- NZZ: Die letzte Demütigung der Swissair - Frank1, 03.10.2001, 09:18
- UBS-Trader-Talks - Frank1, 03.10.2001, 09:34
- Re: NZZ: Die letzte Demütigung der Swissair - le chat, 03.10.2001, 11:27
- Re: Zu Hause alles sturmfest - JÜKÜ, 03.10.2001, 13:26
- WICHTIG! Wie soll das ganze aussehen? - YIHI, 03.10.2001, 13:27
- Re: WICHTIG! Wie soll das ganze aussehen? - JüKü, 03.10.2001, 14:04
- Re: WICHTIG! Wie soll das ganze aussehen? - Cujo, 03.10.2001, 14:54
- Re: WICHTIG! Wie soll das ganze aussehen? - JüKü, 03.10.2001, 14:04
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- Re: Zu Hause alles sturmfest - JÜKÜ, 03.10.2001, 13:26
NZZ: Die letzte Demütigung der Swissair
Stimmen zum Niedergang des ehemaligen Nationalstolzes - 19 000 Passagiere betroffen
3000 bis 4000 Swissair-Passagiere warteten am Dienstag stundenlang am Flughafen Zürich - bis eintrat, was niemand für möglich gehalten hätte: Die Swissair stellt ihren Flugbetrieb ein. Am Swissair-Hauptsitz stehen die Mitarbeiter für ihre Guthaben an. Die Gewerkschaften reagieren mit Entsetzen auf die Einstellung des Flugbetriebs der Swissair. Das Trauerspiel bedeutet einen Schlag mit nicht absehbaren Folgen für die Wirtschaftseinheit Flughafen, mit 25 000 Beschäftigten grösster Arbeitgeber der Region. Auch am Mittwoch können keine Flüge durchgeführt werden.
ark. «Aus finanziellen Gründen ist die Swissair nicht mehr in der Lage, ihre Flüge auszuführen», lautet die lapidare Lautsprecherdurchsage im Abflugbereich des Terminals A des Zürcher Flughafens am Dienstagnachmittag um 16 Uhr 15.
Damit sind für Hunderte, wenn nicht Tausende von Swissair-Passagieren das teilweise stundenlange Warten und teilweise auch gleich die Ferien vorüber. Eine vierköpfige Berner Familie, die auf dem Weg nach Málaga war, trifft man wieder auf dem Perron, wo sie den nächsten Zug Richtung Hauptstadt besteigt. Zuvor hatte sie mehrere Stunden auf Informationen bezüglich des Schicksals ihrer Fluggesellschaft gewartet. «Schwach» sei das, bemerkt das Familienoberhaupt. Die Mitarbeiter hätten noch so gerne informiert, sie tappten aber selber im Dunkeln. Im Laufe des Nachmittags kamen Hunderte von Passagieren an den Informationsschalter der Swissair im Terminal A und bestürmten die dort anwesenden Mitarbeiterinnen mit Fragen. Viele machten auch ihrem Ärger über ihr Feststecken am Flughafen Zürich Luft, wo die Situation am Abend immer chaotischer wurde. Passagiere sassen mit ihrem Gepäck ratlos herum, und das Swissair-Personal, das Auskünfte erteilen sollte, wurde mehr und mehr zu «Blitzableitern» entnervter gestrandeter Passagiere.
15 Uhr 30: Warten auf das Geld
Auch die Durchsage von 15 Uhr 30, dass die Swissair immer noch auf das Geld einer Grossbank warte, brachte keine Aufschlüsse. Sie habe keine Ahnung, wie es weitergehe, hatte eine Check-in-Beamte noch um 15 Uhr erklärt, sie bleibe aber optimistisch. Nicht alle bleiben so gefasst. Eine weinende Swissair-Angestellte wird von einer Kollegin in die Arme genommen und getröstet. «Ich bin einfach traurig», sagt eine andere Angestellte, die seit dreissig Jahren für die nationale Fluggesellschaft tätig ist.
