- @dottore: Debitismus-Diskussion im Systemfehler-Forum - Bär, 09.10.2001, 02:39
- Um es vielleicht nochmals zu verdeutlichen - Bär, 09.10.2001, 02:43
- Von 8 Mark sind 8 Mark besichert - Heller, 09.10.2001, 10:04
- Wehe, der US-Immoblilienmarkt bricht zusammen..... (owT) - XERXES, 09.10.2001, 10:19
- Re: 1. Antwort (Detail) - dottore, 09.10.2001, 20:15
- Re: 2. Antwort (Grundsätzlich) - dottore, 09.10.2001, 20:18
Re: 2. Antwort (Grundsätzlich)
Lieber Bär,
da bist Du schon auf der richtigen Fährte, es werden entweder Mengen- oder Preiseffekte unterschlagen bzw. Produktion und Konsum.
Gehen wir das Ganze der Reihe nach durch und fangen wir mit dem Allereinfachsten an.
Fall 1: Zwei Mitspieler. A und B. A gibt B 10 Mark und will von ihm dafür, dass er sie ihm gegeben hat, 11 Mark zurück haben. Die Rückgabe muss nach einer vorher vereinbarten Zeit erfolgen. Das kann schon mal nicht funktionieren, weil B nach der Zeit - egal wie lang - nur 10 Mark zurückgeben kann.
Fall 2: Wieder A und B. A gibt B 10 Mark und will 11 zurückhaben. Dies wiederholt A, sobald die ersten 10 Mark zurück gegeben sind.
B kann dann die erste Mark der zweiten Tranche nehmen und sagen: Jetzt sind die 11 Mark zurückgegeben = die Schuld aus der ersten Tranche.
B hat jetzt die erste Tranche (10 plus 1) zurückgezahlt, aber er ist aus der zweiten Tranche wieder 10 plus 1 schuldig. Er hat aber nur noch 9 Mark, da er eine Mark der zweiten Tranche zur Erledigung der ersten Tranche (10 plus 1) verwenden musste.
Da A jetzt niemals mehr 10 Mark von B zurück erhalten kann, ist das Spiel schon beendet. B hat nur noch 9 Mark, ist aber insgesamt 11 Mark schuldig.
Fall 3: A gibt B immer sofort wieder eine Mark, sobald ihm B eine Mark zurückgegeben hat. Da die Spielregeln lauten: A gibt nur dann an B überhaupt seine Mark (oder 10 oder 100), wenn er 10% mehr zurück erhält, also bei einer Mark 1,1, bei 10 Mark 11, bei 100 Mark 110, muss B immer 10 % mehr Marken zurückgeben als er erhalten hat.
Nehmen wir fürs leichtere Rechnen an, A hat B 100 Mark gegeben, für die er 110 zurück erhalten muss, und B gibt die ersten 10 zurück, die A sofort wieder an B gibt, dann ist B aus der ersten Tranche noch 100 schuldig und aus der zweiten 11, also summa 111.
Tatsächlich kann B aber nur 100 Mark haben, denn er hat selbst noch 90 Mark aus der ersten Tranche (100 bekommen, 10 zurückgezahlt, 100 noch schuldig) und 10 aus der zweiten Tranche, die aus den 10 zurückgegebenen aus der ersten Tranche bestehen, die wieder an ihn gegangen sind.
A hat überhaupt nur 100 Mark fabriziert und wie oft die Marken jetzt zwischen A und B hin und hergehen spielt keine Rolle. Es bleiben immer nur 100 Mark, egal, wer sie gerade hat.
Da aber jedes Mal, sobald auch nur eine Mark von A an B gegeben wird, zehn Prozent Strafe (Zins) zu zahlen sind, erhöht sich die gesamte Schuld von B umso schneller, je öfter er sich bei A wieder einen Teil der zahlenmäßig immer gleich bleibenden 100 Mark abholt.
Fall 4: Es wird keine Zeit zur Bezahlung der 10 % angesetzt. Also A gibt B 100, will 110 zurück (B ist einverstanden wie bisher auch schon), aber B gibt A nie wieder auch nur eine Mark zurück.
Dann ist die Vereinbarung von vorneherein sinnlos. Denn wenn es keinen Zeitpunkt gibt, zu dem B spätestens die 100 plus die 10 zurückgeben muss, wird A auch niemals seine 100 hergeben. Wozu denn auch? Er behält sie gleich selbst und es kommen niemals 100 Mark (oder 10 oder eine) überhaupt jemals zu B.
Nun wird ein Zinssatz (in unserem Fall 10 %) grundsätzlich pro Jahr vereinbart. Das muss aber nicht sein. Die 10 % können auch pro Jahrhundert vereinbart werden. Dann erleben weder A noch B den Zahlungszeitpunkt (100 plus 10, 10 plus 1 usw.), womit sich das Problem vermutlich gar nicht erst stellt. Denn A will die 10 % gern noch erleben.
