- Moody´s bringt Japan unter Druck - Herabstufung der Anleihen auf Aa3 geplant - André, 07.09.2001, 08:41
- Re: Ja, und extrem gut auch die NZZ heute dazu (Volltext, lohnt sich) - dottore, 07.09.2001, 15:37
- Das ist auch wieder ein idealer Artikel für's Japanarchiv -owT- - Sascha, 07.09.2001, 16:04
- Re: Ja, die NZZ bringt´s auf den Punkt. Wer wird da noch nicht depressiv? ;-)(( (owT) - André, 07.09.2001, 16:15
- Re: Ja, und extrem gut auch die NZZ heute dazu (Volltext, lohnt sich) - dottore, 07.09.2001, 15:37
Re: Ja, und extrem gut auch die NZZ heute dazu (Volltext, lohnt sich)
<font color="FF0000">Absurdes von Nippons Anleihenmarkt</font>
Moody's unterzieht Japan einer kritischen Überprüfung
Japans Regierung kämpft mit einer rekordhohen Verschuldung, und dennoch rentieren Nippons Schuldpapiere weit geringer als jene von finanziell vergleichsweise soliden Staaten. Da sich die Schuldenlage durch die Deflation zusätzlich verschärft, macht sich die Rating-Agentur Moody's Gedanken über eine Herabstufung der Staatspapiere.
tf. Tokio, 6. September
Es muss ja nicht gleich so tragisch enden, wie es Main Koda in ihrem unlängst veröffentlichten Roman, der den für ein belletristisches Werk etwas gar trockenen Titel <font color="FF0000">«Nihon Kokusai» (= Japanische Regierungsbonds)</font> trägt, an die Wand malt.
Die ehemalige Bond-Händlerin stellt sich in ihrem Ausflug in die Welt der Fiktion nämlich die ketzerische Frage, was nun wäre, wenn sich in Japan niemand mehr bereit erklärte, die exorbitante Verschuldung Japans zu finanzieren, was also wäre, wenn Japans Staat für seine Schuldverschreibungen plötzlich keine Abnehmer mehr fände.
<font color="FF0000">Die beschriebenen Folgen sind verheerend: Japans Zinsen schnellen angesichts des Händlerboykotts in ungeahnte Höhen, der Yen stürzt ins Bodenlose, der Aktienmarkt implodiert förmlich, das ganze Bankensystem kollabiert, und bald schon erfasst eine Depression die gesamte Weltwirtschaft, kurz: ein ökonomischer Supergau.</font>
Deflation erhöht Kreditrisiken
Das mit viel Phantasie geschriebene Buch lieferte diesen Frühling in Japan nicht allein Stoff für hitzige Fernsehdiskussionen, in denen sich vermeintliche Experten in grotesken Untergangsszenarien und der eigenen Wirtschaftskrise suhlten. Es wurde an einigen Universitäten auch zur Pflichtlektüre verordnet, zum Studium des hierzulande etwas aussergewöhnlichen Marktes für Staatsanleihen.
Und aussergewöhnlich ist dieser Markt in der Tat: Obwohl Japan nach einem Jahrzehnt faktischer Dauerkrise und zahllos verpuffter Konjunkturpakete heute mit einer unter Industrienationen beispiellosen Staatsverschuldung von 130% des Bruttoinlandproduktes (BIP) kämpft, liegt die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen nur gerade bei knapp 1,4%, Ende Juni lag sie gar unter 1,2%.
Die einfache Marktregel, wonach hohe Verschuldung eigentliches hohes Risiko bedeutet und somit über höhere Risikoprämien nur zum Preis einer höheren Verzinsung zu finanzieren ist, scheint in Nippon mit anderen Worten ausser Kraft.
