- Arbeitswelt-Trends: MobilitÀt der Lohnarbeit - Wal Buchenberg, 12.11.2001, 14:23
- Re: Arbeitswelt-Trends: MobilitÀt der Lohnarbeit - dottore, 12.11.2001, 16:15
- Re: Arbeitswelt-Trends: MobilitÀt der Lohnarbeit - Wal Buchenberg, 12.11.2001, 16:42
- Re: Arbeitswelt-Trends: MobilitÀt der Lohnarbeit - dottore, 12.11.2001, 16:15
Re: Arbeitswelt-Trends: MobilitÀt der Lohnarbeit
Hi Wal,
es wĂ€re schön, wenn Du nicht nur Beobachtungen oder Statistiken reinstellen wĂŒrdest, sondern konkret sagen könntest, was dies Deiner Meinung nach bedeutet oder beweist.
Also ein paar Anmerkungen (die vermutlich wieder unbeantwortet bleiben werden, wie meine letzten zu Deinem Monster-Posting, was letztlich so wenig Sinn macht wie MEW komplett hier reinzustellen):
>Fluktuation & MobilitÀt der Lohnarbeit
>1. Mit den technischen Bedingungen der Produktion und mit der Fluktuation des Kapitals
"Technische Bedingungen" als solche sind ein Nullwort. In Betrieben eingesetzte Technik ist jeweils konkret auf die betrieblichen Zwecke bezogen, die ihrerseits selbstverstÀndlich darauf hinauslaufen, Profite zu machen. Was denn sonst?
>auf der Suche nach profitableren Anlagen wird auch die Lohnarbeit zwischen TÀtigkeiten, Unternehmen und Branchen stÀndig umgewÀlzt.
Das ist der Sinn der Veranstaltung: profitablere Anlagen zu suchen bzw. die bekannten"Faktoren" immer neu zu kombinieren (Risiko!), um Proite zu erzielen.
Das gilt nicht nur fĂŒr den Faktor Kapital, sondern selbstverstĂ€ndlich auch fĂŒr den Faktor Arbeit. Ich hatte in meiner aktiven Berufszeit das VergnĂŒgen, mindestens zehn Mal entweder meinen Arbeitsplatz zu wechseln bzw. mich selbstĂ€ndig zu machen, also auch Kapitalist zu werden, und so ist es mir am Ende besser ergangen als zu Beginn meines Arbeitslebens (da war ich Beamter und hĂ€tte, wenn ich dieser Laufbahn gefolgt wĂ€re, am Ende nur einen Bruchteil dessen verdient, was ich schlieĂlich verdient habe; das"Kapital", mit dem ich begonnen hatte, lag ĂŒbrigens bei Null).
>Die Fluktuation des Kapitals zwischen Unternehmen und Branchen ist u.a. ablesbar in den Löschungen und Neueintragungen des Handelsregisters. Die durchschnittliche âLebenszeitâ der Unternehmen wird immer kĂŒrzer.
Das geht komplett an der Wirklichkeit vorbei!
Viele Startups beginnen mit so gut wie keinem Kapital (GmbH-GrĂŒndungen zu 50 Mille sind nicht gerade die Ausgeburt der Hölle), es gibt jede Menge"ExistenzgrĂŒnderdarlehen" oder"-beihilfen", und auĂerdem solltest Du mal in einer Bank zuhören, wenn ein junger UnternehmensgrĂŒnder um 10 Mille Kredit (ohne Sicherheit) bettelt.
>âInsgesamt wurden 1999 in den Gewerbe- und Handelsregistern 722.000 Betriebe eingetragen (Vorjahr: 715.000).
>Auf der anderen Seite stehen 591.000 Löschungen, so dass sich ein Saldo von 131.000 Eintragungen ergibt. (Vorjahr: 129.200), von denen aber 35.000 nicht wirtschaftsaktive GrĂŒndungen abzuziehen sind." LitDokAB 2000, a-518.
Also werden es mehr Betriebe. Und das Kapital der meisten Ausscheidenden ist durch Fehlinvetitionen oder Konkurs schlicht verschwunden.
Es gibt kein Gesetz der Erhaltung des Kapitals analog der Erhaltung der Energie in der Physik.
>1.1 Interne MobilitĂ€t innerhalb der Unternehmen:,,35 % aller (frĂŒheren) ErwerbstĂ€tigen steigen im Laufe ihres Berufslebens auf, MĂ€nner mit 45 % erheblich öfter als Frauen (25 %). 14 % mĂŒssen einen Abstieg in Kauf nehmen. 29 % bleiben gleich, und 22 % wechseln in einen anderen sozialversicherungsrechtlichen Status." (Daten fĂŒr Ă-sterreich) LitDokAB 2000, b-822.
Ich hĂ€tte gern gewusst, ob die"Absteiger" sich finanziell oder nur statusmĂ€Ăig verschlechtert haben. Sicher verrĂ€t die Quelle dazu mehr als hier gepostet. Ich weiĂ nur, dass ein arbeitsloser Tarif-Journalist (Vollredakteur) heute mehr vom Staat erhĂ€lt, als ich vor ca. 30 Jahren als Chefredakteur verdient hatte.
>1.2 Externe MobilitÀt zwischen den Unternehmen und Branchen:
>âKein Unternehmen der Welt kann seinen BeschĂ€ftigten heute noch einen lebenslangen Arbeitsplatz garantieren." LitDokAB 2000, a-181.
Richtig. Aber warum sollte es den lebenslangen Arbeitsplatz"garantieren"?
Wir könnten das doch gern einfĂŒhren. Gesetzlich, tarifvertraglich, sonstwie. Dann wĂŒrden die Unternehmen Folgendes machen: Sie bilanzieren die Lohnkosten fĂŒr die garantierten ArbeitsplĂ€tze nach versicherungsmathematischen GrundsĂ€tzen passiv und zwar als RĂŒckstellungen, genau wie RĂŒckstellungen fĂŒr Pensionsverpflcihtungen auch.
Der Staat wĂŒrde dann mindestens 30 Jahre lang keinerlei ertrags- oder gewinnabhĂ€ngige Steuern mehr kassieren können (Ărzte, AnwĂ€lte usw. natĂŒrlich inklusive, Handwerker sowieso). Die EinfĂŒhrung einer Arbeitsplatz-Garantie wĂ€re die gröĂte Steueroase, die sich jemals aufgetan hĂ€tte. Und da jeder Arbeiter sich selbst dann unschwer in eine GmbH verwandeln kann (Gesellschaftskapital muss nicht gleich eingezahlt werden), stellt er auch noch seine Ehefrau und die pensionierten Eltern usw. auch bei sich an (Gesellschaft zur Erhaltung der Arbeitskraft des Dachdecker-Gesellen Fritz MĂŒller GmbH).
Und dann fallen auch noch sÀmtliche Lohnsteuern weg. Interessante Idee!
>âDie Personalpolitik der Betriebe wandelt sich. Die externe MobilitĂ€t gewinnt zu Lasten der betriebsinternen FlexibilitĂ€t an Gewicht. Der Personalumschlag ist beachtlich. Die Einstellungen und Entlassungen sind selbst bei miserabler BeschĂ€ftigungslage enorm.
Also: Erstens gibt's die bekannten betriebsinternen Ausschreibungen. Wer dennoch wechselt, hat offenbar was Besseres vor. Zweitens muss bei betriebsbedingten KĂŒndigungen der Betriebsrat zustimmen.
>Personalzu- und -abgĂ€nge gehen einher mit Selektionsprozessen, VerjĂŒngung der Belegschaft und teils geringerer Entlohnung in den Einstiegstarifen.
Zu letzterem hÀtte ich gern konkrete Beispiele. Das Problem der Leichtlohngruppen ist bekannt. Von der geringeren Besteuerung (Steuerreform = Nettolohnerhöhung) ganz zu schweigen.
>Zugleich sind personalpolitische Strategien zu erkennen, die zu einer Ausweitung der peripheren Belegschaften fĂŒhren.â LitDokAB 1998/99 b-559.
>1.3.1 Regionale MobilitÀt der Lohnarbeit in einem Land (Pendeln oder Umzug) nimmt zu:
>âFĂŒr Niedersachsen wurden VerĂ€nderungen beim Berufspendeln zwischen 1987 und 1998 untersucht. Hierbei zeigte sich, dass die durchschnittliche Pendeldistanz um 10 % auf 10,7 km angestiegen ist." LitDokAB 2000, b-441.
