- Weichen für den Crash waren längst gestellt - Bodo, 16.09.2001, 18:56
Weichen für den Crash waren längst gestellt
Die Lage vor dem 11. September
Weltweit herrscht finanzieller Ausnahmezustand. Bei den schrecklichen Ereignissen in New York und Washington wurde nicht nur eine unbekannte Zahl internationaler Devisen- und Derivathändler getötet, sondern zugleich ist auch ein wichtiger Teil der physischen Infrastruktur des Finanzsystems zerstört worden. Immerhin gehörten zu den wichtigsten Mietern des World Trade Centers die Investmentbank Morgan Stanley mit allein 3500 Mitarbeitern, der weltweit führende Anleihehändler Cantor Fitzgerald mit tausend Mitarbeitern sowie weitere Banken aus den USA, Japan, Frankreich und auch Deutschland (Deutsche Bank). Unzählige Derivatkontrakte, vermutlich im Volumen von vielen Billionen Dollar, hängen in der Luft, weil die eine Seite des bilateralen Wettgeschäfts, beispielsweise in Frankfurt, nicht weiß, ob die Gegenseite rechtzeitig ihren Verpflichtungen nachkommen wird oder überhaupt noch existiert. Schon der Ausfall eines größeren Spielers könnte schnell eine globale Kettenreaktion auslösen.
Gerüchte über die Zahlungsunfähigkeit großer Spekulationsfonds machen die Runde. Auch die großen Zahlungsausgleichssysteme des internationalen Bankgeschäfts zeigten erste Fehlfunktionen. Weiterhin fürchten die Zentralbanken in den nächsten Tagen oder Wochen den möglichen Ausbruch einer Dollar-Panik, das heißt einen plötzlichen Ausverkauf amerikanischer Wertanlagen, sowie einen Run auf Bankeinlagen.
Um den sofortigen systemischen Kollaps zu verhindern, pumpten die drei führenden Zentralbanken am 11. und 12. September in einer beispiellosen koordinierten Aktion nach eigenen Angaben mindestens 120 Milliarden Dollar an Liquidität in die Finanzmärkte. Die Federal Reserve kündigte an, sie würde soviel zusätzliche Liquidität bereitstellen, wie immer benötigt werde. In einem ersten Schritt drehte sie sodann den Geldhahn auf und führte dem Bankensystem 38 Mrd. Dollar zu, rund zehnmal so viel wie bei den Transaktionen der Federal Reserve sonst üblich. Darüber hinaus erklärte die Fed, sie habe ihr Diskontfenster für zusätzliche Kredite an die Banken"substantiell ausgeweitet".
Noch während der Nikkei-Index in Japan am 12. September auf den tiefsten Stand seit Dezember 1983 abstürzte, wobei sich an einem Tag 340 Mrd. DM an Papierwerten in Luft auflösten, schleuste die Bank von Japan 2 Bio. Yen (17 Mrd. Dollar) ins System. Die Zentralbanken in Südkorea, Thailand, Singapur, Australien und Neuseeland sowie die Währungsbehörde von Hongkong gaben bekannt, daß sie bereit stünden, jederzeit in ähnlicher Weise zu verfahren.
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) zeigte sich ungewohnt freizügig. Im sogenannten"Schnelltender"-Verfahren gewährte sie kurzfristige Kredite an die Banken im Umfang von 63 Mrd. Dollar. Zuvor waren die Zinsraten am Geldmarkt mangels Liquidität bedrohlich in die Höhe geschossen. Die Schweizerische Nationalbank gab an, sie werde ebenfalls zusätzliche Liquidität bereitstellen, sollte sich dies als notwendig erweisen.