Er kann die 10 % als Mehrzahlung (Rückgabe um 10 % höher als Hingabe) allerdings auch vererben. Dann stellt sich das Problem eben für die Erben. Auch nach 100 Jahren sind immer nur die einmal von A ausgegebenen 100 oder 10 oder 1 Mark vorhanden und die Erben von B müssen jetzt 110 oder 11 oder 1,1 zurückgeben.
Es führt also überhaupt kein Weg aus der Nummer heraus: Entweder es werden keine 100 vergeben (weil es keinen Rückgabetermin gibt), dann entfällt die Sache von vorneherein oder es werden 100 vergeben, dann müssen zum Rückgabetermin die 100 und weitere 10 zurückgegeben werden.
Der Rest ist Schnickschnack.
Aber wir können gern noch eine Variante herausgreifen. Angenommen wir haben A, B und C.
Zeitraum der Aktion: 1 Jahr (oder beliebige Zeiteinheit).
A: Er fabriziert 100 Mark, verpfändet für die 100 Mark 100 Ar Acker, hat selbst 100 Wareneinheiten Vorrat. Die 100 Vorrat sind in einem Jahr verbraucht.
B: Hat keinen Vorrat. Er muss aber dringend 100 Vorrat beschaffen, damit er davon ein Jahr lang leben kann.
C: Hat 100 Waren für das Jahr, in dem er die Waren verbrauchen wird. Und 100 Waren, die er verkaufen könnte, da er sie nicht selber braucht.
B leiht sich bei A die 100 Mark, damit er von C die 100 Vorrat kaufen kann, um das eine Jahr davon zu leben. A gibt sie ihm und will nach dem Jahr 110 zurückhaben. Rückgabetermin ist vereinbart. C akzeptiert die 100 A-Mark, weil er notfalls auf die 100 Ar Acker des A zurückgreifen kann, falls er niemand findet, der ihm nach dem Jahr 100 Waren für die 100 A-Mark gibt.
Alle drei haben jetzt 100 Waren und können ein Jahr lang davon leben.
Was passiert in dem Jahr?
Fall A: Keiner arbeitet in dem Jahr. Am Jahresende ergibt sich: C will 100 Waren haben, die er nicht bekommen kann. (Hierauf zielte Dein Inflationsbeispiel). Er holt sich 100 Ar bei A ab. A hat 100 selbst erstellte Waren, weil er das eine Jahr lang seine zwar verpfändeten, aber ihm nach wie vor 100 Waren abwerfenden 100 Ar abernten konnte. Nachdem er die verbraucht hat (ein weiteres Jahr später), muss er verhungern. Denn seine 100 Ar hat jetzt C.
A hat eine Forderung gegen B auf 110, die nicht erfüllt wird, weil B auch nicht gearbeitet hat. Da A dem B die 100 Mark nicht als mit Eigentum des B besichert verliehen hatte (sondern mit seinen eigenen 100 Ar), muss er schauen, ob er von B irgendetwas bekommt. Notfalls muss er sich an der Person des B selbst schadlos halten (in der Geschichte = Versklavung des nicht leistenden Schuldners). A hat dann also B als Eigentum und kann nur hoffen, dass B ihn, der seinen Acker los geworden ist (den hat jetzt C), in Zukunft über Wasser hält.
C hat jetzt die 100 Ar des A und muss hoffen, dass der Acker möglichst schnell Erträge abwirft, damit er überleben kann. Seine 100 Vorrat hat er inzwischen auch verbraucht, die anderen 100 hatte er bekanntlich an B gegen die 100 A-Mark verkauft.
Fall B: Irgendjemand arbeitet. Arbeitet A allein, dann kann er vielleicht den Acker, der ihm abhanden kommt, durch andere Arbeit zum dauernden Selbsterhalt nutzen, z.B. indem er Fischer wird.
Arbeitet B allein, dann kann er sein Produkt an A oder C verkaufen. Verkauft er an C, der in der Zwischenzeit die 100 A-Mark hält, kann er an C nur maximal gegen die 100 Mark verkaufen und diese dann an A zurückgeben, da er sie ihm schuldet.
Offen sind dann noch die an A geschuldeten 10 Mark. Die könnten nur an ihn (B) gelangen, indem A zusätzliche 10 A-Mark schafft, die er wiederum an B verleihen kann, wie die vor einem Jahr schon an ihn verliehenen 100 auch. Er muss dann ein Jahr später 11 Mark zurückzahlen.
