe in Dollars auf (UBS Warburg). Vor allem im Euro-Sektor, der zunehmend liquid ist, wird die Liste der bevorstehenden neuen Anleihen immer länger, und Analytiker gehen von einer emsigen Emissionsaktivität in den nächsten Monaten aus. Die französische Ladenkette Casino Guichard-Perrachon erhöhte eine bestehende Anleihe um 400 Mio. Euro auf 1,1 Mrd. Euro.
27. August 2001, 02:06
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