- Argentiniens Regierung kämpft gegen die Zeit - Sascha, 27.08.2001, 19:52
Argentiniens Regierung kämpft gegen die Zeit
Soziale Not und leere Haushaltskassen hemmen die Sparpolitik - Ein Plebiszit soll Reformprozess beschleunigen.
<font size=5>Argentiniens Regierung kämpft gegen die Zeit</font>
Ob Argentinien das kommende Jahr ohne Zahlungsausfall übersteht, hängt vor allem von der Glaubwürdigkeit der Haushaltseinsparungen ab. Die Regierung arbeitet auf Hochtouren, doch der politische Apparat ist schwerfällig. Und die Rezession arbeitet in die Gegenrichtung.
ANNE GRÜTTNER
HANDELSBLATT, 27.8.2001
BUENOS AIRES. Das Wort <font color="#FF0000">Nulldefizit </font>zieht sich wie ein Mantra durch alle politischen Debatten in Argentinien. Dabei herrscht überraschende Einigkeit darin, dass das Wort die sehr einfache Formel für künftiges Wirtschaftswachstum darstellt. Selbst der Internationale Währungsfonds (IWF) zeigt sich offenbar so beeindruckt von dieser Formel, dass er die Realisierung des ausgeglichenen Haushalts zur einzigen Bedingung für ein neues Hilfsabkommen mit Argentinien machte.
<font color="#FF0000">Der IWF wird sofort nach der offiziellen Verabschiedung des Abkommens durch das Direktorium Anfang September zunächst 5 Mrd. $ zur Stützung der Reserven auszahlen</font>, <font color="#FF0000">die kurzfristig den Zusammenbruch des Finanzsystems durch die stetige Erosion von Bankeinlagen und Reserven verhindern</font>. Perspektiven für eine nachhaltige Senkung des Zinsniveaus und damit für eine Rückkehr zum Wachstum versprechen jedoch erst die restlichen 3 Mrd. $ vom IWF sowie andere Geldern, die Argentinien von der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank erhalten könnte. Diese werden erst nach Revision der Haushaltspolitik im März ausgezahlt und dienen der <font color="#FF0000">"Operationen zur Senkung des Finanzierungsniveaus"</font>.
Bis dahin werden die Augen aller Analysten und Investoren auf die Aktivitäten der Regierung und der Provinzen zur Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts gerichtet sein, so wie es von der Regierung im Juli nach langem Tauziehen beschlossen wurde. Die Ministerien arbeiten auf Volldampf. Schon jetzt werden in allen Staatsinstitutionen niedrigere Gehälter gezahlt, Hierarchieebenen abgebaut und Angestellte in den Vorruhestand geschickt. In mehreren Provinzen soll das bestehende Zweikammersystem auf eine Kammer reduziert werden. <font color="#FF0000">Doch eine nachhaltige Staatsreform braucht Zeit und die seit drei Jahren das Land zermürbende Rezession drängt zur Eile. Einige Provinzen können seit Monaten keine Gehälter mehr zahlen. Die soziale Lage spitzt sich zu</font>.
<font color="#FF0000">Weitere Kürzungen bei den Gehältern und Renten der Staatsangestellten, die laut dem Gesetz als Garant für das"Nulldefizit" herhalten müssen, sind sozial kaum durchsetzbar</font>. Darin herrscht Partei übergreifend Konsens. Kurzfristig ist die Erhöhung der Steuereinnahmen die einzige Alternative."Es werden jährlich 30 Mrd. Pesos an Steuern hinterzogen. Wenn wir eine effiziente Steuerreform durchführten, gäbe es kein Defizit", sagt der Abgeordnete Alejandro Peyrou. Neue Anreizsysteme für die Steuerinspektoren, Auszahlung der Gehälter über die Banken und allgemein verstärkte Kontrollen sollen im Kampf gegen die immer noch sinkenden Steuereinnahmen helfen.
Die Strukturreformpläne konzentrieren sich zunächst auf die <font color="#FF0000">defizitäre staatliche Altersfürsorge PAMI</font>, sowie die Institutionen der staatlichen und privaten Rentenvorsorge. Ein Gesetz zur Nachbesserung des in den 90-er Jahren begonnenen Übergangs vom Generationenvertrag auf eine kapitalgestützte private Altersvorsorge steht seit langem aus.
Mittelfristig entscheidend ist außerdem eine grundsätzliche Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Nation und Provinzen. Die Ausgleichszahlungen an die Provinzen wurden kurz nach dem Amtsantritt von Präsident Fernando de la Rua vor 2 Jahren auf einem fixen Niveau eingefroren. Doch dieser Betrag wurde in Erwartung eines steigenden Steueraufkommens festgelegt, was infolge der Wirtschaftsflaute nicht eintrat."Die Föderal-Pakte der letzten Jahre sahen einen Finanzausgleich nicht nur der Steuereinnahmen, sondern auch der Kredite vor. Jetzt gibt es keine Kredite mehr, bei der Verteilung geht es also nur noch um die Steuereinnahmen", erklärte Wirtschaftsminister Domingo Cavallo. Die Gouverneure sind zur Ausarbeitung eines neuen Finanzausgleichs bereit, wenn gleichzeitig eine grundlegende Steuerreform diskutiert wird. Das kann dauern.
Beine machen soll dem politischen Apparat nun ein Plebiszit im November, in dem das Volk seine Meinung zum Sparkurs abgeben kann. Dieses Instrument wurde bereits in der Provinz Cordoba eingesetzt. Mit Volkes Stimme als Unterstützung gelang es Gouverneur De la Sota, gegen den Widerstand des Kongresses das Oberhaus der Provinz abzuschaffen. Ähnliches wird nun auch auf nationaler Ebene erwogen.
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