- Kabuls Fall - Lynchmorde an den Taliban - Sascha, 14.11.2001, 13:58
- Sorry aber... - Spirit of JuergenG, 14.11.2001, 14:12
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- Auch wenn man Gewalt nicht begrüssen darf... - Frank1, 14.11.2001, 14:12
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Kabuls Fall - Lynchmorde an den Taliban
KABULS FALL
<font size=5>Lynchmorde an den Taliban</font>
Von Uwe Klußmann, Kabul
Die Taliban sind geflohen. Kabul ist in der Hand der oppositionellen Nordallianz. Doch die Einnahme der afghanischen Hauptstadt verlief alles andere als friedlich: In der Nacht kam es zu blutigen Lynchmorden.
Kabul - Mit Hupkonzerten und Fahrradgeklingel feiert der männliche Teil der Bevölkerung Kabuls den Abzug der Taliban. Frauen, völlig verschleiert, sind nur vereinzelt auf den Straßen zu sehen. Begeistert begrüßen Jugendliche Kämpfer der Nordallianz, die vorbei an verlassenen Ministerien zum Präsidentenpalais im Stadtzentrum fahren.
Die meisten Geschäfte sind noch geschlossen, nur vereinzelt offerieren Marktstände ein mageres Angebot an Granatäpfeln, Kürbissen und Bananen. Die Atmosphäre in der Stadt ist entspannt, den Gesichtern der Menschen ist die Erleichterung darüber anzusehen, dass ihre gemarterte Metropole nicht abermals zum Schlachtfeld wurde.
Taliban fliehen mit Millionen Dollar
Vorbei sind die fünf Wochen dauernden US-Luftangriffe, die nicht nur Militärobjekte trafen, sondern auch zahlreiche Zivilisten verletzten und töteten. Über Nacht sind die Taliban, die fünf Jahre lang Kabul terrorisierten, fluchtartig aus der Stadt abgerückt, unter Mitnahme von mehreren Millionen Dollar aus Wechselstuben. Am Montagabend waren die Streitkräfte der Nordallianz mit mehr als 6000 Soldaten bis an den Rand der afghanischen Hauptstadt vorgerückt.
Rache an den Besetzern
Mehrfach kam es in der Nacht zu Plünderungen. Auch Racheakte blieben nicht aus. In verschiedenen Stadtteilen liegen erschlagene junge Kämpfer der Taliban am Straßenrand, einige von ihnen abgeschlachtet wie Vieh. In einer Mischung aus Schauder und Neugier umringen Gruppen Halbwüchsiger die Leichen.
Sultan Mohammad, 39, der in einer Menschenmenge vor dem leeren Gebäude des Industrieministeriums steht, spricht aus, was viele Kabuler empfinden:"Wir sind froh, dass die Freiheit da ist." Vorbei, sagt er, sei die Angst vor der Religionspolizei, die mit Strafe drohte, wenn der Bart zu kurz war, und die Unterhaltungsmusik ebenso verbot wie Fernsehen und Kino."Wir haben", sagt Sultan Mohammad,"jahrelang in einem Gefängnis gelebt".
Die Hoffnung auf eine offene Gesellschaft
Ingenieur Schamir, der nach fünf Jahren Flüchtlingsdasein aus dem Norden Afghanistans heimgekehrt ist in die Hauptstadt,"kann es noch gar nicht fassen, dass ich wieder hier bin". Der gebildete Jurist hofft auf Demokratie und eine offene Gesellschaft im neuen Afghanistan,"in der Frauen unverschleiert spazieren gehen dürfen".
Doch der Weg dahin ist weit. Noch ist der Krieg in Afghanistan nicht zu Ende. Wenige Kilometer südlich der Hauptstadt errichten die Taliban derzeit neue befestigte Stellungen. Noch immer kontrollieren die Extremisten, die mit der Terrororganisation al-Qaida des Osama Bin Laden verbandelt sind, rund die Hälfte des afghanischen Territoriums.
Für einen weiteren Vormarsch nach Süden fehlen der Nordallianz nicht nur Truppen, Benzin und Munition. Im Süden Afghanistans leben zudem vor allem ethnische Paschtunen, aus denen die Taliban ihre Anhänger rekrutieren. Die Nordallianz stützt sich dagegen auf die Tadschiken, Hazara und Usbeken in den nördlichen Provinzen des Landes.
Das brüchige Bündnis
Überdies ist der ungleiche Bund zwischen der Dritte-Welt-Armee der Nordallianz und der Hightech-Weltmacht USA gerade durch den Fall Kabuls brüchig geworden. Inständig hatten die Amerikaner die Nordafghanen seit Ende letzter Woche gebeten, die Hauptstadt vorerst nicht einzunehmen. Doch die Mudschahidin, die schon die Weltmacht UdSSR zur Verzweiflung trieben, argwöhnten, Washington wolle sie bei der Verteilung der Macht in Afghanistan austricksen.
Zwar beteuert Nordallianz-Minister Abdullah Abdullah, seine Truppe erstrebe"eine breite politische Übereinkunft über die Zukunft des Landes". Doch gerade der Fall Kabuls zeigt, dass in Afghanistan nach 24 Jahren Bürgerkrieg eher die Maxime des chinesischen Revolutionärs Mao Tse-tungs gilt. Der lehrte, die politische Macht komme aus den Gewehrläufen.
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,167507,00.html[/b]
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