- Wir werden die meist gehasste Nation der Welt sein-Spiegel online/2nd part - Holmes, 16.09.2001, 18:37
 
Wir werden die meist gehasste Nation der Welt sein-Spiegel online/2nd part
Wir werden die meist gehasste Nation der Welt sein"
 Von Markus Deggerich 
 
 Berlin - Auch unter Wissenschaftlern und Intellektuellen
 kommt eine tiefe Debatte in Gang. Der Historiker
 Wolfgang Benz, Direktor des Zentrums für
 Antisemitismusforschung Berlin, mahnte am
 Wochenende, man müsse das bisschen Toleranz, das
 man mittlerweile erlernt habe, gegen die Politiker
 verteidigen, die so ähnliche Vokabeln benutzten wie
 einst die"Nibelungentreue". Für den Satz erntete er
 auf einer Podiumsdiskussion in Berlin heftigen
 Widerspruch. 
 
 Wie soll man auf den Terror
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 Der Schriftsteller Hans-Christoph Buch grübelte:"Es stimmt etwas nicht, wenn die Reaktion
 auf den Terror stärker kritisiert wird als der Terror selbst." Dagegen kritisierten Stimmen
 aus dem Zuschauerraum wiederholt die Außenpolitik der USA. Der Satz"von nichts kommt
 nichts" fiel mehrfach. Daraufhin holte Buch zur"Publikumsbeschimpfung" aus."Wie kann man
 das Opfer an den Pranger stellen?" Eine emotionale Reaktion der Amerikaner sei natürlich. Es
 gehe nicht in erster Linie um die Zerstörung von Symbolen,"sondern um die Ermordung von
 Menschen". 
 Die Gräben zwischen Falken und Tauben verlaufen tief
 in diesen Tagen, nicht nur in der Politik. Dieter Simon,
 Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der
 Wissenschaften, nahm das Publikum gegen Buch in
 Schutz."Niemand heißt das Attentat gut", sagte er.
 Die Diskussion habe sich mit den Folgen von
 Terrorismus auseinander setzen wollen. Damit sei das
 Publikum nicht zufrieden gewesen:"Vielleicht muss man
 auch über die Voraussetzungen von Terrorismus
 sprechen". Aber es sei äußerst geschmacklos, jetzt
 darüber zu diskutieren, ob die Opfer eventuell selbst
 Schuld an ihrem Unglück seien. 
"Wir werden die meist gehasste Nation der Erde
 sein" 
 Diese Diskussion über die Ursachen und notwendige Konsequenzen jenseits von
 Militärschlägen scheint in Deutschland fast noch verboten, weil sie als eine Verletzung der
 nun vielbeschworenen"Bündnistreue" verstanden wird. Nur langsam sickert sie ins
 Bewusstsein, bezeichnenderweise über amerikanische Intellektuelle, die sich in deutschen
 Feuilletons äußern. Der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer fordert neben der
 Terrorbekämpfung ein politisches Umdenken der USA. Die Amerikaner sollten"endlich lernen,
 weshalb so viele Menschen ihr Land verabscheuen", meinte Mailer in einem von der"Welt am
 Sonntag" veröffentlichten Beitrag. Große Teile der Welt und besonders die
 zurückgebliebensten Nationen empfänden die USA als"ihre kulturellen und ästhetischen
 Unterdrücker". 
"Lasst uns gemeinsam trauern" 
 Vor allem den Armen werde das einzige, was sie haben,
 genommen, ihre Wurzeln, meinte Mailer."Bis Amerika
 den Schaden begreift, den es anrichtet, indem es
 darauf besteht, dass der amerikanische, auf Profit
 ausgerichtete"way of life" nicht notwendigerweise zu
 allen Ländern passt, werden wir in Schwierigkeiten
 sein:"Wir werden die meist gehasste Nation auf der
 Erde sein". 
 Und die wichtigste amerikanische Intellektuelle Susan
 Sontag weist in der"Frankfurter Allgemeinen" einen
 Weg, wie die Diskussion und die Politik in Deutschland
 Bodenhaftung bekommen kann, ohne die heftigen
 Gefühle zu ignorieren oder zu verletzten:"Lasst uns gemeinsam trauern. Aber lasst nicht
 zu, dass wir uns gemeinsam der Dummheit ergeben." 
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