- Bayer wird Cipro an USA und Kanada billiger verkaufen - Sascha, 25.10.2001, 06:15
- Re: Bayer wird Cipro an USA und Kanada billiger verkaufen - Euklid, 25.10.2001, 07:51
- Cipro gegen Massenpanik in USA, gilt mehr als das Massensterben in Afrika!!! - JLenz, 25.10.2001, 10:17
Cipro gegen Massenpanik in USA, gilt mehr als das Massensterben in Afrika!!!
Der Artikel stand am 19.10.2001 in Spiegel-Online, hierzu der Link weiter unten.
Falls der Artikel dort wieder verschwindet, anbei der Org. Text.
MfG JLenz
Der Markt-Forscher: Cipro, wem Cipro gebührt
Wenn Aids in armen Ländern grassiert, pocht die westliche Welt auf
den Patentschutz. Wenn aber in Amerika die Milzbrand-Hysterie
regiert, ist es damit schnell vorbei.
Von Carsten Matthäus
Charles Schumer, Senator von New York, hat fast jeden Tag einen neuen
Vorschlag, wie seine Stadt der Asche entsteigen könnte. Mal
befürwortet er eine neue Version des Eifelturms an Stelle des World
Trade Centers, mal will er das Football-Ereignis Super-Bowl von New
Jersey in die Stadt holen. Er gebraucht dann so schöne Worte wie
"Symbol des Triumphes über den Terrorismus".
Jetzt hat Schumer wieder einen symbolträchtigen Vorschlag gemacht.
Wenn die Amerikaner Milzbrand-Medikamente wollen, dann kriegen sie
sie auch. Dazu müsse man gar nicht warten, bis Bayer die
Pillenschleuder richtig angeworfen hat. Es genüge eine Lockerung des
Patentschutzes für das Medikament Ciprobay. Im Nachbarland Kanada
fackelte man gar nicht lang und ließ das Patent für das heißbegehrte
Medikament einfach fallen.
Damit können nun nachgemachte Medikamente - so genannte Generika -
mit dem Wirkstoff Ciprofloxacin nach Kanada und vielleicht auch bald
in die USA importiert werden. Rund 80 Firmen stellen dieses
Antibiotikum her und bieten es zu einem Bruchteil der Kosten an. Nach
Angaben der"New York Times" kostet eine Ciprobay-Therapie im Monat
rund 350 Dollar, die Behandlung mit einem Ersatz-Medikament aus
Indien dagegen nur zehn Dollar.
Problem gelöst? Nicht wirklich. Die importierten Billigpillen sind
ein Symbol des Triumphes von reich über arm, wie sie bitterer nicht
sein könnten. Denn der Wirkstoff Ciprofloxacin, den die
Nordamerikaner nun tonnenweise bunkern, wird auch für die Behandlung
von Aids-Patienten gebraucht. Mit dem Antibiotikum werden hier
Infektionen des Nervensystems kuriert, die sonst tödlich verlaufen.
In mehreren afrikanischen Ländern wie Kenia oder Südafrika steht das
Bayer-Medikament Ciprobay jedoch unter Patentschutz. Die dringend
benötigte Billigkonkurrenz wird auch hier außer Landes gehalten, und
die Regierungen können sich nicht dagegen wehren. Unnötig zu sagen,
dass es hier um ganz andere Größenordnungen geht: Jährlich sterben
mehr als zwei Millionen Afrikaner an Aids.
Auf afrikanischem Boden aber setzen sich die Pharmakonzerne ihren
Patentschutz mit Unterstützung der westlichen Welt gegen Regierungen
durch, deren Bevölkerung zu rund 20 Prozent mit Aids infiziert ist.
Als Südafrika auf eigene Faust den Import indischer Generika zulassen
wollte, wurde sie von 39 Pharmaunternehmen verklagt - Prozessausgang
ungewiss. Einziges Trostpflaster: Die Pharmakonzerne gaben ihre
patentierten Medikamente an einige der Sterbenden kostenlos ab.
Der Patentschutz, der Aids-Mediziner in Afrika zur Verzweiflung
treibt, ist in Kanada und den USA ganz leicht auszuhebeln. Dazu muss
noch nicht einmal ein Gericht bemüht werden. Die Regierung nimmt sich
einfach das Recht heraus, im Bedarfsfall billigere Arzneimittel
einzuführen. Ähnlich der Landerschließung für Autobahnen oder
Militärbasen können Betroffene dies nicht verhindern, sondern nur im
nachhinein auf Entschädigung klagen.
So geschehen bei dem Beruhigungsmittel Miltown, das die US-Armee in
den sechziger Jahren haben wollte. Nur weil das Medikament des
Patentinhabers Carter-Wallace zu teuer war, wurde es aus Dänemark zu
einem Bruchteil der Kosten eingeführt, und Carter-Wallace bekam
später eine kleine Entschädigung zugesprochen.
Nach den heutigen internationalen Patentbestimmungen müsste eine
Regierung eigentlich einen nationalen Gesundheitsnotstand ausrufen,
um einen Großeinkauf von Ciprobay-Ersatz zu rechtfertigen. Wie man an
Kanada sieht, ist das schnell geschehen.
Wer aber wird dann der Menschheit erklären, warum eine Massenpanik in
Nordamerika mehr gilt als das Massensterben in Afrika? Und für
westlichen Industrienationen gibt es noch einen anderen Grund, von
solch symbolträchtigen Aktionen die Finger zu lassen: Der Schutz
intellektuellen Eigentums ist der Lebensnerv hochentwickelter
Gesellschaften.
Wer seine Forschung und Entwicklung nicht für eine gewisse Zeit über
hohe Preise zurückholen kann, verliert die Kraft, immer Neues zu
versuchen. Ein gutes Beispiel dafür ist Indien, von wo aus die
rettenden Cipro-Pillen für die USA kommen sollen. Weil es hier nur
unzureichenden Patentschutz gibt, haben sich Pharmaunternehmen aufs
Nachmachen verlegt.
Senator Schumer und der kanadische Regierung sollte es bei ihrem
leichtsinnigen Umgang mit dem Patentschutz nicht allein darum gehen,
was gut für Amerikaner ist. Das ist nicht fair, das ist nur billig.
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