- REICHTUM - Wal Buchenberg, 30.11.2001, 07:42
- Re: Neid+Stuss = wählt PDS (owT) - R.Deutsch, 30.11.2001, 12:22
- Also bitte. Was bist Du für ein Demokrat? - Standing Bear, 30.11.2001, 12:33
- @R. Deutsch: Traurig, traurig - Bär, 30.11.2001, 12:52
- Re: Arm, Reich und Kapitalismus - Caspar, 30.11.2001, 14:11
- Also bitte. Was bist Du für ein Demokrat? - Standing Bear, 30.11.2001, 12:33
- Re: Neid+Stuss = wählt PDS (owT) - R.Deutsch, 30.11.2001, 12:22
REICHTUM
Reichtum
1. Reichtum ist wie Armut eine sich historisch verändernde Größe, die von der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit abhängt.
In Homers Odyssee prahlte der Schweinehirt von Odysseus über den Reichtum seines Herrn: „Nicht zwanzig Männer zusammen haben so viele Reichtümer.“ (Odyssee, 14, 96f.)
Das Zwanzigfache eines Durchschnitthaushaltes war also im Griechenland Homers ein märchenhafter Reichtum.
Rund 300 Jahre später, im 5. Jahrhundert v. Chr., erfahren wir von dem Landgut im Wert von 12.000 Drachmen eines gewissen Buselos in Eleusis, der ein wohlhabender Athener Bürger und keine Ausnahmeerscheinung wie Odysseus war, ohne dass dieser Reichtum Anlass zum Erstaunen gab. Dieser Besitz des Buselos war vierzigmal höher als die athenische Armutsgrenze, bis zu der ein Athener Anspruch auf staatliche Unterstützung hatte. (vgl. Finley, Antike Wirtschaft, 113.)
In den USA gab es im Jahr 1892 gut 4.000 Dollar-Millionäre. Vermögen im Wert von 1 Million Dollar galt damals als „Reichtumsschwelle“.
Rund hundert Jahre später, um 1982, musste man, um in die Forbes-Liste der 400 reichsten Familien der USA aufgenommen zu werden, ein „Nettovermögen von 90 Millionen Dollar“ besitzen.
Im Jahr 2000 wurden erst Familien mit einem Vermögen von mehr als 725 Millionen Dollar in die Forbes-Liste aufgenommen. (nach: Economist, 16.6. 2001)
Um derzeit von Zinsen „standesgemäß“ leben zu können, muss man rund 10 Millionen US-Dollar besitzen. „Das ist zur Zeit genug, um ein Jahreseinkommen von rund 500.000 Dollar sicherzustellen. Oberhalb eines Geldvermögens von 100 Millionen Dollar, gehörst du zu den Superreichen...“ (Economist, 16..2001).
„Eine traditionelle Schweizer Bank hat kaum Interesse an Kunden mit einem verfügbaren Geldvermögen von weniger als 5 Millionen US-Dollar.“ (Economist, 16.6.2001).
„Sao Paolo hat die höchste Dichte an Hubschraubern in der Welt, weil die Reichen der Stadt es für zu gefährlich halten, mit dem Auto durch die Stadt zu fahren.“ (Economist, 16.6.20001)
„1997 gab es in der Welt 7,2 Millionen Dollar-Millionäre. Diese verfügten über rund ein Drittel des Weltreichtums.“ (Economist, 16.6. 2001)
Heute leben in den USA leben 170 Billionäre, jeder mit einem Vermögen, das 10-millionenmal so hoch ist wie ein überdurchschnittliches Jahresgehalt von 100.000 Dollar. (Nach: ‚The Economist‘ 28. 11.98 und 30.05.98.)
1.1 Reichtum in Deutschland (nach unterschiedlichen Berechnungsweisen):
1.1.1 Reichtum als 10-Prozent-Zahl? (Nach meinen Berechnungen machen Kapitalisten in Deutschland weniger als 3 Prozent aus.)
„Es verfügten 1988 die obersten 10 % der Haushalte über fast die Hälfte des Nettogrund- und Nettogeldvermögens..., während die untere Hälfte der Haushalte weniger als 4 % dieser Vermögensarten besaß.“ LitDokAB 99/2000-1, a-440.
1.1.2 Reichtum als Besitz?
Das private Geldvermögen in Deutschland umfasste Ende 1999 insgesamt 6.749 Milliarden DM.
Das Sachvermögen in Deutschland hatte ein Wert von 8,8 Billionen DM. Dabei entfiel das Gros mit 7,5 Billionen Mark auf Wohnimmobilien. (nach: Deutsche Bundesbank).
365.000 Euro-Millionäre gibt es in Deutschland. Darunter sind 3.700 Superreiche mit mehr als 30 Millionen Euro Sach- und Geldvermögen. (Meryll Lynch, German Wealth Report 2000).
1.1.3 Reichtum als Geldeinkommen?
1.1.3.1 Reich mit 5.000 Euro im Monat?
„Reichtum beginnt für den Autor bei einem verfügbaren Haushaltseinkommen von über 10.000 DM monatlich. Darüber verfügten 1992 rund 1,7 Millionen Haushalte.“ (Huster, Ernst-Ulrich: Reichtum in Deutschland.) LitDokAB 1998/99 a-689.
1.1.3.2 Reich mit 1 Million DM im Jahr?
„Unter den 25.000 Einkommensmillionären, die 1992 in Deutschland registriert wurden, waren die Selbständigen in den freien Berufen mit 3.000 Fällen überdurchschnittlich vertreten. Zu ihnen zählten überwiegend Ärzte, Rechtsanwälte und Notare sowie Architekten.“ LitDokAB 99/2000-1, a-909.
Freie Berufe sind ebenso wenig wie Spitzensportler Kapitalisten. Also bleiben noch rund 20.000 Großkapitalisten (und ihre Spitzenfunktionäre) mit einem Jahreseinkommen von einer Million Mark.
Soweit nicht anders vermerkt, stammen Daten und Zitate aus: Literaturdokumentation zur Arbeitsmarkt und Berufsforschung, Hrsg. von der Bundesanstalt für Arbeit, div. Jhrg.
2. Ist Reichtum böse?
Sofern Entwicklung des Reichtums dasselbe ist wie Entwicklung der Produktivkräfte, ist Entwicklung des Reichtums notwendig und gut.
„Während das Kapital also einerseits dahin streben muss, jede örtliche Schranke des Verkehrs... niederzureißen, die ganze Erde als seinen Markt zu erobern, strebt es andererseits danach den Raum zu vernichten durch die Zeit; d.h. die Zeit, die die Bewegung von einem Ort zum anderen kostet, auf ein Minimum zu reduzieren.... Die universelle Tendenz des Kapitals erscheint hier, die es von allen früheren Produktionsweisen unterscheidet.
Obgleich seiner Natur nach selbst borniert, strebt es nach universeller Entwicklung der Produktivkräfte und wird so die Voraussetzung einer neuen Produktionsweise...
Diese Tendenz... unterscheidet das Kapital von allen früheren Produktionsweisen...
Alle bisherigen Gesellschaftsformen gingen unter an der Entwicklung des Reichtums - oder, was dasselbe ist, der gesellschaftlichen Produktivkräfte....
Das Kapital setzt die Produktion des Reichtums selbst und daher die universelle Entwicklung der Produktivkräfte, die beständige Umwälzung seiner vorhandenen Voraussetzungen, als Voraussetzung seiner Reproduktion.“ K. Marx, Grundrisse, 438f.
2.1. Kapitalistischer Reichtum ist weniger Macht über Sachen, als Macht über Menschen:
Reichtum als Sache verbraucht sich. Reichtum als Kommando über fremde Arbeit reproduziert sich immer neu.
„Es ist nicht der Besitz von Land oder Geld, sondern das Kommando über Arbeit, das die Reichen von den Armen unterscheidet.“ Sir F. M. Eden: The State of the Poor...London, 1797. zit. n. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 644.
„Nun ist der Reichtum einerseits Sache, verwirklicht in Sachen, materiellen Produkten, denen der Mensch als Subjekt gegenübersteht; andererseits als Wert ist er bloßes Kommando über fremde Arbeit...“ K. Marx, Grundrisse, 387.
„Ein produktiver Arbeiter ist ein Arbeiter, der fremden Reichtum produziert. Nur als solches Produktionsinstrument für fremden Reichtum hat seine Existenz einen Sinn.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I., MEW 26.1, 196.
„Ein Land ist um so reicher, je geringer seine produktive Bevölkerung verhältnismäßig zum Gesamtprodukt ist; ganz wie für den einzelnen Kapitalisten, je weniger Arbeiter er braucht, um denselben Mehrwert zu erzeugen, um so besser für ihn.
