- Sechs Irrtümer des dottore (korrigierte Version) - R.Deutsch, 20.10.2001, 11:08
- @R.Deutsch und alle Interessierten: Bin schon wieder im Urlaub aufgeschreckt!.. - Galiani, 20.10.2001, 17:58
- Re: @R.Deutsch und alle Interessierten: Bin schon wieder im Urlaub aufgeschreckt!.. - dottore, 21.10.2001, 10:15
- @R.Deutsch und alle Interessierten: Bin schon wieder im Urlaub aufgeschreckt!.. - Galiani, 20.10.2001, 17:58
Re: @R.Deutsch und alle Interessierten: Bin schon wieder im Urlaub aufgeschreckt!..
Hi Galiani,
ein Interessierter bin ich durchaus auch.
>Falls ich das nicht schon getan habe, verwahre ich mich natürlich auch meinerseits gegen den Vorwurf, Kapital mit Vermögen verwechselt zu haben.
>(Übrigens a propos"Hypostase": Wenn ich als Begründung für den mir (zu Unrecht) gemachten Vorwurf lese, es gebe"keine Position 'Kapital' auf irgendeiner Aktivseite..." u.s.w., so scheint mir doch eher da eine Verwechslung vorzuliegen, nämlich zwischen Realität und Buchhaltung). Ich schliesse mich jedenfalls der Sicht von R. Deutsch an: Kapital ist die Rückseite des Vermögens....
Mit einer"Rückseite" ist in der ökonomischen Realität nicht anzufangen. Die ökonomische Realität besteht ausschließlich aus der Frage: Wird bezahlt oder nicht. Dabei geht es ausschließlich um Forderungen und Verpflichtung, beides in Terminen festgehalten, zu denen es passiert oder nicht (Kontrakt erfüllt oder er wird vollstreckt).
Vermögen ist nur zu bewerten (Bilanz: auszupreisen), wenn das Vermögen vorher - oder gleiche oder ähnliche (siehe Auspreisung von Gund & Boden, von Aktien, von Patenten und anderen Rechten) - einen Preisbildungsprozess absolviert hat. Entweder Kauf (z.B. Aktien) oder aktivierte Kosten (siehe Rechte, falls sie aktiviert werden, etwa als betriebliche Aufwendungen wie bei Patenten).
Preise können nur mit Hilfe von Geld vorstellbar sein. Geld wiederum ist heute nur vorstellbar, nachdem Schuldtitel in einer ZB erschienen sind. (Bei Warengeld ist es die sog."Parität", also so und so viel g Edelmetall = 10 Mark,. 20 Mark usw., was wir heute weglassen können, wurde ohnehin bereits in extensis geklärt).
Das Kapital ist als Gegenbuchung (und bei auszupreisenden Sachen und Rechten immer erst feststellbar, nachdem Preisbildungsprozesse erfolgt sind) zu Vermögen nur der Ausdruck dafür, wem das Vermögen zusteht (AG = den Aktionären usw.). Wird eine AG aufgelöst, haben die Aktionäre als"Kapitalisten" über ihren Kapitaltitel Zugriff auf das Vermögen.
Nehmen wir eine Bilanz von Hoff-Roche aus den 80er Jahren:
Vermögen (Aktiv) damals:
Grundstücke: 1 Franken, Maschinen: 1 Franken, Patente: 1 Franken. Laufende Forderungen. Kasse (einziger Vermögensposten, der mit mehr als 1 Fr. in der Bilanz erschien).
Passivseite: Kapital: 1 Fr. (da bereits zurückgezahlt). Rücklagen. Laufende Verbindlichkeiten. Gewinn.
Natürlich hatte Hoff-Roche mehr"Vermögen" als die 3 Fr., die in der Bilanz erschienen sind.
Hätte z.B. der Staat damals Hoff-Roche gekauft, hätte er vermutlich 3 Mrd. Fr. bezahlen müssen. Dieses Geld hatte er nicht in der Kasse (sonst wäre es ohnehin eine Forderung gg. die SNB gewesen, der Kauf wäre also die Zession dieser Forderung an die Hoff-Roche-Aktionäre gewesen). So hätte sich der Stat die 3 Mrd. Fr. über die Ausgabe einer Eidgenössischen Anleihe beschaffen müssen. Die Anleihe wäre als SNB-fähig letztlich bei der SNB gelandet, die aus den 3 Mrd. Eidgenossen 3 Mrd. ZB-Geld geschaffen hätte (ansonsten über gleich hohe Steuererhöhung usw., die man hätte zwischenfinanzieren müssen, schon die Steuerzahler selbst, denn sie hatten das Geld in Form von bei ihnen vorhandener Nachfrage nicht, um die Steuererhöhung zu bezahlen*)).
Die Bewertung selbst ist also niemals die Realisierung der Bewertung. Deshalb haben wir Börsen, die nicht das Kapital, sondern immer das Vermögen einer Unternehmung bewerten (man denke an die berühmte"value theory" - der value bezieht sich nicht auf die Passiv-, sondern auf die Aktivseite einer Firma also auf das, was sie Firma"vermag").
>
>Und auch mit dem Begriff der"Urschuld" habe ich, wie mehrfach bemerkt, meine Probleme.
