- Wirtschaft nicht mehr nobelpreiswürdig? - Cosa, 27.11.2001, 01:33
Wirtschaft nicht mehr nobelpreiswürdig?
Hi!
Hier noch etwas Nachtlektüre:
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Nick Lüthi 27.11.2001
Nachfahren von Alfred Nobel sprechen dem Wirtschaftsnobelpreis die Legitimation ab, den Namen ihres Vorfahren zu tragen
Vier Mitglieder der Familie Nobel sind mit der Forderung an die Ã-ffentlichkeit getreten, den Wirtschaftsnobelpreis künftig als Preis der Schwedischen Reichsbank zu deklarieren. Tatsächlich hat Alfred Nobel nie eine Auszeichnung für die Wirtschaftswissenschaften vorgesehen. Erst 1968 wurde der Preis von der Schwedischen Reichsbank anlässlich ihres 300-jährigen Jubiläums gestiftet und mit dem illustren Namen geschmückt.
Im Testament von Alfred Nobel ist nirgends von einem Wirtschaftspreis die Rede. Trotzdem ist die erst 1968 von der Schwedischen Reichsbank gestiftete Auszeichnung weltweit als Wirtschaftsnobelpreis bekannt. Unter dem entsprechenden Suchwort sind etwa im Internet über tausend Einträge zu finden. (z.B. Google Search) Die korrekte Bezeichnung indes lautet"Preis der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften in Erinnerung an Alfred Nobel".
An diesen verwirrenden Umständen stören sich nun öffentlich vier namhafte Mitglieder der Familie Nobel. In einem Gastbeitrag am letzten Mittwoch in der Tageszeitung Svenska Dagbladet fordern sie eine Umbenennung und Klarstellung des Verhältnisses zwischen dem Preis und seinem Stifter. Gegenüber der Presse sprach Peter Nobel, ehemaliger Direktor des Schwedischen Roten Kreuzes, Klartext:
"Hört damit auf den Wirtschaftspreis Nobelpreis zu nennen. Teilt den Preis nicht mehr gemeinsam mit den anderen Auszeichnungen aus; das beschmutzt und schadet dem Ruf der Nobelpreise."
Die Kritik stört sich nicht nur an der Formalität der korrekten Bezeichnungen, auch inhaltlich greifen die Nachkommen Nobels den Wirtschaftspreis an. Gemäß dem letzten Willen von Alfred Nobel soll ausgezeichnet werden,"wer im Verlauf des vergangenen Jahrs der Menschheit den größten Nutzen gebracht hat." Peter Nobel sieht diesem Anspruch in der Praxis alles andere als nachgelebt. Insbesondere stört sich der Wortführer der Kritiker, dass seit 1968 die Auszeichnung mit zwei Ausnahmen an Ã-konomen aus dem westlichen Kulturkreis gegangen sind; eine Frau wurde noch nie geehrt. Auf diesen Vorwurf angesprochen, meint Villy Bergström, stellvertretender Direktor der Reichsbank lapidar:"Die Preisträger kommen oft aus westlichen Ländern und den USA, weil dort die ökonomische Forschung am stärksten vorangetrieben wird."
Außerdem handle es sich beim aktuellen Knatsch um Missverständnisse, so Bergström weiter. Die aktuellen Diskussionen werden kaum einen direkten Einfluss auf die Preisverleihungszeremonie vom kommenden 10. Dezember haben. George Akerlof, Micheal Spence und Joseph Stiglitz werden dann gemäß der landläufigen Meinung als Wirtschaftsnobelpreisträger für ihre Forschung auf dem Gebiet"Märkte mit asymmetrischen Informationen" geehrt.
Die Kontroverse um den Wirtschaftsnobelpreis ist nicht neu. In den vergangen rund dreißig Jahren seit seiner Stiftung wurde die Auszeichnung bei verschiedenen Gelegenheiten attackiert. Das letze Mal vor vier Jahren, als der Stockholmer Wirtschaftswissenschaftler Carl Hamilton gar dessen Abschaffung forderte. Sukkurs erhielt Hamilton von Mitgliedern der Schwedischen Akademie, die den Literaturnobelpreis vergibt. Der Philosoph Torgny Segerstedt, selbst Mitglied der Akademie, verwies auch damals auf den letzten Willen Nobels, der keine Auszeichnung für Ã-konomen vorsah.
Bereits anlässlich der Stiftung des umstrittenen Preises durch die Reichsbank machte Marta Nobel-Oleinikoff, die einzige Überlebende von Alfred Nobels Bruder Ludwig klar, dass eine Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaftler nicht als Nobelpreis bezeichnet werden dürfe - vergeblich. Zwar wird beim Preisverleihungszeremoniell die korrekte Bezeichnung verwendet, in der Ã-ffentlichkeit wird diese Unterscheidung allerdings äusserst selten gemacht.
Sollte der Wirtschaftsnobelpreis in Zukunft tatsächlich irgendwann nur noch Reichsbankpreis heißen, würde damit ein enormer Prestigeverlust einher gehen. Ein Ruf, so ein Kommentar in der Washington Post anlässlich der Debatte vor vier Jahren, der kaum noch etwas mit der tatsächlich erbrachten Leistung zu tun habe.
Quelle
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