- Kommentar zu Verschwörungstheorien (WTC)(Quelle: www.Spiegel.de) - Victor, 25.09.2001, 18:20
- Deutsche Sprache - schwere Sprache - selbst für Spiegel - Turon, 25.09.2001, 18:50
- Re: Deutsche Sprache - schwere Sprache - selbst für Spiegel - SchlauFuchs, 25.09.2001, 18:53
- Re: Kommentar zu Verschwörungstheorien (WTC)(Quelle: www.Spiegel.de) - Turon, 26.09.2001, 01:56
- Der Unerträgliche und seine Vasallen / Test - Crowley, 26.09.2001, 02:18
- Re: Der Unerträgliche und seine Vasallen - Crowley, 26.09.2001, 02:31
- Re: Der Unerträgliche und seine Vasallen - Turon, 26.09.2001, 09:21
- Noch etwas - Turon, 26.09.2001, 09:35
- Re: Der Unerträgliche und seine Vasallen - Crowley, 26.09.2001, 02:31
- Der Unerträgliche und seine Vasallen / Test - Crowley, 26.09.2001, 02:18
- Deutsche Sprache - schwere Sprache - selbst für Spiegel - Turon, 25.09.2001, 18:50
Kommentar zu Verschwörungstheorien (WTC)(Quelle: www.Spiegel.de)
Aufräumarbeiten - Argumente gegen den Gerüchte-Müll
Von Frank Patalong
Gefälschte Bilder bei CNN? Satansfratzen im Rauch des brennenden World Trade Centers? Weltbewegende Nachrichten locken auch Verschwörungstheoretiker, Märchenerzähler und Irre ins Licht der Ã-ffentlichkeit.
Zum allerletzten mal: Nein, CNN hat nach den Terroranschlägen vom 11.
September keine zehn Jahre alten Bilder jubelnder Palästinenser gesendet, um die
westliche Welt gegen Araber und Muslime aufzuhetzen. Möglicherweise haben auch
Sie in den vergangenen Tagen eine E-Mail erhalten, in der diese"bösartige
Manipulation" voller Betroffenheit ausführlich erörtert wurde. Das liegt
daran, dass sich Gerüchte im Web vermehren wie Kakerlaken - und ungefähr
genau so leicht auszurotten sind.
Hartnäckigen Legenden ist mit sachlichen Argumenten kaum beizukommen. Ungezählte Internet-User erhielten in den letzten zehn Tagen auch die berüchtigte"Q33NY"-Mail. Danach sollte dieses Tastenkommando, übersetzt in die Microsoft-Word-Schrift"Wingdings", eine Symbolfolge ergeben, die eindeutig auf die Anschläge hinweise. Eine Legende, sollte man meinen, die ob ihrer Absurdität platzen sollte wie eine Seifenblase. Denn Q33NY war keine Flugnummer eines der Flugzeuge, die in der Terrorattacke vom 11. September benutzt wurden, wie es die Verschwörungstheoretiker behaupteten. Die Flugnummern waren AA 077, AA 011, UA 093 und UA 175.
An der Wirksamkeit der Legende ändert das so gut wie nichts. Eine andere Variante lautete: Q33NY sei nicht die Flugnummer - Q33NY war nun angeblich die Registrierungsnummer eines der Flugzeuge.
Auch das stimmt natürlich nicht. Die Registrierungsnummern der vier gekidnappten Flugzeuge waren:
N644AA (Flugnummer AA 077)
N334AA (Flugnummer AA 011)
N591UA (Flugnummer UA 093)
N612UA (Flugnummer UA 175)
Zu erfragen bei der amerikanischen Luftfahrtbehörde, bei den betroffenen Fluggesellschaften, selbst auf immer mehr Webseiten, die sich der Aufgabe verschrieben haben, offenkundig unsinnige Legenden platzen zu lassen.
Doch die krude Legende lebt weiter Denn die allerneueste Variante sagt nun: Natürlich war das keine Flugnummer und keine Registrierungsnummer. Q33 ist die Nummer eines Busses, der zum New Yorker La-Guardia-Flughafen fährt.
Das stimmt. Es ist nicht zu widerlegen - aber was soll es bedeuten?
Denn fest steht: Das World Trade Center wurde nicht mit Bussen
attackiert, und die Attentäter reisten auch nicht mit diesem Bus an.
