- Ach, wer hätte das gedacht jap. Zinsen in USA! - McMike, 08.11.2001, 00:03
- Re: Ach, wer hätte das gedacht jap. Zinsen in USA! - Lemmy, 08.11.2001, 22:06
Ach, wer hätte das gedacht jap. Zinsen in USA!
Auf der ganzen Welt bald"japanische Zinsen"?
ZÜRICH, 7. November. Wer am 1. Januar an den Finanzmärkten vorauszusagen gewagt hätte, daß elf Monate später das Geld in Amerika von 6 auf 2 Prozent verbilligt werden und daß die amerikanischen Staatsanleihen mit dreißig Jahren Laufzeit nur noch ganze 4,85 Prozent Rendite bringen würden, der wäre wohl nicht ernst genommen worden. Erst recht hätte sich wohl niemand vorstellen können, daß Amerika das Angebot an neuen Dreißigjährigen mal völlig einstellen würde, nur um im Augenblick Zinsen zu sparen. Nun ist die Bescherung perfekt. Da die Inflation in Amerika immer noch bei etwa 2,5 Prozent im Jahresvergleich liegt, schenkt die amerikanische Zentralbank den Geschäftsbanken ihr gedrucktes Geld"netto" schon zinslos. Damit haben wir jetzt im Dollar-Raum japanische Zustände: Dort versucht die Zentralbank ja schon seit langem, jede Menge Geld nahezu zinslos zu verleihen. Aber die Banken beißen nicht an. Sie haben Angst, daß Schuldner Kredite nicht mehr zurückzahlen könnten. So weit haben es die Europäer noch nicht gebracht.
Aber in Argentinien sehr wohl. Das große Land in Südamerika steht am Rande der Pleite, und die Angst geht um, daß sich die Krise schnell in ganz Südamerika ausweiten könnte. Schon gibt es Gerüchte, daß auch gewisse Mittelmeer-Bankadressen ins Wanken kommen könnten, wenn Argentinien nicht mehr zahlt. Die Geschäftsverbindungen nach drüben sind sehr eng, und die meisten Gläubigeradressen rechnen in Euro. Der Internationale Währungsfonds - so will man in Zürich wissen - sei sich in den letzten Tagen des Ernstes der Lage doch noch bewußt geworden. Wahrscheinlich sei ein Angebot an die ausländischen Anleihegläubiger, die staatlichen Devisenverbindlichkeiten aufrechtzuerhalten, aber die Zinskupons vielleicht einheitlich auf 7 Prozent zu stutzen. Der Währungsfonds könnte dabei hilfreich sein. Seit Wochenbeginn sind Käufe in Argentinien-Anleihen zu beobachten. Die Kurse haben sich von den Tiefstständen der Vorwoche gelöst. Wohlgemerkt: Das sind vorläufig noch alles Spekulationen. Aber man muß sie vor dem ernsten Hintergrund sehen, daß die amerikanische Notenbank sich jetzt zu einer so rigorosen Zinsverbilligung durchgerungen hat. Es geht ihr vorsorglich wohl darum, jetzt keine Schwachstelle an irgendeinem Punkt der Welt entstehen zu lassen.
Auch wenn die EZB den Amerikanern mit einer Zinsreduktion von einem vollen Prozent folgen würde: Das Geld der Welt liefe kaum dem Euro zu. Die Wirtschaftslage in der Euro-Zone würde geschönt werden, heißt es am Markt. Selbst der Internationale Währungsfonds habe die neuesten Prognosen über ein noch bescheidenes Wachstum in Europa von gut 1 Prozent bereits in Frage gestellt.
Zum Emissionsstopp für staatliche Langläufer in Amerika ist zu hören, daß das amerikanische Schatzamt damit auch die Absicht verbinden würde, den amerikanischen Hypothekenbanken und privaten Schuldnern behilflich zu sein. Je stärker die Renditen für amerikanische Staatsanleihen sinken, desto billiger könnten die Banken jetzt Privatkredite verleihen, was zur Stützung der Konjunktur hilfreich wäre. Schließlich muß alles, was sich derzeit an den Dollar-Zinsmärkten abspielt, im Zusammenhang mit den gewaltigen Kosten gesehen werden, welche der Afghanistan-Krieg noch verursachen dürfte.
In Europa stehen öffentliche Adressen in den Startlöchern - oder besser in der Schlange bei den Emissionshäusern. Alle wollen den Kapitalmarkt so schnell und so ergiebig wie möglich anzapfen. Die mit einem AAA-Rating ausgestattete Europäische Investitionsbank (EIB) will schon in der nächsten Woche eine neue Euro-Anleihe mit einer Laufzeit von 5 Jahren über 5 Milliarden an den Markt bringen. Eine so sichere Adresse wird es nicht schwer haben, institutionelle Großkundschaft zu finden, auch wenn der Kupon mäßig ausfallen sollte. Die France Télécom, die freilich nur ein Rating von Baa1/BBB besitzt, will einen Euro-Floater mit 18 Monaten Laufzeit an den Markt bringen und darüber hinaus auch noch eine Euro-Anleihe mit 4 Jahren Laufzeit und mit einem Festkupon, der deutlich über jenem der EIB-Anleihe liegen dürfte.
Angekündigt ist auch schon eine Anleihe der Deutschen Bahn, die ein AA-Rating bekommen dürfte. Die Deutschen wollen sogar diese Emission mit einer Laufzeit von 12 Jahren ausstatten. Im Hintergrund lauert auch die französische Sozialversicherung, die Geld für die steigende Arbeitslosenzahl sucht."Wie lange wird es dauern", so fragt man sich am Emissionsmarkt,"bis auch Deutschland, vielleicht über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder über andere Zwischenadressen, versuchen wird, den schnell wachsenden Verpflichtungen aus der Arbeitslosenversicherung über den internationalen Kapitalmarkt nachzukommen?" Wenn die Märkte mit der Flut von Neuemissionen fertig werden sollen, würde es wohl weiterer Schützenhilfe der EZB bedürfen. Eines nicht so fernen Tages könnte es dann vielleicht auch bei uns"japanähnliche" Konditionen für kurzfristiges Geld geben.
gruss mcmike
<center>
<HR>
</center>

gesamter Thread: