- Neues von Hans-Dieter Schulz zur Rezessionslänge - yatri, 20.12.2001, 22:46
- Quelle: Neues von Hans-Dieter Schulz zur Rezessionslänge - yatri, 20.12.2001, 22:46
- Graphik dazu - El Sheik, 20.12.2001, 22:52
- Re: Graphik dazu - JüKü, 20.12.2001, 22:56
- Danke, Sheik! (owT) - yatri, 20.12.2001, 22:56
Quelle: Neues von Hans-Dieter Schulz zur Rezessionslänge
http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/96808.htm
>Deutschlands gute Karten in der Rezession - Risiken am Aktienmarkt
>Am 26. November hat das National Bureau of Economic Research offiziell verkündet, dass sich die Wirtschaft der USA seit März 2001 in einer Rezession befinde, also das Bruttosozialprodukt seit mindestens zwei Quartalen schrumpfe. Von diesem Forschungsinstitut wie auch von anderen Sachverständigen wurde darauf hingewiesen, dass in den USA Rezessionen nach dem Kriege im Mittel 11 Monate dauerten. Seitdem hat sich die Hoffnung verbreitet, im Februar 2002 könne ein neuer Aufschwung beginnen.
>Ein verlässlicher Indikator für die Schwungkraft der Wirtschaft ist die Kapazitätsauslastung. Zeigt sie hohe Werte an, so bedeutet dies Wachstum des BSP und Ausdehnung der Arbeitsnachfrage seitens der Unternehmen. Sinkende Kapazitätsauslastungen hingegen indizieren einen Rückgang der Nachfrage, der sich bis ins produzierende Gewerbe fortträgt und dort zu Anpassungen zwingt. In der Vergangenheit ließ sich beobachten, dass Entlassungen, Pleiten und Rezession in den USA dann auftraten, wenn die Kapazitätsauslastung unter 77 Prozent lag. Der vergleichbare Referenzwert liegt in Deutschland höher, was auch an Unterschieden in den jeweils verwendeten statistischen Methoden liegt.
>Im Chart ist deutlich zu erkennen, wie die Kapazitätsauslastungen in den drei Weltwirtschaftsnationen Deutschland, USA und Japan einigermaßen synchron schwingen. Die USA führen bisher jeden Zyklus an, Deutschland und Japan folgen mit einer gewissen Zeitverzögerung, was nur nahe liegt angesichts des jeweils hohen Exportgrades in Richtung USA.
>Die Rezession von 1981/1982 verlief als einzige zeitgleich in allen drei Nationen. Beim Wachstumsrückgang von 1974/1975 war Deutschland den USA mit Verzögerung gefolgt. Noch deutlicher geschah dies in der Rezession 1990/1991. Auch jetzt hat die deutsche Wirtschaft gerade erst begonnen, an Schwung zu verlieren, während die USA bereits ihr viertes rezessives Quartal in Folge betritt. Die Hoffnung, Deutschland könne relativ glimpflich davon kommen, ist demnach nicht unbegründet.
>Um die eingangs aufgeworfene Frage nach der voraussichtlichen Dauer des Abschwungs zu beantworten, genügt ein Griff in die Statistik-Kiste. Nachkriegsrezessionen hatten zwei jeweils typische Zeitrahmen. Entweder sie dauerten 8 bis 11 Monate oder aber 16 Monate, wie ab 1974 und 1981. Im Augenblick rangiert die US-Kapazitätsauslastung unterhalb der 75 Prozent-Marke, was als Indiz auf den 16-Monats Zeitrahmen gewertet werden kann. Nach dieser Logik könnte der neue Aufschwung im August 2002 beginnen. Dennoch gilt es zu bedenken, dass in den hundert Jahren vor dem zweiten Weltkrieg eine US-Rezession im Durchschnitt ca. 19,5 Monate dauerte.
>Bedenklich stimmt bei der US-Kapazitätsauslastung der seit den frühen Siebziger Jahren intakte Abwärtstrend, der insbesondere in den 1990er Jahren nicht mehr gebrochen werden konnte. Offensichtlich wachsen die Kapazitäten stets etwas stärker als die Produktion. Die OECD-Statistik bestätigt dies, weist sie doch für Investitionsgüter in den letzten sechs Jahren ein im Schnitt vier mal höheres jährliches Wachstum als für Konsumgüter aus. Dahinter verbergen sich die Investments in die neuen Technologien, die für die US-Wirtschaft in den vergangenen Jahren wegweisend war. Angefacht von der Kraft des billigen Geldes und niedriger Zinsen kam es in einigen Bereichen zu teilweise unsinnigen Überinvestitionen. So etwa bei den Glasfasernetzen, die zum Großteil bis heute ungenutzt bleiben. Die Kapazitätsauslastung liegt hier bei lediglich 2,5 Prozent. Die Möglichkeit besteht, daß sich jetzt eine Phase der Desinvestitionen anschließt.
