- GREENSPAN-SAN - BossCube, 11.10.2001, 20:01
- und Fricke-SAN:"Die Wissenschaft ist weiter" - Ghandi, 11.10.2001, 21:33
- Re: und Fricke-SAN: - JüKü, 11.10.2001, 22:20
- und Fricke-SAN:"Die Wissenschaft ist weiter" - Ghandi, 11.10.2001, 21:33
und Fricke-SAN:"Die Wissenschaft ist weiter"
Kommentar: Aufregung von vorgestern
Von Thomas Fricke, Berlin
Während die US-Regierung alles Mögliche gegen die Rezession mobilisiert, leistet sich Deutschland eine antiquierte Debatte über vermeintliche Gefahren keynesianischer Konjunkturpolitik. Für die Wirtschaft ein gefährlicher Luxus.
Die Aufregung über Amerikas neues Konjunkturprogramm ist groß - weniger in den USA als vielmehr in Deutschland. Seit US-Präsident George Bush vergangene Woche weitere 75 Mrd. $ für den Kampf gegen den Abschwung in Aussicht gestellt hat, vergeht kaum ein Tag, an dem sich deutsche Politiker und Kommentatoren nicht ereifern, dass Konjunkturprogramme gefährlich seien - und jedenfalls für Deutschland ungeeignet.
Für Bundesfinanzminister Hans Eichel sind sie"Unfug", für andere führen sie offenbar geradewegs in die Katastrophe. Hastig wird vor einer Politik à la John Maynard Keynes gewarnt, dem Vordenker der Konjunkturpolitik - nach herrschender deutscher Lehre so eine Art Schurke der Wirtschaftspolitik.
Der Eifer steht nicht nur in kuriosem Widerspruch zu der Selbstverständlichkeit, mit der in den USA und in der globalen Akademikerwelt über solche Politik diskutiert wird - und zwar nicht erst seit den Terroranschlägen vom 11. September. Der Verdacht drängt sich zudem auf, dass Deutschland in verstaubten Debatten der 70er und 80er Jahre stecken geblieben ist. Das ist nicht nur ein akademisches Problem. Es könnte der Wirtschaft in den nächsten Monaten teuer zu stehen kommen.
Die gleichen Fehler wie in den 70ern
Deutschlands Radikalkritiker drohen heute den gleichen Fehler zu machen wie die Politiker der 70er Jahre, die sich auf Keynes beriefen - nur mit umgekehrter Stoßrichtung."Die Reaktionen sind zu dogmatisch", sagt Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank.
Anfang der 80er Jahre mag es noch legitim gewesen sein, vor den politischen Exzessen konjunktureller Steuerungsversuche zu warnen. Damals galt es, dem verbreiteten Glauben entgegenzutreten, wonach Konjunkturpolitik (fast) alle Probleme der Wirtschaft lösen könne. Die schlechten Erfahrungen der 70er Jahre wirkten nach, als heillos expansive und unkoordinierte Schritte von Geld-, Finanz- und Lohnpolitik vergeblich gegen das geschwächte Wachstum eingesetzt wurden und damit Inflationsrate und Staatsschulden drastisch nach oben trieben.
Seitdem aber hat sich die Welt geändert, und die alten Warnrufe klingen reichlich albern. Nur ein paar Outsider würden heute noch riesige Verschuldungs- oder Lohnsteigerungsprogramme fordern. Das muss aber nicht heißen, dass deshalb gar nichts passieren darf.
Die Wissenschaft ist weiter
Die Wissenschaft ist längst ein Stück weiter. Nicht durchgesetzt haben sich jene Theorien der 80er Jahre, die besagten, dass sich die Konjunktur weder vorhersehen noch irgendwie positiv beeinflussen lässt. In den USA zählt vielmehr die"neue keynesianische Theorie" seit Jahren zu den dominierenden Denkströmungen. Darin werde die Erkenntnis wieder hochgehalten, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage für die Wirtschaft von großer Bedeutung sei, sagt Jürgen Kromphardt, Mitglied im Sachverständigenrat.
Hinzu kommt, dass die Gefahrenlage anders ist als vor 20 Jahren - vor allem in Sachen Inflation. Das hat spätestens der Ã-lpreisschock von 1999/2000 gezeigt, dem - anders als seinen Vorgängern der 70er und frühen 80er Jahre - weder entsprechend kräftige Lohnsteigerungen noch ein dauerhafter Inflationsanstieg auf zweistellige Raten folgte.
Europa hänge der"Austeritätspolitik aus einer anderen Ära" nach, unkt Stephen Roach, Chefökonom bei Morgan Stanley. Für den Princeton-Ã-konom Paul Krugman gleicht der Kampf gegen mögliche Inflationsrisiken gar jener Verteidigung der Maginot-Linie durch Frankreich vor dem Zweiten Weltkrieg - der Krieg fand woanders statt.
Nicht steuern, sondern abfedern
Es geht nicht darum, Konjunktur wie am Reißbrett zu steuern. Wichtig aber wäre es, die Ausschläge wirtschaftspolitisch nicht noch zu verstärken, in Maßen vielleicht sogar abzufedern. Gerade dafür wäre jetzt die Zeit gekommen.
Der Abschwung in den USA hat das Risiko eines sich selbst verstärkenden globalen Abwärtsprozesses mit sich gebracht. Die Ereignisse vom 11. September erhöhten die entsprechende Unsicherheit für Unternehmen und Verbraucher drastisch. Umso dringlicher wäre es, so Deutsche-Bank-Ã-konom Walter, dem Nachfrageschock etwas entgegenzusetzen und die Hoffnung auf eine Erholung zu stärken - bevor sich Depressionsstimmung breit macht.
Für die USA lautet die Frage nicht mehr, ob, sondern wie stark Geld- und Finanzpolitik gegensteuern. Notenbankchef Alan Greenspan hat der Regierung signalisiert, wie weit sie gehen kann. Und Bush scheint sich daran zu halten - ein Beispiel gelungener Abstimmung in der Wirtschaftspolitik.
Übermaßvolle Schritte nachdenken
Natürlich lässt sich einwenden, dass die USA dank staatlicher Haushaltsüberschüsse aus den vergangenen Jahren mehr Spielraum haben als die Europäer. Das aber spricht nicht dagegen, in Europa über entsprechend maßvollere Schritte nachzudenken. Ein Vorziehen der ohnehin für 2003 geplanten Steuersenkungen in Deutschland könnte ein ebenso wichtiges Signal sein wie die frühere Umsetzung staatlicher Investitionen.
Beides würde weder die Inflation in die Höhe schnellen lassen, die Welt steht derzeit eher vor einem Deflationsschock; noch wären die Gefahren für die Finanzplanung der Staaten unbedingt größer, als sie es im Falle eines Nichtstuns wären. Hielte die konjunkturelle Talfahrt in Deutschland an, würde dies die Steuereinnahmen ohnehin sinken und die staatlichen Ausgaben etwa für Arbeitslosengeld steigen lassen. Das Defizit ginge hoch.
Die Lage verschlimmert sich
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in den vergangenen Monaten gezeigt, dass sie durchaus auf die Konjunktur achtet - trotz aller Beteuerungen, keine aktive Konjunkturpolitik zu betreiben. Der Einsatz folgt auf Umwegen: Die Währungshüter räumen ein, dass nachlassendes Wirtschaftswachstum den Inflationsdruck verringert und damit Platz für Zinssenkungen macht. Damit liegen sie de facto gar nicht so weit von der US-Logik einer bewussten Konjunktursteuerung entfernt.
Bedenklich ist, dass Deutschlands Finanzpolitik vor lauter Prinzipientreue und falsch verstandenen Lehren aus den 70er Jahren derzeit eher in die andere Richtung steuert und die Lage damit noch verschlimmert. Statt wie in den USA eine höhere Nachfrage zu ermöglichen, droht die Nachfrage in Kürze sogar noch zusätzlich gebremst zu werden - ob durch die geplante Anhebung der Ã-kosteuer, durch steigende Beiträge zur Krankenversicherung oder durch die jüngst angekündigte Erhöhung der Tabak- und Versicherungsteuern.
Was Deutschland dringend bräuchte, wären vernünftige Debatten darum, was Wirtschaftspolitik bei drohenden Krisen genau leisten kann. Und in diesen Diskussionen wären die Lehren aus den 70er und 80er Jahren durchaus nützlich. Etwa dann, wenn es festzulegen gilt, wie weit Geld- und Finanzpolitik gehen dürfen. Wenig hilfreich aber ist das weit verbreitete reflexartige Ereifern über Keynes und die Exzesse keynesianischer Politik in längst vergangenen Tagen. Mit solchen Grundsatzdebatten leistet sich das Land einen teuren Luxus.
Bedächtige Zinssenkungen würden ebenso wenig zurück in die 70er Jahre führen wie ein früheres Einsetzen von Investitionen oder Teilen der Steuerreform. Und es führt auch bei den Staatsfinanzen nicht ins Desaster, solange mittelfristig das Ziel eines Schuldenabbaus bleibt. Wohl aber würden die Chancen steigen, eine stimmungsgetriebene Abwärtsspirale noch zu verhindern.
© 2001 Financial Times Deutschland
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Warum erinnert uns diese Pseudo-"Wissenschaft" nur immer
so fatal an die glorreichen Alchemisten des Mittelalters?
Es lebe der Debitismus ;-)
Gute Nacht
G.
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