A könnte auch an ihn bereits zurückgegebene A-Mark zum Kauf von Waren des C verwenden ("Kaltes-Büffet-Beispiel"), aber dazu müsste C überhaupt die Waren zur Zusammenstellung eines Kalten Büffets haben, die er aber nicht haben kann, da er seine Waren, die seinen lebensnotwendigen Vorrat überstiegen haben, bereits an B gegen A-Mark verkauft hatte. (Auch darauf zielt Dein Inflationsbeispiel: A will von C etwas kaufen, das der nicht mehr - oder nur noch in minimalen Mengen, je nach Zeitablauf - hat).
Arbeitet C allein, kann er sein Produkt nur an A verkaufen, wenn A zusätzliche A-Mark schafft oder für seinen Kauf bei C die an ihn als Teilrückgabe des von B Geschuldeten in Form von A-Marken (siehe eben) nimmt, oder an B, wenn sich B bei A weitere A-Mark zu den bekannten Konditionen besorgt hat.
Dass das mit der Wiederverwendung von zurückgezahlten Marken zunächst, aber niemals auf Dauer funktionieren kann, siehe oben, im einfachen A/B-Beispiel.
Entweder eine Mark ist ein mit Pfand besicherter Schuldschein, was die A-Mark nach Rückzahlung durch den B niemals mehr sein kann, weil die Schuld in der entsprechenden Höhe nicht mehr existiert. Oder es ist ein Anspruch auf Eigentum selbst, der als etwas kursiert, das"gilt" - eben weil es nichts anderes ist als das Pfand, das dann als Sache auch gleich direkt abgegeben werden kann.
Diese Verwechslung und Vermanschung von Schuld- und Sachenrecht kommt immer wieder vor. Wozu ein nur durch Pfand gedecktes Papier weitergeben, wo ich doch die Sache, für die der Pfandschein nichts anderes ist als ein Eigentumstitel, gleich selbst weitergeben kann?
Wenn ich ein Grundstück in ein anderes Grundstück tauschen will, tausche ich nicht das Pfandrecht auf das Grundstück in das andere Grundstück, sondern Grundstück gegen Grundstück. Der eine Grundstückseigner müsste sonst erst über das Pfandrecht (den Pfandbrief) das andere Grundstück herausklagen.
Ein Pfand macht nur einen Sinn, wenn es zur Besicherung einer Schuld und damit als Zugriffsrecht für den Fall des Ausfalls (!) der Schuld der Schuld unterlegt wird. Ist übrigens Notenbankpolitik seit eh und je.
Fall C: Alle zusammen arbeiten. Auch dann sind zunächst nur die 100 A-Mark vorhanden. Und die Produktion kann - egal wer die 100 Mark gerade hält oder wie die 100 Mark verteilt sind - immer nur gegen 100 Mark verkauft werden.
Daraus ergibt sich ein tendenziell deflatorischer Prozess (mehr Waren gibt's fürs gleich Geld)! Der kann nur aufgehoben werden, wenn jemand (in unserem Fall der A) zusätzliche Mark schafft und damit selber kauft oder sie verleiht.
Letztlich kommt es also immer aufs Gleiche raus: Zusätzliches Geld kann nur geschaffen werden, nachdem zusätzliche Sicherheiten existieren (oder geschaffen wurden, z.B. indem Land durch intensivere Bearbeitung wertvoller und damit höher beleihbar geworden ist).
Oder anders: Der Zins zwingt alle (oder auch nur einige) am System Beteiligten, mehr zu arbeiten. Und der Zins zwingt dazu, mit dem Ergebnis der Arbeit genau jene zusätzlichen Sicherheiten zu schaffen (A könnte seine A-Mark auch statt mit Land mit Getreide als Pfand unterlegen, als mobiles Pfand spielte bekanntlich auch Gold eine große Rolle), mit deren Hilfe das zusätzliche Produkt der Arbeit selbst vom Markt genommen bzw. die entsprechenden Schuldsummen (inkl. Zins) zurückgezahlt werden können.
Ein System, sich am Zins als Zwang zum Mehrprodukt vorbei zu mogeln, gibt es nicht - es sei denn wir gehen stracks in die Gegenwart und schlagen den Zins zur Schuld ohne dass sich ein Hand rühren muss, was bei der Staatsverschuldung am besten zu beobachten ist.
Im Umkehrschluss folgt daraus: Ein Nichtzins-System kann keinerlei Mehrprodukt und keinerlei"Wachstumsraten" kennen: Es wird genau das produziert, was verbraucht wird."Realwirtschaftliches" Wachstum (pro Kopf) entfällt.
Gruß und gern zur Beantwortung weiterer Fragen bereit,
d.
Falls Rechenfehler, bitte ich im Voraus um Entschuldigung. Würde dann nachgebessert; hatte viel zu tun.
<center>
<HR>
</center>

gesamter Thread: