- Die Kaufgelegenheit ist weniger günstig, als es scheint (Marc Faber) - mrjohns, 28.11.2001, 00:32
Die Kaufgelegenheit ist weniger günstig, als es scheint (Marc Faber)
Die Kaufgelegenheit ist weniger günstig, als es scheint
Der Vergleich mit der Vergangenheit hat Tücken - Kolumne
Von Marc Faber
Nach dem jüngsten Einbruch der Aktienmärkte ist ein altbekanntes Argument bei den Börsianern wieder in Mode gekommen."Unglaublich billig" seien die Dividendenpapiere, erklären die Marktteilnehmer. Viele Börsenstrategen sprechen gar von einer einmaligen Kaufgelegenheit. Mit Blick auf die Ereignisse des 11. September haben viele die Historie bemüht und darauf hingewiesen, dass Krisen und Kriege schon in der Vergangenheit zu Gewinn bringenden Kaufgelegenheiten geführt haben. Doch der Vergleich hat Tücken.
Die Strategen haben insbesondere den Angriff auf Pearl Harbor am 6. Dezember 1941 als Beispiel für eine einmalige langfristige Kaufgelegenheit angeführt, nachdem die amerikanische Börse dann in den fünfziger und sechziger Jahren um rund das Zehnfache zulegte. Allerdings gibt es gravierende Unterschiede zu heute. Zur Zeit von Pearl Harbor war der amerikanische Aktienmarkt unwahrscheinlich tief bewertet. Als Prozentsatz des Bruttosozialproduktes betrug die gesamte Börsenkapitalisierung im Jahre 1941 nur 21 Prozent, verglichen mit gegenwärtig rund 120 Prozent. Zudem stand der Dow Jones kurz vor dem Angriff auf Pearl Harbor bei 115 Punkten und damit ganze 70 Prozent tiefer als bei seinem Hoch bei 381 Zählern, das er zwölf Jahre zuvor im Jahre 1929 erreicht hatte. Im Jahre 1941 hatte der Dow Jones zudem eine Dividendenrendite von 6,2 Prozent und ein Kurs/Gewinn-Verhältnis von bloß 10,5 - wohlverstanden auf seit 1929 um 50 Prozent verringerte Gewinne.
Ebenfalls zu bedenken ist, dass im Jahre 1941 die Zinsen auf langfristige Staatsanleihen auf ein Rekordtief in der amerikanischen Finanzgeschichte von weniger als zwei Prozent gefallen waren. Somit hatte der Dow Jones eine Dividendenrendite, die rund drei Mal höher lag als die Rendite auf langfristige Staatsobligationen. Nach dem Angriff auf Pearl Harbor erreichte die so genannte Gewinnrendite des Dow Jones über zehn Prozent, was mehr als fünf Mal höher war als die Rendite auf Staatspapiere. Im Vergleich zahlt heute die amerikanische Börse bloß eine Dividendenrendite von 1,5 Prozent, und die Gewinnrendite beträgt bei einem Kurs-/Gewinn-Verhältnis von 30 nur 3,3 Prozent, während langfristige Staatsanleihen bei rund 5,5 Prozent rentieren.
Deshalb halte ich den finanztechnischen Vergleich von Pearl Harbor mit den Ereignissen vom September für verfehlt. Im Jahre 1941 war die amerikanische Börse in der Tat unwahrscheinlich"billig", während sie heute trotz des Einbruchs in den vergangenen 18 Monaten immer noch teuer ist. Im Jahre 1941 erreichte die Spanne zwischen Dividendenrenditen auf Aktien und Renditen auf Staatspapiere einen Rekordstand. Im vergangenen Jahr erlebten wir ein Spiegelbild dieser Spanne, als die Renditen auf Staatspapiere eine Rekordspanne gegenüber den Dividendenrenditen erreichten. Mit anderen Worten: Die Wachstumserwartungen im Jahre 1941 waren nicht existierend und wurden später ganz gewaltig übertroffen, während die Wachstumserwartungen im vergangenen Jahr viel zu optimistisch waren. Sie sind es auch heute noch und könnten damit leicht enttäuscht werden.
Das Jahr 1941 brachte den Aktienanlegern eine einmalige Kaufgelegenheit und den Staatspapier-Anlegern eine einmalige Verkaufgelegenheit, nachdem dann in den nächsten 40 Jahren die Staatspapier-Renditen auf 15 Prozent stiegen. Was die Jahre 2002 und 2003 mit sich bringen werden, wird sich noch zeigen. Aber ich bezweifle, dass sich bei den gegenwärtigen Bewertungen die Kaufgelegenheit des Jahres 1941 wiederholen wird. Möglicherweise sollten Anleger auf beides - amerikanische Aktien sowie den amerikanischen Obligationenmarkt - verzichten, nachdem sich beide seit 1982 in einer gewaltigen Haussephase befanden.
Quelle:
http://www.welt.de/daten/2001/11/26...3.htx?search=marc%2Bfaber%2B2001
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