Davon entfallen ca. 90 % (der 10 Prozent) auf die GroĂrĂ€ume Hamburg und Bremen. Und warum zieht der Pendler wohl so gern ins GrĂŒne? Weil's da schöner ist und weil es sich rechnet (GrundstĂŒckspreise, Mieten, Kilometergeld). Die Leute werden nicht aus den BallungsrĂ€umen vertrieben - wo lĂ€ge da der kapitalistische Sinn?
>âEs wird gezeigt, dass im Zeitraum 1980 bis 1995 die regionale MobilitĂ€t auf allen untersuchten Regionalebenen sowohl bei MĂ€nnern als auch bei Frauen gestiegen ist. Die höchste regionale MobilitĂ€t weisen Personen mit Fachhochschul- und Hochschulabschluss auf. In der Kategorie"Alter" sind die 25- bis 34-jĂ€hrigen die mobilsten....
Klartext: Wer gut ist, verdient besser, wer jung ist, gilt als leistungsfÀhiger.
Was ist daran so schlecht?
>Das MobilitĂ€tsverhalten zeigt insgesamt eine deutliche KonjunkturabhĂ€ngigkeit: Bei einem konjunkturellen Einbruch geht die regionale MobilitĂ€t unmittelbar zurĂŒck, bei einem Aufschwung nimmt sie -leicht verzögert - wieder zu." LitDokAB 2000, a-545.
Na ja, bei einem Abschwung wird halt weniger schnell mehr verdient bzw. werden sich weniger gute Verdienstmöglichkeiten in der (nÀheren) Zukunft ausgerechnet.
>1.3.2 Zur landesweiten MobilitĂ€t kommt die lĂ€nderĂŒbergreifende MobilitĂ€t in der EU hinzu:
>âDie bisherigen historischen Erfahrungen der EU zeigen, dass die EU- PersonenfreizĂŒgigkeit zu keinen starken Wanderungsbewegungen fĂŒhrte.... Weniger als 2 % der EU-Bevölkerung leben als EU-AuslĂ€nder in einem anderen EU- Land als dem eigenen Heimatland." LitDokAB 2000, a-564.
Wieso kommt MobilitĂ€t "hinzu", wenn sie"zu keinen starken Wanderungsbewegungen" fĂŒhrt? RĂ€tselhaft!
>2. Die technischen und personellen UmwĂ€lzungen machen die Lohnarbeit unsicherer und mobiler. Waren Arbeitslosigkeit und Arbeitswechsel fĂŒr Ă€lterer Lohnarbeiter noch ein Ausnahmeschicksal, so sind sie heute zur Alltagserfahrung der Lohnarbeit geworden. Die Verweildauer der Lohnarbeiter in einem Unternehmen wird kĂŒrzer. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit erreicht nur noch gut 3 Jahre.
Immer fragen, wer (sich) bewegt und weshalb?
>âVon den GeburtsjahrgĂ€nge 1916-1920 wurden zwischen 5 % und 20 % im Laufe ihres Berufslebens mindestens einmal arbeitslos.â LitDokAB 3. ErgĂ€nzg 93 1-276.
Diese Menschen haben ziemlich viel in ihrem Arbeitsleben erlebt: Krieg, WĂ€hrungsreform, 1966er Krise, Krisen der 70er Jahre, usw. Jetzt sind sie mindestens 80/81 Jahre alt. Dass von dieser Generation nur maximal ein FĂŒnftel einmal im Leben arbeitslos gewesen ist, grenzt an ein Wunder.
>â1990 wurden im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt rund 31 % aller sozialversicherungspflichtigen BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnisse erneuert...
>Die durchschnittliche Dauer eines BeschÀftigungsverhÀltnisses sank auf... 3,2 Jahre...
>Die verbreitete These, dass es vor allem die weniger Qualifizierten sind, die von der... Fluktuation betroffen sind, lÀsst sich nicht bestÀtigen. Zwar sind die BeschÀftigungsverhÀltnisse hochqualifizierter Arbeitnehmer deutlich stabiler, doch hat sich im Beobachtungszeitraum die Fluktuation bei hochqualifizierten Berufen ebenso stark erhöht wie bei weniger qualifizierten." LitDokAB Sonderheft 5 (1994) 1-1250.