Urschuld = auf den Lebensstartzeitpunkt eines Menschen zu errechnende (abgezinste) Summe aller Lebenshaltungskosten (incl. Mieten usw.) dieses Menschen, die für die erwartete Lebenszeit dieses Menschen entstehen.
Oder als"Kapital" ausgedrückt: Urschuld = Ein zum Zeitpunkt des Erscheinens eines neuen Menschen vorhandenes Kapital (in Form einer Forderung), dessen Zinsen so hoch sind, dass sie den Menschen bis zu seinem Tode (bei dem das Kapital dann auf Null gestellt wäre) am Leben erhalten.
Da dies für alle Menschen nicht möglich ist (gegen wen sollte sich die Forderung, die alle haben, richten, wenn alle eine solche Forderung haben?), muss eben mit Hilfe des Vermögens dieses einen oder anderer Menschen (Eltern) so gewirtschaftet (= am Markt ausgepreiste Güter und Leistungen beschafft) werden, dass überlebt werden kann. Dies geschieht in Familien durch generationenverschobenes Arbeiten, in Stämmen ähnlich, in"arbeitsteiligen" Gesellschaften durch Arbeitskonktrakte, die ihrerseits Arbeit gegen Geld entlohnen und Fälligkeiten haben.
Eigentlich sehr simpel und unproblematisch.
>Soldaten allerdings haben, lieber Reinhard Deutsch, sehr häufig in der Geschichte für blosse Versprechungen arbeiten müssen (und manchmal sogar für"Gotteslohn". Allerdings stellten sie das meist erst hinterher fest!)
Es ist nicht von Soldaten die Rede, auf die der Staat qua Gewaltmonopol direkt Zugriff hat (Truppenaushebungen innerhalb der Bevölkerung), sondern von Söldnern, also Soldaten, die nur gegen Geld arbeiten und zwar in einer Höhe, dass sie von dem Geld nach ihrer Söldnertätigkeit leben können (gespart wurde in solchen Fällen üblicherweise gegen Edelmetall), siehe die Schweizer Truppen usw.
>Ein nettes Beispiel dafür in jenem Anhang in meinem Galiani-Buch, in dem ich über das amerikanische Kolonialgeld spreche; - habe das Buch für eine genaue Quellenangabe hier nicht zur Hand.)
Mit keinem US-Kolonialgeld wurden jemals fremde Truppen bezahlt.
>
>Das Beispiel von R.Deutsch mit der Ernte von 2 Sack Weizen nach Aussaat von einem Sack Saatweizen wiederum ist schliesslich wesentlich glücklicher gewählt und unkomplizierter als die Sache mit dem 4. Fisch....
Der 2. Sack Weizen ist ohne Zweifel vorhanden. Aber er kann entweder in Form von Getreide an die Eigentümer (des Landes) ausgeschüttet werden oder er kann in andere Waren getauscht werden. Der 2. Sack macht nur Sinn bei entsprechender Bevölkerungsvermehrung (und deren Urschulddeckung), weshalb auch große Fortschritte in der Nahrungsmttelprodutkion zu Bevölkerungsvermehrung führen (siehe Irland: Nach Einführung der Kartoffel Verfünffachung der Bevölkerung, bis zu den Hungerkrisen durch Kartoffelpilz im 19. Jh., siehe die Bevölkerungsexplosion nach Dreifelderwirtschaft in Eurpa, oder nach Maisanbau in Lateinamerika).
Wird der 2. Sack vermarktet (also nicht getauscht, was pro Kopf nur Vermehrungspotenzial schafft), muss er gegen Geld vermarktet werden, das immer verzinslich ist und ergo als Zinstitel einen ständigen Zwang zum Mehrprodukt enthält.
Bei gleich bleibender Bevölkerung, bei optimaler Lagerhaltung für diese (Vorräte) ist der zweite Sack ohne jegliche Bedeutung. Die Anbaufläche würde sofort vermindert! Denn wozu sich die Arbeit mit Ernten, Dreschen, Mahlen usw. machen, wenn weder die Feldeigentümer noch andere ein Interesse am zweiten Sack hätten, da sie mit dem vorhandenen Getreide (plus Risikomarge für Missernten) auskommen?
>(Aber Schluuuuusss jetzt damit! Ich bin, - Ricardo hat es geahnt, - offenbar wirklich zu sehr von meiner"Mission" beseelt. Im Grunde aber will ich nur mein verlängertes Wochenende geniessen; bittttteeee! Morgen regnet es sowieso!)
>Grüsse an alle und ein schönes Wochenende.
Für Missionare ist ein Regentag sehr gut (sorry): er lädt zum Nachdenken ein (ich kenne das bestens).
Herzlichen Gruß
d.
*) Sehr schön bei der MWSt. zu sehen. Wird sie erhöht, erhöhen sich die Angebotspreise, aber die Nachfrage, um diese Preise am Markt zu realisieren, kann nur durch zusätzliche Verschuldung der Nachfrager in die Welt kommen, weshalb solche Steuererhöhung immer einen gesamtwirtschaftlich tendenziell kontraktiven Effekt haben.
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