- Außerthematisch: Die aramäische Lesart des Koran. Zwei Rezensionen - Theo Stuss, 10.10.2001, 08:17
- Welch ein Zufall, dass Jesu Muttersprache auch Aramaeisch war. (owT) - XERXES, 10.10.2001, 08:35
- Re: Welch ein Zufall, dass Jesu Muttersprache auch Aramaeisch war. (owT) - Theo Stuss, 10.10.2001, 09:16
- Re: Außerthematisch: Die aramäische Lesart des Koran. Zwei Rezensionen - mguder, 10.10.2001, 15:53
- wenn dottore Zeit hat,... - SchlauFuchs, 10.10.2001, 16:46
- Re: wenn dottore Zeit hat,... - Theo Stuss, 10.10.2001, 17:59
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Außerthematisch: Die aramäische Lesart des Koran. Zwei Rezensionen
Karl-Heinz Ohlig
Eine Revolution der Koran-Philologie
Zum Buch von Christoph Luxenberg, Die syro-aramäische Lesart des Koran. Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache. Berlin (Das arabische Buch) 2000, 311 S.
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Vor einigen Wochen erschien das Buch eines offensichtlich pseudonymen Autors, gerade noch rechtzeitig, dass ich vor der Endredaktion eines eigenen Buchs (Weltreligion Islam. Eine Einführung, Mainz, Luzern 2000, 381 S.) noch kurz darauf eingehen konnte.
Der Autor geht davon aus, dass ein"in weiten Teilen... philologisch nicht geklärter Text" (1) erst richtig verstanden werden kann, wenn man die syro-aramäische Sprache heranzieht, in deren Umfeld der Koran als erstes arabisches Buch entstanden ist. Dann könnten die bisher als dunkel bezeichneten Stellen des Koran - manche sprechen von bis zu einem Viertel des Textes - in ihrer Aussage entschlüsselt werden, darüber hinaus aber auch eine Reihe ursprünglich arabischer Begriffe neu gelesen werden.
Grundlage dieses Vorgehens ist zum einen die enge Verwandtschaft der beiden Sprachen Syro-aramäisch und Arabisch, die viele gemeinsame Wortstämme besitzen, aber in den jeweiligen Sprachen oft Bedeutungsvarianten kennen, zum anderen die Schreibweise des Arabisch: Die Buchstabenzeichen für die Konsonanten - Vokale wurden zunächst nicht geschrieben - sind nicht eindeutig; einige Zeichen können bis zu fünf verschiedene Konsonanten bezeichnen. In der späteren Zeit und im heutigen Arabisch werden die Zeichen durch diakritische Punkte über oder unter ihnen eindeutig den einzelnen Konsonanten zugeordnet. Die ältesten Koranhandschriften aber kannten keine diakritischen Punkte und auch keine Vokalzeichen, so dass der Text mehrdeutig war. Die These des Autors ist nun, dass die Redaktoren, die in den folgenden Jahrhunderten den Text festlegten, dies von einem arabischen Sprachverständnis her versuchten, wobei sie nicht mehr wußten, dass die Verfasser des Koran eine Reihe von syrischen Worten in arabischer mehrdeutiger Schrift niedergeschrieben hatten.
Der Autor schreibt zur Anwendung seiner Methode:"Im Ergebnis wird sich zeigen, dass möglicherweise noch mehr Stellen im Koran mißverstanden wurden als die, deren Unklarheit von den bisherigen Korankommentatoren und -übersetzern zugestanden wurde. Darüber hinaus wird die Analyse teilweise erhebliche Defizite bei der bisherigen Interpretation mancher Aspekte der syntaktischen Struktur der Koransprache enthüllen" (9).
Das Buch ist nicht leicht zu lesen, weil die untersuchten Texte in arabischer und syrischer Schrift wiedergegeben werden und die philologische Diskussion den Nichtfachmann oft überfordert. Was aber jeder Leser leicht sehen wird: Die neuen Bedeutungsvorschläge ergeben auf einmal einen klaren Sinn und passen besser in den Kontext des Koran. Alle einzelnen Schritte sind durch Rückgriff auf klassische arabische und syrische Lexika belegt; der Autor verzichtet darauf, Vorschläge zu machen, die nicht überprüfbar sind.