Die Zeichenfolge Q33NY ist die gezielte Rück-Übersetzung einer
Symbolfolge aus der Schrift"Wingdings", die dem Betrachter das
unheimliche Gefühl vermitteln soll:"Hat etwa jemand etwas vorher
gewußt?"
Ein weiteres Beispiel: Am 21. September schrieb eine der
angesehensten deutschen Tageszeitungen, dass die Terrorattacke
gegen das WTC bereits seit dem Juni 2000 angekündigt worden sei.
Mindestens 17 seitdem angemeldete Internet-Domains hätten klare
Hinweise enthalten - und das FBI hätte diese - obwohl es Bescheid
gewusst habe - ignoriert. Das sei, werden Experten zitiert, ein
Skandal, wenn es denn stimme. Zitat:"Die bitteren Seiten jedenfalls
sind gesperrt worden."
Viel Theorie, wenig Fakten - denn einige der 17 genannten Seiten
waren auch nach Veröffentlichung des Artikels noch online
erreichbar. Andere existierten nie. Ein Domain-Check ergab, dass die
meisten genannten Webadressen nie registriert waren - geschweige
denn"15 Monate vor dem Angriff".
Die Kreativität der Legendenschmieden ist unerschöpflich. Teils stehen dahinter
Witzbolde mit zweifelhaftem Geschmack -teils Typen mit zweifelhaften Absichten.
Und teils entstehen solche Theorien und Legenden, weil sie schlicht den Gesetzen
des Gerüchtes gehorchen.
Wie zum Beispiel die Legenden rund um die Rolle von CNN
Derzeit kursieren zwei besonders hartnäckige CNN-Legenden:
Legende eins: CNN sendete Bilder von feiernden Palästinensern, die in Wahrheit aus dem Jahre 1991 stammten.
Legende zwei: CNN wusste vorher Bescheid und hatte Kameraleute an sicheren Beobachtungspunkten postiert, um die Einschläge der Passagierflugzeuge ins World Trade Center zu dokumentieren.
Die erste Legende wurde bereits nach wenigen Tagen entkräftet.
Ihre Entstehungsgeschichte: Ein Student postete in einer Newsgroup
die angebliche Aussage seiner Professorin, sie verfüge über Beweise,
dass die Bilder feiernder Palästinenser in Wirklichkeit aus dem Jahr
1991 stammten. Auf Rückfrage konnte diese Beweise niemand mehr
vorbringen.
Doch nun kamen die"glaubwürdigen Zeugen" ins Spiel. Person B hörte
davon von Person A und erzählte es Person C. Und weil B eine so
glaubwürdige Quelle war, wurde der Übermittler der Nachricht oftmals
zum Beweis für ihren Wahrheitsgehalt. Das Resultat: Am letzten Dienstag saßen veritable Diskutanten mit akademischen Titeln in der MDR-Talkshow"Magdeburger Gespräch" und beteiligten sich an der Verbreitung eines hanebüchenen Gerüchtes. Die Legende hatte weltweit den Sprung von den Gerüchteküchen des Webs in die so
genannten etablierten Medien geschafft.
Dass auf den angeblichen Bildern aus dem Jahre 1991 ein Auto
Baujahr 1995 zu sehen war, ist dabei nur eine witzige Fußnote.
Wichtiger ist, dass hinter dem angeblichen Propaganda- womöglich
ein Medienskandal liegt: Wie weiland im Falle der Bilder
Wehrsport-übender deutscher Skinheads waren auch die
Palästinenser-Bilder möglicherweise gestellt. Eine Fälschung ganz
anderer Art also.
Die zweite Legende fußt allein auf den Mechanismen der
Mundpropaganda, und so klingen dann auch die Kettenmails, mit
denen die Legende verbreitet wird:
Angeblich, wird da behauptet, wusste man bei CNN vorher Bescheid,
wann und wie es zur Attacke auf das WTC kommen würde.
Die Beweise:
CNN hatte angeblich ein Kamerateam vor Ort,"nah dran", aber
in einer sicheren Position. Das Kamerateam tarnte sich
angeblich dadurch, dass es eine Feuerwehrübung filmte.
Dies wäre die erste Dokumentation einer Feuerwehrübung
durch CNN gewesen: So etwas filmt CNN nicht.
CNN veröffentlichte den betreffenden Film auf seiner Website
und zensierte diese nachher. Der Film, wird behauptet, ist
heute nirgendwo mehr zu sehen.