Vor der Anzeigetafel bei den Check-in-Schaltern, wo sämtliche Swissair-Flüge den Vermerk «verspätet» tragen, ist im Laufe des Nachmittags so etwas wie ein Medienzentrum entstanden. Um jeden Angestellten von Swissair oder Swissport, der nicht im Laufschritt passiert, bildet sich eine Traube von Journalisten, auch wenn der Ärmste noch so beteuert, er dürfe eigentlich gar nichts sagen. Beim Erklingen des Gongs vor den Durchsagen schnellen jeweils ein Dutzend Mikrophone in die Höhe, um gleich wieder enttäuscht abzusinken, wenn bloss Frau X für einen der wenigen abgehenden Flüge gesucht wurde. Gross sind auch die Möglichkeiten für die wartenden Passagiere, die sich, wenn richtig positioniert, gleichzeitig von mehreren - teilweise ausländischen - Fernsehteams befragen lassen können.
Run auf die Personaldepositenkasse
Am Hauptsitz der Swissair auf dem Balsberg ist bereits am Dienstagmittag offensichtlich, dass es jetzt ans «Eingemachte» geht. In langen Schlangen warten die Mitarbeiter vor den Schaltern der hauseigenen Bank, der Personaldepositenkasse. Wie einer angeschlagenen Mitteilung zu entnehmen ist, hat die Firmenleitung zwar die Credit Suisse angewiesen, die jeweiligen Guthaben auf die privaten Konti der Mitarbeiter zu überweisen. Die Bank habe diese Transaktionen aber blockiert. Jetzt will jeder noch retten, was zu retten ist. Er sei der Kassier eines Swissair-Sportvereins, sagt ein in der Schlange stehender Mitarbeiter. Jetzt wolle er das Geld des Vereins abheben.
Auf die Grossbanken ist man am Balsberg nicht gut zu sprechen. «Sie haben Corti schachmatt gestellt», empört sich Walter Alfare, ein Koch von Gate-Gourmet. Der neue CEO sei nicht nur für ihn, sondern auch für viele Kollegen ein Hoffnungsträger gewesen. Ein Mitarbeiter der Swissair-Informatik-Tochter Atraxis unterstützt diese Aussage: «Corti war unser Rückhalt. Leute, die jetzt die ‹Filetstücke› herausgeholt haben, sollten sich hier besser nicht blicken lassen.»
Stadt Kloten: Es braucht Zeit
In der Flughafenstadt Kloten geht an diesem warmen Dienstagnachmittag alles seinen gewohnten Gang. Von einem Schock über die Entwicklung beim weitaus grössten Arbeitgeber der Gemeinde ist wenig zu spüren. «Das ist wie bei einem Erdbeben», sagt Erika Aeschlimann, Betriebsdisponentin am Klotener Bahnhof. Nach dem grossen «Chlapf» brauche es seine Zeit, bis die Leute überhaupt realisierten, was passiert sei. Alice Nick, eine alteingesessene Klotenerin, nimmt kein Blatt vor den Mund: «Dieser grössenwahnsinnigen Angelegenheit gehörte einmal eins ausgewischt.» Früher eine begeisterte Swissair- Anhängerin, habe es ihr abgelöscht, als kurz nach der Abstimmung über die vorletzte Ausbauetappe zahlreiche Mitarbeiter entlassen wurden. Leid tun ihr hingegen ihre Bekannten, so etwa ein junger Pilot, der eine grosse Hypothek hat, die er jetzt wohl nicht mehr abbezahlen könne.
Sinkende Einnahmen erwartet
Indirekt betroffen vom Niedergang der Swissair ist Roland Walter, der Inhaber der Klotener «Chäs-Hütte». Rund einen Drittel des Umsatzes erwirtschaftet er im Geschäft mit Gate-Gourmet und den Hotels im Umfeld des Flughafens. Er macht sich gefasst auf sinkende Einnahmen, sieht aber keinen Grund für Panik. Im Restaurant Sternen analysieren Hans R. Seiler, der Gatte der Wirtin, und der Versicherungsagent Peter Baumgartner die Lage. Baumgartner befürchtet, dass die zahlreichen Entlassungen sein Geschäft tangieren werden, ausser bei den Lebensversicherungen: «Die laufen in schwierigen Zeiten immer besser.» Seiler erinnert sich wehmütig an die Zeiten, als man über die afrikanischen «Zebra-Airlines» gelacht hatte, die ihr Kerosin aus Solvenz- gründen jeweils bar zu bezahlen hatten. Wer hätte jemals geglaubt, dass die grosse Swissair eines Tages - sozusagen als letzte Demütigung - so weit kommen würde?
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