>Leider geht eine solche Zeit nach F.A. von Hayek mit der unangenehmen Begleiterscheinung einer zunehmenden Zahl von Unternehmenspleiten einher, da es gilt, Überkapazitäten abzubauen, also Produktionsanlagen oder Dienstleistungsangebote wieder einzustampfen. In diesem Zusammenhang könnten sich die bisher gesehenen Pleiten am Neuen Markt eventuell nur als Vorläufer einer ernst zu nehmenden Entwicklung entpuppen.
>Interessant in diesem Zusammenhang: Als in der deutschen Gründerzeit um 1870 die Mehrzahl der heutigen Großunternehmen entstanden, folgte fünf Jahre später eine Gründerkrise, eine große Pleitewelle, ehe die neuen Branchen in den Folgejahrzehnten ein stabiles Wachstum erreichen konnten.
>Die letzte starke Überinvestitionsphase hat sich Ende der Achtziger Jahre in Japan abgespielt, als auf dem Höhepunkt der Nachfragewelle die Kapazitäten für Automobile, dem nationalen Exportschlager und Motor des Wirtschaftswachstums, signifikant ausgeweitet wurden. Die Spekulationsblase, die sich am Aktienmarkt und bei Immobilien gebildet hatte -ein Grundstück in Tokio kostete soviel wie halb Kalifornien- kam zum Zerplatzen und die übertrieben hohen Preise fielen wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Übrig blieben Schulden, faule Kredite und vor allem Überkapazitäten mit der Folge von vier Rezessionen seit 1990. Angesichts eines solchen Szenarios wäre eine Dauer der Rezession in den USA von nur 16 Monaten noch vergleichsweise milde.
>In den Jahren 1974/1975 hatten Aktien ihr Tief rund fünf Monate vor Ende der Rezession. Eine stark vereinfachte Anwendung erfährt diese Statistik dieser Tage desöfteren. Es wird argumentiert, die Börse sei seit dem Tief von September sehr stark gestiegen, woraus ein Ende der Rezession im Februar 2002, also rund fünf Monate nach dem Tief, zu terminieren sei. Dieser Zeitpunkt konizidiert mit dem Beginn des Wiederaufschwungs nach einer 11-monatigen Rezession, entsprechend der Länge einer durchschnittlichen Nachkriegsrezession. Es verwundert, daß sich selbst renommierte Adressen dieser Argumentation anschließen, ist sie doch logisch falsch, da sie so tut, als hänge die Frage des wirtschaftlichen Wachstums alleine von der Börse ab.
>Richtig ist, daß die mittlerweile unter 75 Prozent gefallene Kapazitätsauslastung aufgrund der historischen Betrachtung einen Zeitraum von zumindest16 Monaten für die US-Rezession erwarten lässt. Wegen der Folgen des Investitionsbooms könnte eine wirtschaftliche Erholung sogar noch später einsetzen als im August 2002, wie der geschichtliche Vergleich mit Phasen der Überinvestition in Japan 1990 und Deutschland 1870 zeigt.
>Besorgniserregend sind nach wie vor die hohen Bewertungen amerikanischer Aktien, die sich durch das Bewertungsmodell der Fed alleine deswegen rechtfertigen lassen, weil die Zinsen so niedrig sind. Das KGV des S&P 500 Index liegt derzeit bei ca. 37, also mehr als doppelt so hoch wie der historische Mittelwert von 15 und beinahe so hoch wie am Rekordhoch Anfang 2000.
>Angesichts der geschichtlichen Parallelen, der differenzierteren Betrachtung der statistischen Verteilung der Zeitdauer von Rezessionen und vor allem angesichts der hohen KGV-Bewertung könnten die aktuellen Kurse - Dow bei 10000, S&P 500 bei 1150 - noch verhältnismäßig gute Chancen darstellen, sich von amerikanischen Aktien zu hohen Kursen zu trennen.
>Auch ein Dax von 5000 Punkten bietet trotz niedrigerer Bewertung deutscher Aktien noch keine längerfristige Kaufgelegenheit. Es gibt keinerlei technische Hinweise, dass der Bärenmarkt zu Ende ist. Allerdings besteht aufgrund der Phasenverschiebung zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Wirtschaftszyklus die Chance, dass die deutsche Rezession schwächer ausfällt als ihr US-Pendant.
>Die schon im nächsten Monat wieder stärker in den Fokus rückenden Meldungen über die Unternehmensergebnisse könnten die Kursgewinne, die seit September eingetreten sind, bald wieder dahin schmelzen lassen. Noch im vergangenen Quartal hatte etwa First Call, eine der renommiertesten Adressen an der Wall Street, die Unternehmensgewinne rund doppelt so hoch geschätzt, als sie dann tatsächlich eintrafen. Wie stark die Selbsttäuschung der Anleger wieder geworden ist, zeigen einmal mehr die Stimmungsbilder (etwa bei den amerikanischen Kleinanlegern sowie den US-Börsenbriefen) mit 2 bis 4 mal mehr Bullen als Bären im Aktienbereich während der letzten Wochen.
>Dr. H.-D. Schulz/Felix Pieplow
>19.12.2001
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