- Spiegeberichtl: Der Stern Greespan fällt vom Himmel... - Peter der Große, 14.10.2001, 14:06
Spiegeberichtl: Der Stern Greespan fällt vom Himmel...
Zweifel an Maestro Greenspan
Alan Greenspan galt über Jahre hinweg als geheimnisvoll und unangreifbar. Doch der Mythos des US-Notenbankchefs bröckelt.
New York - Alan Greenspan hat den Börsencrash besser überstanden als andere Helden des New-Economy-Booms. Er sitzt noch auf dem Thron, den ihm die Börsianer in den goldenen Neunzigern errichtet haben. Doch auch sein Image hat gelitten. Vorbei sind die Zeiten, als die Leute ihn"Maestro" oder"Magier" nannten. Seine Überzeugung, dass neue Technologien für ewiges Wirtschaftswachstum sorgen könnten, hat sich als Irrglaube erwiesen. Das hat Spuren hinterlassen.
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Das Denkmal bröckelt: Alan Greenspan
In diesem Jahr wurde er vollends entlarvt. Neunmal hat er die Leitzinsen gesenkt. Der Hauptzinssatz ist mit 2,5 Prozent so niedrig wie seit 1962 nicht mehr. Bei jeder Zinssenkung hat Greenspan versichert, die langfristigen Aussichten für die US-Wirtschaft seien gut. Doch jedes Mal ist die Wirtschaft noch ein bisschen fester in die Bremsen getreten. Und die Aktienmärkte gähnen nur noch."Greenspan ist die Magie ausgegangen", kommentierte der"San Francisco Chronicle" nach der letzten Zinssenkung vom 2. Oktober.
Warum verpuffen Greenspans Handlungen derart wirkungslos? Eine Erklärung ist, dass die Federal Reserve unter Greenspan so durchsichtig geworden ist, dass Zinssenkungen die Märkte nicht mehr überraschen. Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Doch es gibt noch einen anderen Grund. Den Börsianern, die noch vor zwei Jahren an Greenspan nicht zu zweifeln wagten, wird langsam klar: Der Greis kocht auch nur mit Wasser. Er weiß auch nicht mehr als wir. Der Lack ist ab.
Als es aufwärts ging, ritt Greenspan wie ein Triumphator vorneweg. Doch im Absturz erscheint der Notenbank-Chef genauso ohnmächtig wie jeder Trader. Seine einzige Waffe, die Zinskeule, schwingt er zwar gewaltig, aber anscheinend immer ins Leere. Natürlich muss man anmerken, dass Zinssenkungen erst nach sechs bis achtzehn Monaten ihre Wirkung entfalten. Doch nach neun Monaten fragen sich inzwischen die ersten, wo die versprochenen Resultate bleiben.
Nun hat die Attacke auf das World Trade Center die Wirtschaftskrise noch verschlimmert. Und die Fragen an Alan Greenspan werden drängender. Was, wenn den USA das gleiche Schicksal droht wie Japan? Dort sind die Zinsen auf Null - und trotzdem will niemand Geld leihen und investieren. Die Rezession dauert bereits Jahre.
US-Politiker beider Parteien sind es leid zu warten. Man ist sich einig: Zinssenkungen allein werden die Wirtschaft nicht aus der Rezession holen. Der Staat soll mit mindestens 100 Milliarden Dollar stimulieren. Und was tut Greenspan? Er empfiehlt, mit dem Stimulierungspaket erstmal zu warten. Vielleicht würden die Zinssenkungen ja doch noch wirken. Und überstimulieren wolle man die Wirtschaft ja nicht.
Für diese Einmischung in die Haushaltspolitik erntete er einen Sturm der Empörung."Greenspans Vorsicht ist grotesk", schäumte Robert Reich, Ex-Arbeitsminister unter Clinton. Sie sei unfair gegenüber all denen, die beim Warten auf den Aufschwung ihren Job verlieren würden. Andere kritisierten, dass Greenspan zu viel Einfluss auf die Wirtschaftspolitik habe. Mit seinem Veto könne er faktisch jedes Gesetz zu Fall bringen, monierte ein Republikaner gegenüber der"New York Times". Es fehle nur noch, dass er auch militärische Ziele in Afghanistan auswähle, murrte ein anderer.
Auch das"Wall Street Journal" nahm Anstoß daran, dass ein nicht gewählter Beamter überdurchschnittlichen Einfluss auf die nationale Politik ausübt. Die Unabhängigkeit der Notenbank sei in Gefahr. Die Zeitung forderte Greenspan auf:"Lassen Sie die Politiker ihren Job machen, und machen Sie den Ihren".
Bei aller Kritik wird Greenspan weiterhin respektiert. Nicht umsonst sollte er den Vorstand der Kommission für die Rettung der Flugzeugindustrie übernehmen. Doch er ist nicht mehr unangreifbar.
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