- Reformstau treibt Japan in eine tiefe Rezession - Sascha, 10.12.2001, 17:56
Reformstau treibt Japan in eine tiefe Rezession
Im dritten Quartel schrumpft die Wirtschaft erneut - Wende noch nicht in Sicht
<font size=5>Reformstau treibt Japan in eine tiefe Rezession</font>
Japan versinkt in einer Rezession. Ursache ist vor allem die weiter nachlassende Kauffreude der Verbraucher. Japanische Volkswirte erwarten für das laufende Haushaltsjahr <font color="#FF0000">einen Rückgang der Wirtschaft um bis zu 2 Prozent</font>. Finanz- und Wirtschaftsstaatsminister Heiko Takenaka pocht aber auf Haushaltsdisziplin.
HANDELSBLATT, 10.12.2001
ga TOKIO. <font color="#FF0000">Zum dritten Mal innerhalb eines Jahrzehnts wird Japan von einer Rezession heimgesucht</font>. Nach den vorläufigen Daten des japanischen Kabinettamtes schrumpfte die Wirtschaft zwischen Juli und September gegenüber dem Vorquartal weiter um 0,5 % (Vorquartal: -1,2 %). Mit zwei aufeinander folgenden Quartalen rückläufiger Wirtschaftsleistung <font color="#FF0000">steckt Japan nach allgemein gültiger Definition in einer Rezession</font>. <font color="#FF0000">Auf Jahresbasis geht das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um real 2,2 % und nominal um 3,1 % zurück</font>. Diese Daten liegen am unteren Rand der Prognosen führender privater Forschungsinstitute.
Hauptursache für die Rezession ist die zunehmende Kaufzurückhaltung der privaten Verbraucher, die über 50 % des BIP bestimmen. Der Verbrauch sank gegenüber dem Vorquartal um 1,7 % ( -1,1 %). Dazu trugen die sich <font color="#FF0000">weiter rapide verschlechternde Beschäftigungslage und wachsende Sorgen um den Arbeitsplatz bei</font>. Zudem sanken die Einkommen als Folge des Abbaus von Überstunden.
Demgegenüber stieg die private Investitionstätigkeit weiterhin leicht um 1,1 % (+2,6 %). Die private Wohnungsbautätigkeit nahm um 1,0 % (-6,4 %) und die staatlichen Investitionen in die Infrastruktur sogar um 3,2 % (-10,3 %) zu. Auch der Beitrag der Außenwirtschaft ist leicht positiv. Die japanischen Importe von Waren und Dienstleistungen schrumpften wegen der schwachen Inlandsnachfrage stärker als der Export. Zudem gingen im Zusammenhang mit den Terroranschlägen die Auslandsreisen zurück.
Führende japanische Volkswirte erwarten jetzt für das laufende Fiskaljahr 2001/02 (zum März) einen realen Rückgang des BIP von 1,5 bis 2 %. Die Regierung hatte bisher mit einem Rückgang von 0,9 % gerechnet. Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit stimmte das japanische Oberhaus einem <font color="#FF0000">Not-Programm </font>für die Schaffung von 100 000 Jobs vor allem für Menschen mittleren Alters zu.
In den politischen Stellungnahmen werden die Differenzen im Regierungslager deutlich: Der Staatsminister für das Finanzsystem Hakuo Yanagizawa erklärte, das wirtschaftliche Umfeld für seine Arbeit, die Sanierung des Bankensystems, sei sehr schwierig. Der Chef des Wirtschaftsministeriums (Meti) Takeo Hiranuma, forderte die Regierung angesichts der „extrem kritischen“ Lage zu weiterem Handeln auf. Indirekt ist dies eine Kritik an dem von Hiranuma als unzureichend angesehenen Nachtragshaushalten. Er stimmt damit Politikern der regierenden Liberaldemokratischen Partei zu, insbesondere ihres politischen Chef-Koordinators Taro Aso, die Konzepte für ein neues Konjunkturprogamm von bis zu 10 Bill. Yen (gut 90 Mrd. $) entwickelt haben.
Demgegenüber meinte Finanzminister Masajuro Shiokawa, die Lage sei zwar schlecht, aber der Rückgang sei nicht so stark wie im zweiten Quartal. Insgesamt seien die BIP-Daten besser als erwartet. Die Bank von Japan müsse ihre geldpolitische Lockerung"noch ein wenig" weiter fortführen. <font color="#FF0000">Shiokawa machte gleichzeitig deutlich, dass er den Kauf von Auslandsanleihen durch die Notenbank zur weiteren Ausweitung der Liquidität begrüße</font>.
Der für Wirtschafts- und Finanzpolitik zuständige Staatsminister Heizo Takenaka stellte klar, dass Tokio keinen weiteren Handlungsspielraum in der Haushaltspolitik habe:"Zur Verhinderung von Steueranhebungen muss Haushaltsdisziplin geübt werden." Vorrangige Ursache der Rezession sei die Verschiebung von Reformen. Die Flaute in den IT-Industrien und der Schock durch die Terroranschläge hätten die Lage erschwert. Er habe den Eindruck einer"Angst-Wirtschaft", sagte der Minister. <font color="#FF0000">"In den Haushalten scheint mehr Besorgnis über die Zukunft zu herrschen als wir gedacht haben."</font>
Der Chef-Ã-konom der Industrial Bank of Japan, Masayuki Maenaka, erklärte gegenüber dem Handelsblatt, der von Ministerpräsident Junichiro Koizumi proklamierte Neuverschuldungsrahmen von 30 Bill. Yen müsse aufgegeben werden und die Reformen mit einer expansiven Haushalts- und Geldpolitik flankiert werden. Maenaka:"Eine extrem ungewöhnliche Lage erfordert unkonventionelle Maßnahmen wie eine gezielte Inflationspolitik. In einer nominal rückläufigen Wirtschaft ist eine Konsolidierung der Staatsfinanzen unmöglich."
Yuji Shimanaka, Chef-Volkswirt des Sanwa Research Institute sagte gegenüber dem Handelsblatt, es zeichne sich für das zweite Quartal 2002 der Tiefpunkt des Abschwungs ab. Die Regierung müsse die sozialen Folgen der Verschlechterung der Arbeitsmarktlage abfedern. Zumindest sei eine neutrale Haushaltspolitik geboten. Koizumis 30 Bill. Yen-Rahmen sei völlig verfehlt. <font color="#FF0000">Rund die Hälfte des Haushaltsdefizits sei konjunkturell bedingt, werde also im Zuge einer Wirtschaftsbelebung wieder abgebaut werden</font>.
Eigener Kommentar: Und die andere Hälfte? Wird wieder aufgeschuldet... Und damit ist das Problem dann gelöst oder wie?...
HANDELSBLATT, Montag, 10. Dezember 2001, 06:01 Uhr
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