Weiterhin schlossen am 13. September die Federal Reserve und die EZB zudem ein bilaterales Währungsabkommen, bei dem sie sich verpflichten, einander im Ernstfall bis zu 50 Mrd. Dollar bzw. einen entsprechenden Betrag in Euro auszuleihen. Der Federal Reserve zufolge will man mit dieser Maßnahme die Zahlungsfähigkeit in Amerika tätiger europäischer Banken sicherstellen. Mit anderen Worten: Man fürchtet Mega-Katastrophen im Finanzsektor, welche selbst die Devisenreserven führender Zentralbanken, in diesem Falle der EZB, überfordern könnten.
Zwar bemühen sich Regierungen und Zentralbanken nach Kräften, die systemischen finanziellen Bedrohungen herunterzuspielen. Was sie aber nicht verhindern können, ist der Umstand, daß mit einem Mal zahlreiche Vertreter von Banken,
Wirtschaftsforschungsinstituten und Medien sowie verschiedene Regierungsvertreter den Ausbruch der"Weltrezession" ausrufen. Insbesondere, so die gängige Argumentationskette, würde der Kollaps an den Aktienmärkten nun das Vertrauen des amerikanischen Verbrauchers, die letzte Bastion der US-Wirtschaft, erschüttern und damit eine von den USA ausgehende Weltwirtschaftskrise auslösen.
Die Lage vor dem 11. September
Diese These ist in einem wichtigen Punkt irreführend: Der Zusammenbruch des amerikanischen Verbrauchervertrauens und die entsprechenden Folgen für die US-Wirtschaft wie der Weltwirtschaft wären auch ohne den Terrorangriff auf das World Trade Center und das Pentagon eingetreten. Tatsächlich waren aufgrund der kolossalen wirtschaftlichen und finanziellen Schieflagen, nicht zuletzt in den USA, die Weichen für die größte weltweite Finanz- und Wirtschaftskatastrophe längst gestellt. Dieser Prozeß, der ohne radikale Notmaßnahmen im Sinne des von LaRouche geforderten neuen"Bretton Woods"-Abkommens unaufhaltsam ist, wurde durch die jüngsten Ereignisse lediglich weiter beschleunigt.
Beispielsweise brach der weitbeachtete Index der Universität von Michigan für das US-Verbrauchervertrauen im September auf 83,6 Punkte im Vergleich zu 91,5 Punkten im August ein. Die entsprechende Umfrage war schon vor dem 11. September
fertiggestellt worden. Ebenso stieg in der am 7. September endenden Woche die Zahl Amerikaner, die Arbeitslosenhilfe erhalten, auf den höchsten Stand seit August 1992.
Auch der Crash am Aktienmarkt ist bekanntlich kein exklusives Phänomen der Welt nach dem 11. September 2001. Allein in den zwölf Monaten seit dem Ende des ersten Quartals 2000 ist der Marktwert aller von amerikanischen Privatpersonen und Unternehmen gehaltenen Aktien von 20,15 Bio. Dollar auf 14,88 Bio. Dollar zusammengebrochen. Der Werteverlust von 5,27 Bio. Dollar, oder 26,2%, entspricht mehr als der Hälfte der amerikanischen Wirtschaftsleistung eines Jahres.
Aber im zweiten und dritten Quartal purzelten die Kurse weiter. Die letzte Augustwoche des Jahres 2001 brachte sogar den größten Kurssturz amerikanischer Aktien seit März 2001. Und dann erwies sich die erste Septemberwoche als noch
verheerender. Insgesamt fiel der Dow Jones-Index zwischen dem 20. August und dem 10. September um 800 Punkte in die Tiefe. Auch an den europäischen Börsen gehörte der August 2001 zu den verheerendsten Monaten seit den finanziellen
Stürmen im Sommer/Herbst 1998. Einige europäische Großunternehmen, wie die Deutsche Telekom oder die Bayer AG, erlebten dabei den größten monatlichen Kurssturz ihrer Geschichte. Aber während der Dax den ganzen Monat August
benötigte, um 700 Punkte zu fallen, schaffte er den gleichen Kurssturz im September schon in den ersten zwei Wochen.
Lothar Komp
<ul> ~ Quelle: www.solidaritaet.com</ul>
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