- WTO: GATS,"Das allgemeine Abkommen über Handel mit Dienstleistungen" (HAMMER) - marsch, 08.11.2001, 22:10
- Wirklich heftig. Wundert mich aber nicht (mehr). - Standing Bear, 08.11.2001, 22:59
- Re: Anti-GATS - warum erst jetzt? Ein GATL fehlt - das ist das Problem! - dottore, 09.11.2001, 14:00
Re: Anti-GATS - warum erst jetzt? Ein GATL fehlt - das ist das Problem!
Hi,
schönen Dank fürs Reinstellen dieses flammenden Aufrufs, der allerdings etwas spät daher kommt. Denn:
>Was kann getan werden?
>Wenn GATS besiegt werden will, ist wirklich keine Zeit zu verlieren.
GATS gibts seit dem Ende der Uruguay-Runde und das ist nun schon acht Jahre her.
>Die Welt muss aufwachen - und zwar schnell -
Vielleicht sollte sie sich auch gründlicher informieren.
GATS ist ein"bottom-up"-Modell, d.h. wenn ein Land sich anschließen will, kann es sich anschließen, wenn nicht, kann es dennoch die Möglichkeiten, die GATS bietet, in anderen Ländern in Anspruch nehmen (Bolivien kann also ein Wasserwerk in den USA kaufen, auch wenn dies zugegebenermaßen schwieriger ist als umgekehrt).
Nur: Wer einmal drin ist, ist drin und muss sich den Spielregeln unterwerfen, wie es bei internationalen Verträgen üblich ist.
Das Grundübel beim GATS, das ca. zwei Drittel des Welt-BIPs abdeckt, das aus Dienstleistungen kommt, liegt schlicht gesagt darin,
dass es nicht den freien Transfer von Arbeitskräften selbst enthält!
Die Industrienationen tun sich zwar groß darin, die Barrieren gegen den freien Handel (GATT) und den freien Fluss von Dienstleistungen (GATS) abzubauen, aber sie halten ihre Grenzen dicht gegen den freien Zugang von Arbeitskräften.
Was fehlt, ist also ein GATL (L für Labour).
Zolltechnisch gesehen ist die"Einfuhr" von Arbeitskräften ebenso verboten wie die Einfuhr von Drogen - ein klassisches Prohibitivsystem. Wenn also jemand nach Europa kommen wollte, um dort für 10 DM pro Stunde zu arbeiten (oder gar weniger), wird er nicht mit einem"Zoll" bestraft (etwa in Höhe der Differenz zwischen seiner Lohnforderung und den"tariflich vereinbarten" Löhnen), sondern er wird gleich per se nicht ins Land gelassen bzw. sofort wieder abgeschoben.
Darin liegt das Problem.
Ich verstehe nicht, warum das Problem nicht dort angepackt ist, wo es liegt. Nun ist das Kind im Brunnen und das Geschrei groß.
Die Hochlohn- und (ergo auch) Hochproduktivitätsländer können jetzt in aller Ruhe die Dritte Welt rasieren, zumal diese das auch noch mit sich geschehen lässt.
Ansonsten gehts beim GATS um drei harmlose und einen heißen Bereich.
Harmlos: Grenzüberschreitender Service bei Telefon und Internet. Dito beim Tourismus. Und die Bereiche, in den Dritt-Welt-Service-Anbieter ohnehin mit Kusshand genommen werden, von Krankenschwestern bis zu den deutschen IT-Indern, die mit Greencard einreisen dürfen.
Heiß ist der Bankensektor und vor allem die sog."public services", wie das besagte bolivianische Wasserwerk. Denn dabei geht's nicht nur um Dienstleistungen, sondern auch um Investitionen selbst (Grenze fließend).
So wie die Dinge liegen, wird folgendes passieren: Die Industriestaaten können sich (dank Finanzkapitalbildung und dank Kreditmöglichkeiten zu Hause) immer mehr in der Dritten Welt breit machen.
Die kann selbst nichts tun, da ihr Lohnniveau nicht ausreicht, um zu nennenswerter Finanzkapitalbildung zu kommen, d.h. sich selbst kapitalintensive Investitionen aufzubauen (also profitable nationale Telefongesellschaften, Wasserwerke, die ihnen gehören, moderne Krankenhäuser, usw.).
Sie müssen das benötigte Kapital importieren, was ihren - durch laufend passive Handelsbilanzen (oder woher haben die Industrienationen ihre sensationellen"Exporterfolge"?) - ohnehin existierenden Minus- und Verschuldungsstatus noch mehr verschlechert.
So wird es also nie und nimmer funktionieren. Und wenn dann mal ein"Schuldenerlass" durchgezogen wird, ist dies auch kein wirklicher Erlass, sondern die Schulden der Drittweltstaaten werden zu Staatsschulden der Industrienationen (reine Umbuchung).
Auch dort setzt niemand den Hebel an, weil sich jeder an ständig steigende Staatsverschuldungen selbst der reichsten Nationen längst gewöhnt hat und niemand sehen will, dass die Staatsverschuldung letztlich auf nichts anderes hinausläuft als - in diesem Falle - Exportsubventionen - siehe den ganzen Komplex der"Hermesbürgschaften", u. v. a. m.
Und wenn ich das folgende lese:
"Wir müssen gemeinsam Fronten in jedem Land aufbauen, in denen Menschen aus allen Hauptbereichen repräsentiert sind - Erzieher und Lehrer, Arbeiter im Gesundheitswesen und Anwälte, Gewerkschaften aus dem Bereich des öffentlichen Sektors, Umweltschützer, Landwirte, Schriftsteller und Künstler, einheimische Menschen und andere. Wir brauchen Solidarität, Zusammenarbeit und Geschwindigkeit. Wir brauchen GATS-freie Zonen an den Universitäten, Hochschulgeländen, Kirchen und lokalen Gemeindezentren. Wir müssen zu unseren lokalen Regierungen gehen und lokale Resolutionen gegen GATS vorlegen. Wir müssen Briefe an unsere Regierungen und lokalen Zeitungen und alternativen Medienveröffentlichungen schreiben. Einfach gesagt: Wir müssen GATS zu einem Wort machen, das in jedem Haushalt bekannt ist, und zwar nicht als ein schönes. (...)
... dann muss ich schon sagen: Hübsch formuliert, aber von Leuten, die offenbar den Schuss nicht gehört haben und denen vieles in der täglichen Realität von Politik und Wirtschaft fremd ist.
Gruß
d.
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