- Creditos - R.Deutsch, 12.12.2001, 12:25
Creditos
Re: Creditos
[ Geldcrash-Retten Sie Ihr Vermögen ]
Geschrieben von Digo am 08. November 2001 15:45:32:
Als Antwort auf: Re: RE: Creditos geschrieben von Doofy am 07. November 2001 03:33:18:
Hallo Doofy,
als Außenstehender kann man sich natürlich keine fundierte Meinung erlauben. Nachfolgend deshalb nur ein subjektiver
Eindruck.
>Bist Du schon einmal auf so einem Markt gewesen, wo mit Creditos bezahlt werden kann? Was gibt es da zu kaufen?
Vor einem Jahr war ich aus lauter Neugier auf einer Messe, zu der die Organisatoren der Tauschringe eingeladen hatten.
Die Stadt Buenos Aires stellte ein paar Ausstellungshallen (kostenlos) zur Verfügung, und es gab im Vorfeld auch ein
positives Presse-Echo. Den Besucherandrang würde ich als"normal" bezeichnen.
Das Angebot reichte von allem möglichen Selbstgebackenen, -gekochten und -gebastelten über"Kleinkram", wie er auch
von Händlern auf der Straße oder in der S-Bahn angeboten wird, bis hin zu Dienstleistungen (Friseur, Fotograf,
Handwerker).
Insgesamt gab es (wenn ich mich richtig erinnere) so etwa ein halbes Dutzend verschiedene Tauschring-Organisationen
- jede mit ihren eigenen (übrigens: grünen!)"Trueque"-Dollars bzw."Trueques". Einige Tauschringe akzeptieren ihre
Scheine wechselseitig, andere nicht. Um mitmachen zu können, muß man sich anmelden und Mitglied werden - und die
"Spielregeln" akzeptieren. Z.B., daß die"Trueques" nicht gegen Peso getauscht werden dürfen. Auch nicht indirekt. Die
Mitglieder durften ihre Waren nicht gegen Peso anbieten. Ohne Trueques wäre man auf dieser Messe also zum Zusehen
gezwungen gewesen, wenn nicht einer der Organisatoren"Erbarmen" gehabt hätte. Für 2 Peso konnte man eine Zeitung
kaufen - und bekam 6 oder 8 Trueques"Wechselgeld". Und das bei einem"offiziellen" Kurs von 1:1!
Aber das Thema"Kurs" ist ein Kapitel für sich. Hier schien jeder Händler seine eigenen Vorstellungen zu haben. Die
Preise waren - um es einmal vorsichtig zu formulieren - sehr breitgefächert. Vielleicht lag es ja auch nur daran, daß sich
unterschiedliche, sonst räumlich getrennte Tauschringe auf einmal unter einem Dach befanden.
Als Hauptkritikpunkt sehe ich die praktisch nicht vorhandene Verzahnung mit der"normalen" Wirtschaft. Im Gegenteil,
die Organisatoren legen sogar Wert auf diese Trennung.
Dadurch wird aber kleinen Firmen der Einstieg fast unmöglich gemacht. Wenn jemand beispielsweise Kleidung im
größeren Stil herstellen möchte, steht er sofort vor dem Problem, daß er seine Zutaten (Stoff, Garn) in Peso bezahlen
müßte. Und nach dem Verkauf der Kleider hätte er einen großen Batzen Trueques, mit denen er kaum etwas anfangen
kann.
Und außerdem läßt sich nicht ganz wegdiskutieren, daß die Tauschringe die Teilung der Gesellschaft weiter verstärken:
neben dem Dollar als Einkommen der Reichen, dem Peso, mit dem die Durchschnittsbürger (noch) entlohnt werden, den
vielen lokalen Pseudo-Währungen, in denen die Provinz-Angestellten (schon) ihr Gehalt bekommen, den
Einkaufsgutscheinen, die die Regierung als Unterstützung an Arme verteilt, neben all diesen Papierzetteln taucht also jetzt
eine weitere Stufe auf der Leiter des sozialen Abstiegs auf: der Trueque-Dollar, zu nichts kompatibel - und von
vornherein außerhalb der Gesellschaft.
Bis jetzt jedenfalls. Denn wenn die Krise in Argentinien so weiter geht, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die
Gesellschaft"da unten" angekommen ist...
>Kann jemand dort seinen Lebensunterhalt verdienen?
Ganz bestimmt nicht, denn selbst wenn man irgendwo auf dem Dorf lebt, auf Strom, Gas, Telefon"verzichtet" und sich
einen eigenen Brunnen gräbt (ja, es gibt Leute hier, die so leben - müssen), spätestens bei der Grundsteuer ist Schluß mit
Lustig. Der Staat akzeptiert schließlich nur"seine" Scheine.
In einer Stadt wie Buenos Aires dagegen können Tauschringe bestenfalls einen kleinen Teil des Lebensunterhaltes
abdecken. Und das gilt besonders für die ärmeren Teile der Bevölkerung, wo das Dach über dem Kopf (Miete, Strom,
Wasser etc.) locker 3/4 des Einkommens"verschlingt".
Viele Grüße,
Digo
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