Was soll uns das sagen? Wer ist nun mehr, wer weniger betroffen?
>1988 hatten knapp 53 % der österreichischen Lohnarbeiter mindestens einmal in ihrem Arbeitsleben den Arbeitgeber gewechselt. LitDokAB-Sonderheft 5 (1994) 1-1220.
>âIn Ă-sterreich stieg die externe MobilitĂ€t von 15 % 1982 auf 22 % (1996)." LitDokAB 2000, b-822.
>âIm Jahr 1995 suchten in Deutschland mehr als 5,3 Millionen Personen eine neue TĂ€tigkeit.â LitDokAB 99/2000-1, a-482.
>,,30 % der befragten Arbeitnehmer geben an, in den letzten fĂŒnf Jahren mindestens einmal vier Wochen oder lĂ€nger arbeitslos gewesen zu sein....Im LĂ€ndervergleich am niedrigsten war das Eintreten der Arbeitslosigkeit wĂ€hrend eines FĂŒnfjahreszeitraums mit Raten von unter 20 % in den Niederlanden, Ă-sterreich und Italien. Am anderen Ende des Spektrums finden sich Griechenland und Spanien: Dort waren in den letzten fĂŒnf Jahren rund 50 % aller Arbeitnehmer mindestens einmal arbeitslos.
Noch mal die Frage nach den GrĂŒnden der Fluktuation. AufzĂ€hlung allein bringt nichts.
>Die Langzeitarbeitslosigkeit hat zugenommen....Mehr als die HĂ€lfte der Personen, die in den letzten fĂŒnf Jahren in der EU von Arbeitslosigkeit betroffen waren, blieb insgesamt ĂŒber ein Jahr arbeitslos, rund ein Drittel zwei Jahre oder lĂ€nger. Fast jeder zweite von Arbeitslosigkeit Betroffene war in den letzten fĂŒnf Jahren mehr als einmal arbeitslos." LitDokAB 2000, a-597.
Ja, traurig genug. Gibt's Hinweise, warum?
>3. Die im Kapitalismus erzwungene MobilitÀt der Lohnarbeit bereitet den stÀndigen Wechsel der Arbeit in einer selbstbestimmten Arbeitswelt ohne Lohnarbeit vor:
"Erzwingt" oder"bereitet vor"? MobilitÀt = Wechsel.
>âWenn die StabilitĂ€t von BeschĂ€ftigung abnimmt und gleichzeitig hohe Anforderungen an die MobilitĂ€t gestellt werden, wenn sich weiterhin die Arbeitsaufgaben hĂ€ufig verĂ€ndern, dann lassen sich aus der Erwerbsarbeit immer weniger identitĂ€tsstiftende Faktoren ableiten.â LitDokAB 99/2000-1, a-342.
IdentitÀt mit was? Firma? Arbeit? Warum muss ein Job"IdentitÀt" stiften?
>âErstens ist die kapitalistische Produktion an und fĂŒr sich gleichgĂŒltig gegen den bestimmten Gebrauchswert, ĂŒberhaupt gegen die Besonderheiten der Ware, die sie produziert. In jeder ProduktionssphĂ€re kommt es ihr nur darauf an, Mehrwert zu produzieren...
Den Gebrauchswert bestimmt der Markt (= Summe aller kaufbereiten Kunden). Was ist das Problem? Im Kapitalismus ist es völlig uninteressant, was konkret produziert wird, es kommt darauf an, was nachgefragt wird.
>Und es liegt ebenso in der Natur der dem Kapital unterworfenen Lohnarbeit, dass sie gleichgĂŒltig ist gegen den spezifischen Charakter ihrer Arbeit, sich nach den BedĂŒrfnissen des Kapitals umwandeln und sich von einer ProduktionssphĂ€re in die andere werfen lassen muss.â K. Marx, Kapital III. MEW 25, 205.
Nicht nach den BedĂŒrfnissen des"Kapitals", sondern des Marktes. Was der Kapitalist"will" oder welche"BedĂŒrfnisse" er hat, spielt nirgends eine Rolle.
GruĂ
d.
<center>
<HR>
</center>

gesamter Thread: