- Der dumme Bürger darf mal wieder die Scherben wegkehren - riwe, 11.12.2001, 18:43
Der dumme Bürger darf mal wieder die Scherben wegkehren
Aus der FTD vom 11.12.2001
Leitartikel: Kirchs und Stoibers Scherben
Jetzt können die bayerische Staatsregierung und die dortigen Steuerzahler offen sehen, wo die Medienpolitik des Freistaats hinführt.
Über vier Mrd. DM wurden mit dem Segen der Landesregierung über die Bayerische Landesbank in den letzten Jahren in das Imperium des Medienmagnaten Leo Kirch gepumpt. Seit vergangene Woche die Diskussion über eine mögliche erzwungene Übernahme des Imperiums durch Rupert Murdoch begann, ist klar: Am Ende könnten die Gläubiger mit ihrem öffentlich gestützten Investment nur noch eine fatale Wahl haben: Sie können nach den Maßstäben besorgter Kreditgeber entscheiden und so vielleicht ihr Geld sichern. Dann müssen sie aber riskieren, dass der bayerische Medienkonzern in den Händen von Investoren landet, denen die Wünsche der bayerischen Politik egal sind. Oder sie können wie bisher nach den Maßstäben unbesorgter Standortpolitik handeln. Dann droht die Gefahr, dass sie das durch den Steuerzahler abgesicherte Geld abschreiben müssen.
Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber hat ein Investment riskiert, das sich nicht mehr auszuzahlen verspricht - wirtschaftlich ebenso wenig wie politisch. Er hat ein Risiko finanziert, das vielleicht glückshungrigen Anlegern am Neuen Markt zuzumuten ist, das sich ein öffentlich kontrollierter Fremdkapitalgeber nicht zumuten darf. Jede Horrormeldung über schlechte Kundenzahlen und steigende Verluste bei Kirchs Pay-TV Premiere ist eine Horrormeldungen für Stoiber. Leo Kirch muss damit rechnen, dass er vor den Scherben seines Imperiums steht. Allein das Szenario bedeutet bereits, dass Edmund Stoiber - er war auch als Staatskanzleichef schon für Medienpolitik verantwortlich - vor den Scherben dieser Politik steht.
Es geht nicht um Edmund Stoiber allein. In der ganzen Republik haben Landespolitiker - sozialdemokratische wie konservative - seit dem Medienboom der 80er Jahre den Kommunikationskonzernen alle Wünsche erfüllt. In Wolfgang Clements Nordrhein-Westfalen etwa wird die öffentlich-rechtliche Kölner Stadtsparkasse genauso zur Finanzierung landespolitisch gewollter Medieninvestments genutzt wie die Landesbank in Bayern.
Verhängnisvoll sind nicht nur solche Kredite. Deutsche Medienkonzerne brauchten in den letzten beiden Jahrzehnten nur damit zu drohen, ausländische Medienriesen würden den deutschen Markt aufrollen, wenn man den deutschen nicht die genehmen Bedingungen schaffe. Schon waren die für Medienpolitik zuständigen Landespolitiker bereit, ihre ordnungspolitischen Pläne entsprechend zu korrigieren. Das Ergebnis ist eine Medienpolitik, die sich weitgehend davon verabschiedet hat, den politischen Rahmen für die die Ordnung auf dem Medienmarkt zu setzen - die Grenzen gegen zu viel Medienkonzentration etwa wurden faktisch abgeschafft.
Zugleich hat die Politik versucht, die gewünschte Medienordnung mit steuerfinanzierter Standortpolitik zu schaffen. Kirch versprach, er als Einheimischer bewahre die TV-Landschaft vor Verflachung - das ließ die Subventionen sprudeln. Sat 1 und Pro Sieben senden aber, was ein Murdoch-Kanal oder ein Disney-Sender auch zeigen würden.
Ob das Imperium an Murdoch fällt, wird kaum in Staatskanzleien entschieden, sondern an den Medienmärkten.
Wieder einmal ein schönes Beispiel dafür, was man mit dem Geld anderer Leute alles so machen kann.
gruss
riwe
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