- Aufruf von ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern zur Politik der rot-grünen Regierung - Philipp Steinhauer, 04.01.2002, 15:35
- Lieber Herr Steinhauer - Turon, 04.01.2002, 17:27
- Auf zu neuen Montagsdemos! Ich wär dabei! Scheiß Politikerparasiten! (owT) - DowJames, 04.01.2002, 19:10
- Sehr guter Beitrag. Solche Leute gefallen mir. - Standing Bear, 05.01.2002, 14:08
Aufruf von ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern zur Politik der rot-grünen Regierung
Aufruf von ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern zur Politik der rot-grünen
Regierung
Wir haben es satt...
Aus eigener Erfahrung mit der Diktatur in der DDR,
aus guter Erinnerung
an politischen Druck und Widerstehen,
an Volksverdummung und Wahrhaftigkeit,
an hohle Phrasen und aufsässige Verse,
an militaristisches Gehabe und grundsätzliche Gewaltlosigkeit,
an Bevormundung und Solidarität.
Und aus jüngster Erfahrung mit der parlamentarischen Demokratie in der
Bundesrepublik
wenden wir uns nicht an den Bundeskanzler, nicht an Rot-Grün, nicht an die
Oppositionsparteien, sondern an Euch, einfache Bürger wie wir.
"Die Kommunikation zwischen Staat und Gesellschaft ist offensichtlich
gestört."
Das war 1989 so. Und das gilt heute wieder.
Wir fühlen uns in wachsendem Maße ohnmächtig gegenüber wirtschaftlichen,
militärischen und politischen Strukturen, die für Machtgewinn und Profit
unsere Interessen in lebenswichtigen Fragen einfach ignorieren. Wir fühlen
uns in unserer Auseinandersetzung mit den aktuellen Problemen unseres Landes
und der Welt mehr und mehr an die uns wohlbekannten Übel der Diktatur
erinnert.
So können wir uns zwar alle vier Jahre bei den Wahlen für eine von vielen
streitenden Parteien entscheiden.
Wir stellen jedoch fest, dass die Programme dieser Parteien mit der Politik,
die sie dann tatsächlich machen, kaum etwas zu tun haben. Die politischen
Losungen in der DDR waren selten lustig, sie werden in ihrer Hohlheit von
den Wahlwerbungen der Parteien heute übertroffen.
Wir haben uns über das Abstimmverhalten der Volkskammerabgeordneten
amüsiert. Angesichts des Abstimmverhaltens der Bundestagsabgeordneten ist
uns das Lachen vergangen.
Wir haben es gelernt, hohle Phrasen und den sinnverkehrenden Gebrauch von
Schlagworten zu erkennen und schadlos an uns abperlen zu lassen:
Früher: Ewige Waffenbrüderschaft; Unverbrüchliche Solidarität;
Friedensdienst (mit der Waffe in der Hand); Erz für den Frieden (gemeint war
das Uran der WISMUT für die russischen Atombomben); Mein Arbeitsplatz - mein
Kampfplatz für den Frieden; Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!
Heute: Kreuzzug gegen das Böse; Ewige Freiheit; Grenzenlose Gerechtigkeit;
Uneingeschränkte Solidarität; Geschlossenheit; Wer nicht für uns ist, ist
für die Terroristen!
Wir haben in der Revolution von 1989 Kopf und Kragen riskiert, um das
verhasste und verachtete System von Bütteln und Spitzeln in der DDR zu
überwinden.
Wir hatten erwartet, dass nach dem Ende des Kalten Krieges auch die
westlichen Geheimdienste abrüsten. Keiner von uns hat jedoch damit
gerechnet, dass nach Beendigung des Kalten Krieges die
Telefonabhöraktivitäten steil ansteigen, dass die von uns abgerissenen
Stasi-Videokameras nur durch neue ersetzt werden.
Wir sind entsetzt darüber, dass heute die Polizei zusammengestrichen und der
Geheimdienst aufgeblasen wird. War denn alles umsonst? Wir wissen, wohin so
was führt. Keiner von uns hat damit gerechnet, dass ein schrecklicher
Terroranschlag in den USA zum Anlass genommen werden könnte, scheinbar
unumstößliche Maßstäbe von Recht und Gerechtigkeitsgefühl in der ganzen
westlichen Welt ins Rutschen zu bringen.
Wir haben nicht vergessen, wie die Gummiparagraphen des politischen
Strafrechts der DDR uns die Luft abgeschnürt haben. Wir greifen uns jetzt an
den Hals, wenn wir lesen, mit welcher Leichtfertigkeit das
Terrorismus-Bekämpfungsgesetz (der sogenannte Otto-Katalog) des
Innenministers und die entsprechenden Entwürfe in anderen westlichen Staaten
und auf europäischer Ebene Gummistricke drehen, die wir glücklich
losgeworden zu sein gehofft hatten.