Das Land ist um so reicher, je geringer die produktive Bevölkerung im Verhältnis zur unproduktiven, bei derselben Quantität von Produkten. Denn die verhältnismäßige Geringheit der produktiven Bevölkerung wäre ja nur eine anderer Ausdruck für den verhältnismäßigen Grad der Produktivität der Arbeit.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I., MEW 26.1, 199.
2.2 Um uns mit der derzeitigen Trennung von Arm und Reich auszusöhnen, möchten die Herrschenden uns gerne vorschreiben, was „notwendiger Konsum“ und was „überflüssiger Luxus“ ist. Luxus ist Fortschritt. Allenfalls ist zu kritisieren, dass es Fortschritt für Wenige und nicht für Alle ist. Umso schlimmer, wenn Linke in diesen Chor einstimmen, indem sie vom „kapitalistischen Konsumterror“ faseln.
„Luxus ist Gegensatz zum Naturnotwendigen.
Notwendige Bedürfnisse sind die des Individuums, reduziert selbst auf ein Natursubjekt. Die Entwicklung der Industrie hebt diese Naturnotwendigkeit, wie jenen Luxus auf - in der bürgerlichen Gesellschaft allerdings nur gegensätzlich, indem sie selbst wieder nur bestimmten gesellschaftlichen Maßstab als den notwendigen gegenüber dem Luxus setzt.“ K. Marx, Grundrisse, 426.
„...dass, was früher als Luxus erschien, nun notwendig ist...“ K. Marx, Grundrisse, 426.
„Je mehr die selbst geschichtlich - durch die Produktion selbst - erzeugten Bedürfnisse... als notwendig gesetzt sind, um so höher ist der wirkliche Reichtum entwickelt.
Der Reichtum besteht stofflich betrachtet nur in der Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse.“ K. Marx, Grundrisse, 426.
3. Reichtum ist (nach Abstreifen der bornierten bürgerlichen Form)...
3.1 Reichtum ist Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse und Fähigkeiten. Die Bedürfnisse und Fähigkeiten entwickeln den Reichtum. Der Reichtum entwickelt die Bedürfnisse und Fähigkeiten.
„In fact aber, wenn die bornierte bürgerliche Form abgestreift wird, was ist der Reichtum anders, als die im universellen Austausch erzeugte Universalität der Bedürfnisse, Fähigkeiten, Genüsse, Produktivkräfte etc. der Individuen? Die volle Entwicklung der menschlichen Herrschaft über die Naturkräfte, die der sogenannten Natur sowohl, wie seiner eigenen Natur? Das absolute Herausarbeiten seiner schöpferischen Anlagen, ohne andere Voraussetzung als die vorhergegangene historische Entwicklung, die diese Totalität der Einwicklung, d.h. die Entwicklung aller menschlichen Kräfte als solcher... zum Selbstzweck macht?... Nicht irgend etwas Gewordenes zu bleiben sucht, sondern in der absoluten Bewegung des Werden ist?“ K. Marx, Grundrisse, 387.
„Die Entwicklung der Wissenschaft... - d.h. der solidesten Form des Reichtums, sowohl Produkt wie Produzent desselben....“ K. Marx, Grundrisse, 439.
„Denn der wirkliche Reichtum ist die entwickelte Produktivkraft aller Individuen. Es ist dann keineswegs mehr die Arbeitszeit, sondern die verfügbare Zeit das Maß des Reichtums.“ K. Marx, Grundrisse, 596.
3.2 Reichtum ist freie Zeit
„Auf Schaffen disponibler Zeit beruht die ganze Entwicklung des Reichtums.“ K. Marx, Grundrisse, 301.
„… wahrer Reichtum...(ist) Zeit, die nicht durch unmittelbar produktive Arbeit absorbiert wird, sondern zum Genuss, zur Muße, so dass sie zur freien Tätigkeit und Entwicklung Raum gibt.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III., MEW 26.3, 252.
„Aber freie Zeit, verfügbare Zeit, ist der Reichtum selbst - teils zum Genuss der Produkte, teils zur freien Tätigkeit, die nicht wie die Arbeit durch den Zwang eines äußeren Zwecks bestimmt ist, der erfüllt werden muss, dessen Erfüllung Naturnotwendigkeit oder soziale Pflicht ist, wie man will.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III., MEW 26.3, 253.
4. Karl Marx dachte nicht an Abschaffung des Reichtums, sondern an Reichtum für alle
„In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 21.
Wal Buchenberg, 29.11.2001
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