In dem Film sieht man zunächst Feuerwehrleute, dann
schwenkt der Kameramann auf das anfliegende erste Flugzeug
und dokumentiert den Einschlag. Ergo: Er wusste, was
passieren würde
Die Gegenargumente:
Das Kamerateam war nicht"nah dran", sondern einige Kilometer
entfernt. Eines der in dem Terroranschlag benutzten
Flugzeuge überflog den Ort der Dreharbeiten in geringer Höhe:
Man sieht im Film, wie der Kameramann sich davon irritieren
lässt und kurz versucht, hinterherzuschwenken. Das schafft er
jedoch nicht und fokussiert die Kamera erst, als der Einschlag
erfolgte.
Es wäre tatsächlich seltsam, wenn
CNN Feuerwehrleute bei einer Übung
filmte. Doch CNN kaufte die Bilder
nur. Gedreht wurden sie von der
New Yorker Agentur Gamma Press.
Die dritte Behauptung ist eine platte
Lüge. Eine gekürzte Version des Films ist bei CNN zu sehen: Einfach
den ersten Link am oberen Seitenrand anklicken:"First Plane
hits World Trade Center".
Ein Kameramann eines lokalen Teams filmte also die Sekunden nach dem
Anschlag. Das in einer Millionenstadt, in der zu jedem gegebenen Zeitpunkt
irgendwo irgendwas gedreht wird. Bemerkenswert, sicherlich: Aber genug,
daraus eine Verschwörungstheorie abzuleiten?
Es geht noch platter
Am Abend des 11. September zeigte CNN Aufnahmen des brennenden World Trade
Center. Viele entdeckten im Rauch
a) das Gesicht Osama Bin Ladens;
b) die Fratze Satans persönlich.
Später sollte noch das Foto eines freien Fotografen auftauchen, der
dasselbe Bild aus leicht anderer Perspektive aufgenommen hatte.
Diese Legende ist tatsächlich problematisch. In dem Rauch lässt sich
wirklich eine Teufelsfratze sehen, wenn man will. Nüchterne
Zeitgenossen merken nun an, dass so etwas nun einmal vorkomme:
in Rauch, in Wolken.
Im Kontext des Sterbens Tausender Menschen bleiben die Bilder unheimlich und entziehen sich letztlich rationaler Erklärung. CNN und der Fotograf Mark Phillips versichern, dass an den Bildern keine Manipulationen vorgenommen
wurden.
Das lässt sich von den meisten Bildern, die davon im Web kursieren, nicht sagen. Mal wird der betreffende Teil des Rauches farblich"betont" und die"Fratze" so hervorgehoben.
Mal zeigt ein unbekannter Manipulator sein Können in digitaler Bildbearbeitung, bis das Bild vom"Satanischen" zum offen Satirischen abkippt.
Ob man sich von solchen Dingen nun eine Gänsehaut über den Rücken jagen lässt oder nicht, ist eine Frage des eigenen Naturells. Die Mär von der Teufelsfratze funktioniert nur im Kontext ihrer tatsächlich erschütternden Entstehungsgeschichte. Gibt es irgendjemanden, der nicht lachen würde, wenn man im Staub eines ganz normalen gerade abgerissenen Hauses eine solche Fratze
entdeckte? Wovor erschaudern wir also: Vor dem"Gesicht", das wir
im Staub zu sehen meinen - oder vor dem Horror, den dieser einhüllt?
Alle Beispiele zeigen, dass es sich
grundsätzlich lohnt, alles erst einmal ein paar Minuten sacken zu lassen und dann in Frage zu stellen.
Das Internet selbst, das Medium also, das für die Verbreitung solcher Legenden sorgt, bietet uns auch die Chance, den Wahrheitsgehalt solcher Gerüchte zu
prüfen. Vielleicht wäre es ganz gut, in solchen Augenblicken nicht dem Gerücht
hinterherzusurfen, sondern seiner potenziellen Entkräftung. So wie im Web
jeder Verleger und Nachrichtenverbreiter sein kann, sollte der"Web-Leser" ein Stück Journalist sein. Und der fragt nicht"Ehrlich,ist das wahr?" - sondern er will Belege sehen. Wenn es sie gibt, dann sind sie irgendwo da draußen.
Frank Patalong
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