Wir sind verblüfft und entsetzt, dass unsere Sehnsucht nach Gerechtigkeit
mit höhnischem Gelächter und dem süffisanten Verweis auf den Rechtsstaat
beantwortet wird. Wir sind entsetzt, wie selbstverständlich von hochrangigen
Politikern gebilligt wird, dass die vermeintlichen Anstifter des
Terroranschlags mit einer grotesk übermächtigen Militärmaschinerie umgelegt
werden. Beweise für ihre Schuld? Haben deutsche Politiker bereits die amerik
anische Begeisterung für die Todesstrafe übernommen?
Wir sind entsetzt, mit welcher Dumpfbackigkeit Gegnern des Kriegseinsatzes
in Afghanistan entgegengehalten wird, dass Krieg gegen Terroristen helfen
kann.
Weshalb traut sich niemand an die Waffenhändler in den USA und in der
Bundesrepublik heran?
Weshalb versuchen die USA mit allen Mitteln, die Errichtung eines
Internationalen Strafgerichtshofs zu verhindern?
Natürlich wollen wir, dass ein unabhängiges Gericht und nicht der
Oberbefehlshaber der stärksten Armee der Welt entscheidet, ob die
vorgelegten Beweise eine Verurteilung der vermeintlichen Hintermänner des
Terroranschlags rechtfertigen.
Wir sind entsetzt darüber, dass ganz nebenbei schon die Diskussion um die
Anwendung der Folter salonfähig wird. Sind die Mächtigen in den westlichen
Staaten nicht auf dem besten Wege, Verhaltensweise, Denkstruktur und
Wertesystem einer Terroristenbande anzunehmen?
Wir haben es einfach satt.
Wir haben es satt, dass unter dem Banner von Freiheit und Demokratie gegen
unsere Interessen regiert wird.
Wir haben es satt, uns für dumm verkaufen zu lassen.
Wir haben es satt, uns das platte Geschwätz auf Parteitagen anzutun.
Wir haben Volksvertreter satt, die unsere Interessen nicht vertreten und das
auch noch als Erfolg feiern.
Wir haben einen Bundeskanzler satt, der um der Macht willen Abgeordnete dazu
bringt, ja zum Krieg zu sagen, wenn sie nein meinen, und nein zu sagen, wenn
sie ja meinen.
Wir machen nicht mit, wenn Kriegseinsätze mit Worthülsen wie"Verantwortung
übernehmen","der neuen Rolle Deutschlands in der Welt", mit
"Politikfähigkeit" und"der Durchsetzung der Rechte der Frauen" verharmlost
werden.
Wir verweigern uns diesem Krieg.
Nur eine Diktatur braucht linientreue Parteisoldaten. Demokratie braucht
mündige Bürger. Lassen wir Medien, Parteien, Kultur und Wissenschaft nicht
von röhrenden Funktionären gleichschalten.
Die erbärmlichen und erschreckenden Umstände der rot-grünen Entscheidung für
den Krieg lassen keinen Raum mehr für parteitaktische Spielchen, für die
Sorge um den eigenen warmen Arsch - machen wir endlich den Mund auf!
Reden wir mit unseren Kindern und mit unseren Eltern über diesen Krieg, über
Gerechtigkeit in Deutschland und der Welt und über die Rechtsstaatlichkeit,
die uns zwischen den Fingern zu zerrinnen droht!
Wir haben 1989 gelernt, dass es Sinn hat, zu widersprechen.
