- Das Geld des Schuldners als Leitwährung? - McMike, 19.11.2001, 09:58
- Re: Das Geld des Schuldners als Leitwährung? - XERXES, 19.11.2001, 10:25
Das Geld des Schuldners als Leitwährung?
Betrachtet man die energische geld- und währungspolitische Stabilisierung am Ende der 70er
Jahre und die nachfolgende Ära der Reaganomics als einen Versuch zur Wiederherstellung
der monetären Führungsrolle der USA in der Weltwirtschaft, so wird man diesen Versuch als
gescheitert ansehen müssen. Die Verteidigung des Dollar war nur dadurch möglich, daß die
USA das für klassische Leitwährungsländer typische Zinsprivileg verloren. Noch in den 60er
Jahren ließ der vergleichsweise (auch real) niedrige Zins auf langfristige Wertpapiere eine Li-quiditäts-
bzw. Sicherheitsprämie der Dollar-Titel erkennen; gegen Ende der 70er Jahre mußte
dann eine markante Zinssteigerung im Vergleich zu wichtigen Anlageländern hingenommen
werden; und in den 80er Jahren sind die USA ein Hochzinsland geblieben (vgl. Abbildung 8).
Auch wenn die oft betonten Probleme der Staatsverschuldung und der angeblich mangeln-den
Wettbewerbsfähigkeit der USA zu relativieren sind, spricht einiges für die These vom"unaufhaltsamen Abstieg eines Leitwährungslandes" (Stadermann 1987). Zunächst einmal ge-fährdet
die Schuldnerposition der USA die Stabilität seiner Leitwährungsposition und die er-wartete dauerhafte Akzeptanz des Dollar als Weltgeld. Üblicherweise geht man davon aus,
daß das als"Weltbank" fungierende Land eine Gläubigerstellung innehaben müsse 26. Denn in
diesem Fall können die Märkte erwarten, daß dieses Land ein starkes Interesse an einer Stabi-lität
des äußeren (und damit verbunden: des inneren) Geldwertes seiner Währung haben wird;
eine Abwertung etwa würde zu Vermögensverlusten bei den in nationaler Währung fixierten
Auslandsaktiva (vor allem Kredite) führen. Daß umgekehrt Kreditnehmer sich durch Emission
eigenen Geldes entschulden können, widerspricht der Logik des Kredits ein einer Geldwirt-schaft
(vgl. Herr 1987).
Somit befreit einerseits die Tatsache, daß die amerikanische (Netto-) Auslandsschuld in
Dollar nominiert ist, die USA von dem Zwang, sich um einen Exportüberschuß zur Schulden-rückzahlung
bemühen zu müssen; andererseits bringt das von den ausländischen Gläubigern
zu tragende Abwertungsrisiko ein Unsicherheitsmoment in das Devisenmarktgeschehen, weil die Anleger auf seiten der USA eine Strategie der Schuldenentwertung über den Wechselkurs
vermuten müssen.
Man könnte allerdings auch argumentieren, daß gerade wenn - wie oben ausgeführt - die
Auslandsschuld für die USA keine direkte Last darstellt, eben auch der unbedingte Anreiz ent-fällt,
sich via Wechselkurspolitik davon zu befreien. Ein Abwertungskurs bleibt für die USA
zweischneidig, weil er zwar zur Sanierung der Handelsbilanz führt, zugleich aber Preisgefah-ren
im Inland mit sich bringt und vor allem Amerikas militärpolitische Ambitionen in der
Welt behindert, indem sich die Aneignung ausländischer Ressourcen in Dollar gerechnet ver-teuert.
Die Forderung, daß die USA aus letztlich finanzwirtschaftlichen Gründen Abstriche an
verteidigungspolitischen Aufgaben vornehmen müsse und solle, ist seit einiger Zeit in der
Diskussion (vgl. Calleo u.a. 1988), nachdem jahrelange Mahnungen an die Überschußländer,
ihrerseits mit offeneren Handelsgrenzen und einer expansiveren Politik den USA aus außen-wirtschaftlichen
Problemen zu helfen (vgl. Feldstein 1985), letztlich wenig Gehör fanden.
Daraus ergibt die einfache Schlußfolgerung, daß die USA eine Verteidigung des herr-schenden
Wechselkursniveaus anstreben, um die notwendige Abwägung zwischen den Vor-und
Nachteilen zugunsten einer Dollar-Abwertung hinauszuschieben. Ein"non-decision
ma-king"
liegt auch deshalb nahe, weil die Frage nach der (mehr oder weniger informellen) Beset-zung
einer Leitwährungsposition politisch keinen allzu großen Stellenwert (mehr) genießt.
Das"Primat der Innenpolitik" machte sich - wie eingangs erwähnt - bereits in den 30er Jahren
bemerkbar; und auch heute verspüren potentielle Konkurrenten der USA offensichtlich wenig
Neigung, gleichsam offiziell in den Wettbewerb um die monetäre Führungsposition einzutre-ten
und die faktischen Verpflichtungen eines Leitwährungslandes zu übernehmen.
Aber der Abschied von einer gleichsam monopolistischen Verfassung der Weltwirtschaft,die durch die überragende monetäre, wirtschaftliche und politische Macht eines Hegemons ge-kennzeichnet
war, und das abnehmende Interesse an einer solchen Machtstellung bedeuten
keineswegs, daß sich auch für die Vermögensbesitzer die Frage nach der währungsmäßigen
Orientierung ihrer Dispositionen auf den Finanzmärkten nicht mehr stellt. Unabhängig von
politischen Interessenlagen und institutionellen Gegebenheiten existiert seit einigen Jahren
faktisch eine oligopolistische Struktur auf dem Weltkapitalmarkt, auf dem die Vermögenssi-cherungsqualität
einiger weniger Anlagewährungen in einem permanenten Markttest geprüft
wird.
Planungen zu einer Harmonisierung der Geld- und Währungspolitik im EWS führen viel-fach
zu der Prognose, daß eine künftige Europa-Währung (vermutlich eine Art Euro-DM) den
Dollar aus seiner bisherigen Rolle verdrängen wird; die Reputation der D-Mark und die Größe
eines integrierten europäischen Wirtschafts- und Währungsraumes würden die Nachfrage nach
Dollar-Titeln rasch vermindern 27. Auf der anderen Seite ist aber keineswegs ausgemacht, daß
eine europäische Einheitswährung auch eine starke, d.h. harte Währung sein wird (vgl. Spahn
1990). Auch hier wird sich die Marktreaktion auf neue währungspolitische Institutionen nicht
vorhersehen oder steuern lassen.
Somit könnte das Dollar-Problem weniger für den angeblichen Niedergang der US-Ã-ko-nomie
und das Scheitern der amerikanischen Wirtschaftspolitik im Wettbewerb um eine mo-netäre
Führungsposition in der Weltwirtschaft stehen, sondern vielmehr das Ende des bisheri-gen
Musters einer historischen Sequenz von Leitwährungen markieren und eine Phase der
"Privatisierung der Währungspolitik" einleiten.
Sagt sehr viel und auch wieder nichts!
Aber vor allem beachte man den letzten Satz! (Gruss an R. Deutsch)
gruss mcmike
<ul> ~ http://www.uni-hohenheim.de/~www520a/Data/dollar.pdf</ul>
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