Aus der Fülle der neuen Einsichten sollen nur einige vorgestellt werden. So zeigt z.B. der Autor, dass der Koran - der Begriff bezeichnet ein Lektionar der syrisch-christlichen Liturgie - sich selbst als Teil und Bestätigung des Alten und Neuen Testaments versteht (57-83):
"Damit besteht er zum einen aus »getreuen« Auszügen aus der »Urschrift«, d.h. der »kanonischen Schrift«, zum anderen aus mit der Urschrift »vergleichbaren«, etwa apokryphen und sonstigen Schriften entnommenen Teilen" (83).
Er geht auf zahlreiche einzelne Verse und Begriffe ein. Für den Leser am wichtigsten bietet er neue Bedeutungen unter der Überschrift"Verlesung und Mißdeutung thematischer Inhalte" (221-269) und"Analyse einzelner Suren" (269-285). Beispiel für eine Fehllesung von Inhalten im Koran sind für ihn die Passagen über Huris oder Paradiesjungfrauen und die Jünglinge im Paradies. Er zeigt auf, dass der Begriff Huri ("die weißen", Adjektiv fem. Plural) keineswegs weiße (Jungfrauen) bezeichnet, die den Männern im Paradies zur Verfügung stehen, sondern"weiße (Trauben)" meinen, ein Anklang an Trauben und Wein, die im christlichen Paradies zur (symbolischen) Ausstattung gehören und die der christliche Theologe Ephräm der Syrer in Hymnen, die damals im Umlauf waren, besungen hat; ähnliches gilt für die angeblichen Jünglinge."Die koranische Aussage ist eigentlich klar und schließt jede Phantasievorstellung aus. Mehr als Essen und Trinken gibt es im Paradies nicht" (247). Er hält es für"eine gute Portion Dreistigkeit..., bei einer heiligen Schrift, die ja der Koran ist, sich überhaupt so etwas auszudenken und dies dem Koran zu unterstellen" (249).
Bei seiner Untersuchung ganzer Suren, die er auf syro-aramäische Weise liest, geht er auf S. 108 und 96 ein. S. 108, die in der bisher vermuteten Bedeutung mehr als dunkel war, erschließt sich als ein Anklang an 1 Petr 5,8.9 sowie einen Hymnus der christlichen komplet; S. 96, die als älteste Sure gilt, ist ein durch und durch christlicher Text, der mit der Aufforderung endet:"nimm an der Abendmahlliturgie teil" (296); auf eine vergleichbare Aussage verweist er für S. 5,114, die als jüngste Sure gilt. Vor daher erhärtet er die bisher unbewiesene Hypothese Günter Lülings, dass es einen vorkoranischen Grundstock von Hymnen aus der christlich-syrischen Liturgie gibt, die in den Koran eingeflossen sind.
Das Buch erschließt ganz neue Einsichten in den jetzt plausiblen Korantext sowie in die enge Verwobenheit des Koran mit dem syrischen Christentum; Islamwissenschaft und auch Religionswissenschaft müssen in einer Reihe von Punkten umdenken. Der Autor schreibt im Vorwort:"Mit dieser Arbeit wird ein Bruchteil umfangreicherer Untersuchungen zur Sprache des Koran der Ã-ffentlichkeit vorgelegt" (VII). Man darf also erwarten, dass er noch weitere Ergebnisse seiner Forschungen vorlegen wird.
Saarbrücker Islamwissenschaftler:"Etwa ein Fünftel des Koran muss neu gelesen werden!"
Datum der Mitteilung: 08.12.1999
Absender: Dr. Manfred Leber
Einrichtung: Universität des Saarlandes
Kategorie: überregional
Forschungsprojekte, Forschungsergebnisse
Gesellschaft, Sprache und Literatur, Geschichte, Religion und Philosophie
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Mit dem spektakulären Fund früher Koranhandschriften in der großen Moschee von Sanaa (Jemen) und ihrer Restaurierung unter Mitwirkung von Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes ist die Quellenlage moderner Koranforschung in ganz erheblichem Maße erweitert worden. Die Vorbereitung einer historisch-kritischen Ausgabe des Korans liegt nahe. In ihr könnte, so die Einschätzung des Saarbrücker Experten Dr. Gerd-Rüdiger Puin, das eine Fünftel des Korans, das auch"Eingeweihten" als schwer verständlich gilt, eine weitgehende Erhellung erfahren. Es handelt sich bei diesen dunklen Stellen zumeist um das Ergebnis arabischer Sprachinterpretationen, in denen die Bedeutung des Aramäischen innerhalb der arabischen Sprache zur Zeit des Religionsstifters Mohammed und unmittelbar danach verkannt wurde.
Nach islamischer Lehre ist der Koran das für alle Zeiten gültige Wort Gottes, das Mohammed offenbart wurde. Textliche Abweichungen innerhalb der bislang bekannten schriftlichen Koranüberlieferungen werden von muslimischer Seite normalerweise als Abschreibfehler disqualifiziert. Aber auch von der westlichen Koranforschung wurde zumindest nie nachhaltig in Frage gestellt, dass der Koran ausschließlich auf die Verkündigungen des historischen Mohammed zurückgeht, dass eine"kritische" Edition diverser Koranüberlieferungen und deren Vereinheitlichung unter Osman, dem dritten Kalifen nach Mohammed, stattfand, und die Kairoer Koranausgabe von 1924 deren letztgültige Fassung darstellt.
Entsprechend bedeutsam ist vor diesem Hintergrund der Fund ältester, zum Teil bereits 50 Jahre nach dem Tod Mohammeds entstandener Koranfragmente in der großen Moschee von Sanaa aus dem Jahre 1972. Ihre Restaurierung ist mittlerweile abgeschlossen und die wissenschaftliche Auswertung hat begonnen. Den zu erwartenden philologischen Ertrag bringt der Saarbrücker Islamwissenschaftler Dr. Gerd-Rüdiger Puin auf folgenden Nenner:"Etwa ein Fünftel des heute maßgeblichen Koran muss neu gelesen werden".
Was nun ist an diesen neuen alten Schriften aus Sanaa anders als am sogenannten Kairoer Koran? Und was berechtigt zu der Annahme, dass in den Varianten ein erster Schlüssel zum besseren Verständnis der dunklen Stellen liegt? Könnte man einfach von nicht weiter aufregenden, da historisch nicht zum Tragen gekommenen Varianten sprechen? Puins Antwort darauf ist ein klares Nein. Denn das Spannende an den nach über tausend Jahren wiedergefundenen alten Schriften ist, dass sie weitgehend nur aus dem Rasm (Spur) bestehen. Darunter versteht man die ursprüngliche Schreibweise der arabischen Sprache, die weder die Schreibung von kurzen Vokalen noch die (schriftgeschichtlich ebenfalls erst später eingeführten) diakritischen Zeichen zur genaueren Festlegung der Konsonanten kennt. Der Rasm besteht aus lediglich 18 Buchstaben, von denen jeder wieder für bis zu fünf verschiedene Konsonanten stehen kann! Diese einfache arabische Grundschrift, wie sie zu Mohammeds Zeit und unmittelbar danach gebräuchlich war, ist damit bedeutungsoffener als die heutige arabische Schrift. Im Lauf der Schriftentwicklung wurde über die eindeutige Festlegung der Buchstaben auch die Bedeutung des Geschriebenen festgelegt. Aber anders verhält es sich eben mit dem ursprünglichen Rasm, wo die Bedeutung über den Kontext erschlossen, d.h. interpretiert werden musste - und dies ist, wenn man mit Puin vor dem Hintergrund der gefundenen alten Schriften die Festlegungen des heutigen offiziellen Korantextes kritisch überprüft, oft nicht befriedigend erfolgt.
Die gemessen an anderen Alternativen, die der ursprüngliche Rasm offen hält, unplausiblen Festlegungen der offiziellen Koranfassung, so ein weiterer Befund Puins, haben durchaus System. Zu einem Großteil zeichnen sie sich durch eine Vernachlässigung, wo nicht bewusste Abkehr von den Aramaismen der früheren arabischen Sprache aus. Puin erläutert:"Das Aramäische, eine sogenannte Nahsprache des Arabischen, war im Arabischen der frühen Koranrezitationen mit zahlreichen Lehnworten präsent. Gegenüber ihrem jeweiligen arabischen Nahwort, zu dessen Gunsten die spätere Textinterpretation des Korans in der Regel ausfiel, hatten sie aber im Allgemeinen einen mehr oder minder abweichenden Sinn." Eine Philologie, die dies konsequent berücksichtigt, so die Puinsche These, kann hinter die nach dem Prinzip"Arabisierung vor Plausibilität" erfolgten wortgeschichtlichen Entwicklungen zurückgehen und damit zahlreiche"dunkle" Stellen des Koran erhellen.
An einem einfachen Beispiel kann dies verdeutlicht werden: Das Wort sakînah wird von den arabischen Lexikographen mit der arabischen Wurzel s-k-n in Verbindung gebracht; diese bedeutet 'ruhig sein, (be)wohnen'. Der koranische Gebrauch des Wortes sakînah hat aber weniger mit 'Ruhe' zu tun als mit der 'Gegenwart (Gottes)', die in Hebräisch/Aramäisch schekhîna heißt. Denn dieses Wort hat die gleiche Wurzel s-k-m, gibt aber im Kontext sämtlicher Koranstellen, an denen es vorkommt (2:248, 48:4, 48:18, 9:26, 9:40, 48:26), einen besseren Sinn. Auch der Anklang an den Sprachgebrauch"Gegenwart/Herrlichkeit Gottes" der Bibel, auf die der Koran in vielfältiger Weise Bezug nimmt, spricht für diese Lesart. - In einer neueren Koranübersetzung ins Deutsche, an der auch Muslime mitgewirkt haben, wird sakînah mit"(Gottes) Ruhe spendende Gegenwart" übersetzt - eine Lösung des Problems, die sowohl dem traditionellen (arabischen) Verständnis ('Ruhe'), als auch der philologischen Einsicht in die Bedeutung des aramäischen Wortes ('Gegenwart') gerecht wird (Der Koran. Übers. v. Adel Th. Khoury. Gütersloh: Mohn 1987).
Dass der Koran entgegen seiner Selbstaussage,"klar" zu sein, selten so wahrgenommen wurde, ist ein offenes Geheimnis. Die Apparate zur Erläuterung der schwer verständlichen Stellen wachsen in der nicht-muslimischen wie in der muslimischen Gelehrtenwelt; und die Mystifizierung dessen, was man nicht ohne weiteres nachvollziehen kann, zu einer im letzten unfasslichen Poesie, erwies sich durch die Zeiten als die herrschende Rezeptionsweise der Muslime, vom einfachen Gläubigen bis hin zum hohen Gelehrten."Wohl eine Zauberkraft muss sein in dem woran / Bezaubert eine Welt so hängt wie am Koran", schreibt der spätromantische Lyriker, Übersetzer und Orientalist Friedrich Rückert. Es ist eine ebenso poetische wie gelehrte Hommage an das Ineinanderfließen von Ästhetik und Religion, die für das unmittelbare Erleben einer Koranrezitation durch einen gläubigen Muslim ebenso bezeichnend ist wie für ihren wissenschaftlichen Nachhall in dem in diesen Tagen viel beachteten Buch"Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran" von Navid Kermani (Beck Verlag, München 1999). Nicht selten jedoch, so der eher philologisch arbeitende Islamforscher Puin, beruht die ästhetische Qualität des Koran gewiss auf einem kreativen Missverstehen seiner Sprache.
Eine historisch-kritische Auswertung des frühen Fragmentbestands ist nun das nächste Ziel, das Puin angehen möchte. Realisiert werden soll sie auch mit elektronischen Hilfsmitteln, was die Möglichkeit bietet, an den deutungsbedürftigen Textstellen die verschieden Ebenen 1. Kairoer Koran, 2. den von dessen diakritischen Zeichen radikal"entkleideten" Rasm, 3. den - soweit vorhanden - entsprechenden Rasm eines Sanaa-Fragments, 4. die dazugehörigen Kommentare des Herausgebers und schließlich 5. die aus dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand resultierende Bedeutung miteinander zu verbinden. Das Projekt bedarf allerdings noch der Unterstützung - sowohl technischer Art mit einer geeigneten Software, die zur Erstellung der entsprechenden Textebenen die diakritischen Zeichen in Gänze"wegradieren", sie partiell aber auch wieder einfügen kann, als auch finanzieller Art, um den notwendigen Sach- und Personaleinsatz zu ermöglichen.
Ob das Benötigte auch gefunden werden kann, ist im Augenblick nicht abzusehen. Denn schwer kalkulierbar ist, wie es um die allgemeine Akzeptanz für eine historisch-kritische Arbeit am Koran steht. Die ersten vorsichtigen Schlussfolgerungen, die Puin aus"seinen" Sanaa-Fragmenten zog, wurden über einen Artikel des Wissenschaftsjournalisten Toby Lester"What is the Koran?" zu Beginn des Jahres (Januar-Ausgabe der Zeitschrift"The Atlantic Monthly") erstmals einer größeren Ã-ffentlichkeit zugänglich gemacht. Harsche Reaktionen von orthodoxen Gläubigen, denen"ihr" Koran Wort für Wort heilig ist, waren die Folge. Mit Widerständen rechnet Puin aber auch bei der wissenschaftlichen Fachwelt einschließlich der deutschen. In den Augen des Saarbrücker Koranforschers hat sich diese - u.a. in der Tradition Rückerts - in letzter Zeit eher um kongeniale Einfühlung in das, was ihr vorgegeben wurde, als um dessen kritische Analyse bemüht. Andererseits: Kein Wissenschaftler wird sich am Ende über eine philologisch besser als bisher begründetes Textverständnis hinwegsetzen können. Auch ist kein gläubiger Muslim gezwungen, zwischen einem revidierten Koran-Verständnis und dem Glauben an die zeitlose Gültigkeit von Allahs Wort einen Gegensatz zu sehen. Schließlich handelt es sich bei der hier dargestellten Koran-Forschung nicht um das erste abwägende Bemühen, den"richtigen" Koran-Text sicherzustellen. Angesichts der Unsicherheit, die aufgrund von einander abweichenden Koran-Überlieferungen schon wenige Jahre nach Mohammeds Tod entstanden ist, ließ der dritte Kalif Osman (reg. 644 - 655 A.D.) von den Gelehrten seiner Zeit die bis heute weitgehend anerkannte Koran-Edition besorgen. Auch sie wurde nur von Menschen gemacht!
Mit Illustrationen ist der Text dieser Pressemitteilung als Titel der neuen Ausgabe der Universitätszeitschrift campus (campus 4/1999) erschienen. Über den spektakulären Fund von Sanaa, die aufwendige Restaurierung der Pergamentfragmente und ihre kunsthistorische Zuordnung berichtete bereits campus 3/99. campus ist bei der Pressestelle der Universität des Saarlandes erhältlich, Tel. 0681/302-2601. Weitere Fragen beantwortet Ihnen Dr. Gerd-Rüdiger Puin, Tel. 0681/302-2736.
Zur Person:
Dr. Gerd-Rüdiger Puin, geb. 1940 in Königsberg, studierte von 1962 bis 1969 in Bonn Islamwissenschaft, Wirtschaftsgeographie und Wirtschaftspolitik. Zum Auslandstudium ging er 1964/65 für sieben Monate an die Universität in Riyad in Saudi-Arabien, die er al erster Nicht-Muslim besuchen konnte. Nach der Promotion war er zunächst am Deutschen Orient-Institut in Hamburg tätig, bevor er 1972 an die Universität des Saarlandes kam. 1981 bis 1985 wurde er beurlaubt, um bei der Jemenitischen Antikenbehörde in Sanaa das Kuturhilfeprojekt des Auswärtigen Amts"Restaurierung und Katalogisierung Arabischer Handschriften" zu leiten. Anschließend übernahm sein Saarbrücker Kollege, der Kunsthistoriker und Spezialist für islamische Buchmalerei Dr. Hans-Caspar Graf von Bothmer, die örtliche Leitung dieses mit einer Förderung in Millionenhöhe bislang größten Kulturerhaltungsprojektes. Von den Zehntausenden Pergament- und Papierfragmenten, die 1972 bei Umbauarbeiten der im Jahr 628, also noch zu Lebzeiten Mohammeds errichteten Großen Moschee gefunden wurden, sind mittlerweile die Pergamentfragmente - sie stammen aus 926 verschiedenen Koranhandschriften - restauriert, katalogisiert und kunsthistorisch eingeordnet. Nach Plänen von Puin richtete die jemenitische Antikenbehörde eine ständige Koranausstellung im"Haus der Handschriften" ein, in der - u.a. als Attraktion für Staatsbesucher - eine Auswahl der Fragmente zu sehen ist. Puin selbst stehen für seine Forschungsarbeiten Mikrofilme zur Verfügung, die von Bothmer zum Abschluss des Projekts 1997 im Jemen angefertigt hat.
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