In der Finanzwelt haben sich einige schon an den «Sonderfall Japan» gewöhnt. So richtig wohl ist es dabei aber niemandem, namentlich nicht der amerikanischen Rating-Agentur Moody's Investor. Die Prüfer haben am Donnerstag daher bekannt gegeben, die Bonität der in Yen denominierten Staatsobligationen einer kritischen Prüfung zu unterziehen, mit dem offensichtlichen Ziel einer möglichen Herabstufung der heute mit Aa2 qualifizierten Papiere. Sorgen bereitet Moody's gemäss Communiqué vor allem die «fiskalisch angespannte Situation, die angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Schwäche des Landes noch andauern werde». Dies ist kaum eine übertrieben pessimistische Zustandsanalyse, zumal heute Freitag die BIP-Zahlen des zweiten Quartals veröffentlicht werden und niemand ernsthaft daran zweifelt, dass sie das Bild einer steil talwärts fahrenden Wirtschaft spiegeln werden.
Mangelnde Alternativen
Die schrumpfende Wirtschaft geht aber vor allem auch mit rückläufigen Preisen einher. Dies beunruhigt Moody's mit Blick auf die Verschuldungslage in besonderem Masse, zumal der deflationäre Druck die Kreditrisiken in der gesamten Volkswirtschaft erhöhe, da der reale Wert bestehender Verbindlichkeiten ständig steige.
Sollte Moody's vor solchem Hintergrund die Bewertung nach rund dreimonatiger Überprüfung tatsächlich senken, wäre dies bereits die dritte Herabsetzung innert dreier Jahre. Die Ankündigung führte an den Devisenmärkten erwartungsgemäss zu einer Abschwächung des jüngst erstarkten Yen, der gegenüber dem Dollar erstmals seit drei Wochen wieder über 121 Yen tendierte. Die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen legte derweil um bescheidene 3 Basispunkte auf 1,405% zu.
Das ist nach wie vor ein tiefer Satz, wenngleich sich die Ertragslage bei Berücksichtigung der Deflation etwas aufhellt. Dass japanische Bonds durch die inländischen Anleger, die über das weltweit grösste Sparreservoir verfügen, dennoch kritiklos ins Portefeuille aufgenommen werden, hängt nicht zuletzt mit einem Mangel an attraktiven Alternativen zusammen: Die Immobilienpreise sinken seit dem Platzen der sogenannten «Seifenblasen-Ã-konomie» seit über zehn Jahren, und Engagements in Aktien gelten bei zahlreichen Japanern nicht allein als eher «unsaubere» Anlagen, sie haben angesichts des Sturzfluges des Nikkei-225-Indexes auf ein 17-Jahre-Tief auch primär zu Verlusten geführt.
<font color="FF0000">Die nächste Seifenblase? </font>
Neben diesem Argument eines eigentlichen Nachfrageüberhanges von Japans gewichtigen Sparern gibt es weitere Erklärungsansätze für den japanischen Sonderfall, etwa das mitunter inzestuöse Verhältnis zwischen Regierung und Banken:
Die Regierung will sich primär billig verschulden, derweil die mit Problemkrediten beladenen Banken es sich kaum leisten können, gegen die Regierung aufzubegehren und marktgerechte Renditen auch bei Staatspapieren einzufordern, zumal die Finanzhäuser unlängst noch mit staatlichen Finanzspritzen aufgepäppelt worden sind. Resultat dieser Abhängigkeit sind einerseits Renditeniveaus, die weniger dem freien Spiel der Marktkräfte entsprechen, sondern vielmehr dem Resultat einer fatalen Schicksalsgemeinschaft.
Anderseits summierten sich Ende Juli in Japans Bankbilanzen die staatlichen Schuldverschreibungen auf eine stolze Summe von rund 65 Bio. Yen. Sollte die gegenwärtige Regierung mit ihren Plänen scheitern, mehr fiskalische Disziplin in den Staatshaushalt zu bringen, könnten diese Positionen den ohnehin angeschlagenen Bankensektor in zusätzliche Mitleidenschaft ziehen, tiefe Risikoprämien hin oder her.
Es darf daher niemanden verwundern, dass mit Blick auf Japans Anleihenmarkt bisweilen gar von Japans nächster «Seifenblase» die Rede ist - und zwar nicht allein von phantasierenden Romanautoren.
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