- Re. @rodex, Emerald, Euklid, André und die anderen: Ges. Krankenversicherung - Gundel, 02.09.2001, 05:53
- Re: Re. @rodex, Emerald, Euklid, André und die anderen.. und Gundel - nereus, 02.09.2001, 11:29
- Re: Re. @rodex, Emerald, Euklid, André und die anderen: Ges. Krankenversicherung - BB, 02.09.2001, 12:32
- Re: Re. @rodex, Emerald, Euklid, André und die anderen: Ges. Krankenversicherung - Euklid, 02.09.2001, 12:56
- Re: Überlegungen - Cosa, 02.09.2001, 12:48
- Re: Überlegungen - Gundel, 02.09.2001, 20:11
Re: Überlegungen
Hallo COSA,
ja Du hast Recht: Das System ist marode, namentlich als Solidargemeinschaft. Aber bevor ich jetzt einen Anflug von schlechtem Gewissen bekomme, weil ich selbst keinen Beitrag zu dieser"Gemeinschaft" mehr leiste, muss ich noch ein paar Argumente rauskramen. Ich bin übrigens nicht privat versichert, sondern gar nicht und ich stehe (streitlustig ärmelhochkrempelnd ;-) dazu. Das hat nichts mit Geld zu tun, weil man die DM 500.- pro Monat sicher aufbringen würde, sondern damit, dass ich die derzeitigen Inhumanitäten und Perversitäten einfach nicht mehr ertragen kann und daher folgerichtig auch nicht mehr mittragen möchte.
Genau so wie zurzeit im Staat (zwischen Armen und Reichen) geht die Schere auch in der Krankenproblematik immer weiter auf, und zwar zwischen den unterversorgten (gleichwohl zahlenden) Patienten und den Medizinern, die offenbar - gegen einen Haufen Geld, versteht sich - alles machen dürfen, was technisch überhaupt möglich ist. Die Solidargemeinschaft zahlt Letzteres und kann sich gegen Ersteres nicht wehren. Und genau so, wie die"Gemeinschaft" der Steuerzahler keinen Einfluß auf die Verwendung ihrer schwer erarbeiteten Steuern hat, ist es auch bei den Millionen wehrlosen Kassenfüllern der GKK. Unter Solidargemeinschaft stelle ich mir z.B. vor, dass man GEMEINSAM (z.B. via Abstimmung) darüber befinden könnte, wie die Gelder verwandt werden. Sollten dann die von mir so geschmähten Therapien eine Mehrheit finden (was ich - faire Information veriasgesetzt! - nie und nimmer glaube), dann müsste und würde ich mich der Mehrheit beugen. Mir fallen allerdings in Anbetracht des vom beginnenden Zerfall geprägten Systems leider auch keine praktikablen Lösungen ein. Früher hatte ich wenigstens noch die Hoffnung, dass es irgendwann z.B. unterschiedliche, an individuellen Bedürfnissen der Versicherten orientierte Tarife geben könnte. Ich hätte dann die Intensivmedizin abgewählt, weil ich das eben für mich nicht möchte, unter keinen Umständen.
Gleichwohl respektiere ich aber die Bedürfnisse anderer und gestehe ihnen das selbstverständlich zu. Wobei wir dann leicht zur Problematik reich = gesund kommen könnten, ich weiß... *seufz*. Und dazu, welchen Anteil die meinungsbildenen Massenmedien daran haben *würg*.
Die von Dir angesprochene Problematik zur Notfallversorgung und die entsprechende Rechtslage ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, ganz klar. Die in USA örtlich praktizierte Nichtbehandlung, auch in Notfällen, und zwar so lange, bis geklärt ist, ob der Verletzte zahlen kann oder versichert ist, ist auch nicht das Gelbe vom Ei.
Was ich eigentlich sagen möchte: Priorität hat für mich die Selbstbestimmung, die ich durchzusetzen versuche. Gegen Fremdbestimmung setze ich mich zur Wehr, falls möglich. (Ein gutes, separates Thema... vielleicht bald mal). Diese Gegenwehr äußert sich aber nicht so, dass ich mich hungerstreikend an die nächstbesten Straßenbahnschienen anschweißen lasse, sondern dass ich mich dem maroden System einfach entziehe.
Außerdem tue ich mit meinem Verhalten keinem weh, denke ich, und komme auch nach komplexeren Gedankengängen zu diesem Schluß. Dass das System durch meine Verweigerung minimal geschwächt werden könnte, nehme ich damit zwar billigend und stillschweigend in Kauf, weiß aber gleichzeitig, dass eine so verschwindend kleine Minderheit von den Verwaltern der Beiträge und den medizinischen Nutznießern gar nicht bemerkt wird. So schnell, wie das derzeitige System durch seine eigene morbide Struktur und zunehmende Unbezahlbarkeit zusammenbrechen wird, so rasch könnte kein stummer Protest Einzelner auch nur einen Millimeter Bewegung reinbringen.
Für mich sind die Leiden, die ich dadurch aushalten muss, dass einem anderen unerwünscht eine unnötige Leidensverlängerung auf der Intensivstation aufgezwungen wird (erst kürzlich im eigenen Freundeskreis wieder erlebt) sicher größer als die Nachteile, die ich dem System durch meine passive Verweigerung zufüge.
Eine Lösung für das Grundproblem sehe ich leider auch nicht. Denn ich muss Dir auch hier wieder Recht geben, dass die Angehörigen eines Kranken allzuoft verlangen, dass"alles Menschenmögliche" für den Patienten getan wird. Auch das habe ich vor ein paar Jahren erlebt, als der Nachbar seine Frau vom Sterbebett"gerettet" hat. In diesem Fall sogar gegen die Meinung human eingestellter Mediziner ("das wird doch nix mehr") und vermutlich, weil ihm auf einmal diverse Versäumnisse bewusst geworden sind. Heute sitzt sie (58 J.) apathisch, bewegungslos und ohne Beine im Rollstuhl oder liegt im Bett. Für beide hat das Leben keinerlei Qualität mehr. Außer der erzwungenen Transformation, später, vielleicht...
Ich kann die Grenzen leider auch nicht ziehen, daher rede und entscheide ich ja auch nur für mich. Aber diese Entscheidung möchte ich, wenn es ernst wird, ernst genommen wissen.
Du hast auch damit Recht, dass man neuerdings (sogar mehr und mehr, glaube, hoffe ich) auf human eingestellte Mediziner trifft, die"im stillen Einverständnis" den Willen der Patienten respektieren. Das läßt hoffen. Der Großteil der Weißgekleideten aber ist heute unglücklich in einem System gefangen, dass dazu zwingt, immer mehr und immer kleinere Einzelhäppchen von einem nicht größer werdenden Kuchen abzuschneiden. Oben werden Millionen abkassiert mit High Tech, unten, in der Gemeinschaftspraxis des Allgemeinmediziners, wird gekämpft um jede Urinprobe.
Ich hoffe halt im Fall des Falles, für mich selbst, einem Humanmediziner zu begegnen, der den Namen verdient. Mehr nicht.
Gruss Gundel,
auch ganz besonders an Nereus, der mir mit seiner Einstellung aus der Seele spricht
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