Berlin, den 13. Dezember 2001
Sebastian Pflugbeil, Berlin
(Neues Forum, Gründungsmitglied; Mitarbeit Ã-kumenische Versammlung;
Zentraler Runder Tisch; Mitglied der Stadtverordnetenversammlung von Berlin
(Ost) a.D.; Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin a.D.; Minister a.D.;
Nationalpreis 2000),
Wolfgang Ullmann, Berlin
(Demokratie Jetzt, Gründungsmitglied; Mitarbeit Ã-kumenische Versammlung;
Bü90/Grüne, Zentraler Runder Tisch; Minister a.D.; Mitglied der Volkskammer;
Mitglied des Bundestages a.D.; Mitglied des Europaparlaments a. D.),
Hans-Jochen Tschiche, Groß-Ammensleben
(Neues Forum, Gründungsmitglied; Mitarbeit Ã-kumenische Versammlung;
Bü90/Grüne; Mitglied der Volkskammer; Mitglied des Bundestages a.D.;
Nationalpreis 2000),
Leonore Ansorg, Berlin
(Initiative für Unabhängige Gewerkschaften)
Erika Drees, Stendal
(Neues Forum, Gründungsmitglied; Mitarbeit Ã-kumenische Versammlung)
Frank Ebert, Berlin
(Umweltbibliothek; Matthias-Domaschk-Archiv)
Almuth Falcke, Erfurt
(Sprecherin bei der Besetzung der ersten Stasizentrale)
Heino Falcke, Erfurt,
(Probst i. R.; Stellvertretender Vorsitzender der Ã-kumenischen Versammlung)
Hans-Jürgen Fischbeck, Mülheim
(Demokratie Jetzt, Gründungsmitglied; Mitarbeit Ã-kumenische Versammlung;
Mitglied der Stadtverordnetenversammlung von Berlin (Ost) a.D.; Mitglied des
Abgeordnetenhauses von Berlin a.D.; Bundesverdienstkreuz)
Olaf Freund, Dresden
(Neues Forum, Gründungsmitglied; Nationalpreis 2000)
Christian Führer, Leipzig
(Pfarrer in der Nicolai-Kirche; Friedensgebete; Montagsdemo;
Theodor-Heuss-Medaille)
Bernd Gehrke, Berlin
(Initiative Vereinigte Linke; Zentraler Runder Tisch)
Hans-Peter Gensichen, Wittenberg
(Kirchliches Forschungsheim)
Friedrich Hellmann; Potsdam
(Bü90/Grüne; Landes- und Bundesvorstand a.D.)
Jan Hermann, Pulsnitz
(Neues Forum, Gründungsmitglied, Nationalpreis 2000),
Martin Hoffmann, Berlin
(Pankower Friedenskreis, Gründungsmitglied; Amnesty International - Sektion
DDR, Gründungsmitglied)
Renate Hürtgen, Berlin
(Initiative für Unabhängige Gewerkschaften)
Martin Klähn, Schwerin
(Neues Forum, Gründungsmitglied, Nationalpreis 2000),
Thomas Klein,
(Initiative Vereinigte Linke, Gründungsmitglied; Zentraler Runder Tisch;
Mitglied der Volkskammer; Mitglied des Bundestages a.D.),
Lothar König, Jena
(Pfarrer, Junge Gemeinde Jena-Stadtmitte)
Irena Kukutz, Berlin
(Neues Forum; Frauen für den Frieden; Mitglied des Abgeordnetenhauses von
Berlin a.D.),
Michael Kukutz, Berlin
(Neues Forum; ehem. Bundesgeschäftsführer)
Ekkehard Maaß, Berlin
(Deutsch-Kaukasische Gesellschaft),
Heiko Lietz, Güstrow
(Neues Forum, Mitarbeit Ã-kumenische Versammlung; Bü90/Grüne; Zentraler
Runder Tisch)
Wolfgang Musigmann, Erfurt
(Offene Arbeit)
Arndt Noack, Benz
(SDP, Gründungsmitglied)
Christine Pflugbeil, Berlin
(Neues Forum, Gründungsmitglied; Ärzte für den Frieden; Nationalpreis 2000)
Peter Rösch (Blase), Berlin
(Jenaer Friedensgemeinschaft)
Wolfgang Rüddenklau, Berlin
(Umweltbibliothek, Gründungsmitglied)
Sabine Schaaf, Berlin
(Neues Forum, Bundesvorstand)
Walter Schilling, Braunsdorff/Thür.
(Kirche von unten)
Klaus Schlüter, Schwerin
(Grüne Liga, Gründungsmitglied; Zentraler Runder Tisch; Minister a.D.)
Walfriede Schmitt, Berlin (Unabhängiger Frauenverband; Zentraler Runder
Tisch)
Reinhard Schult, Fredersdorf
(Neues Forum, Gründungsmitglied; Zentraler Runder Tisch; Mitglied des
Abgeordnetenhauses von Berlin a.D.; Nationalpreis 2000)
Tom Sello, Berlin
(Umweltbibliothek; Matthias-Domaschk-Archiv)
Steffen Steinbacher, Berlin
(Neues Forum, Landesverstand)
Marianne Subklew-Jeutner, Greifswald
(Initiative Frieden und Menschenrechte; Stadtbezirksverordnete Berlin a.D.)
Catrin Ulbricht, Dresden
(Neues Forum, Gründungsmitglied)
Hans-Jochen Vogel, Chemnitz
(Studentenpfarrer i.R.)
Klaus Wolfram, Berlin
(Neues Forum; Zentraler Runder Tisch; Haus der Demokratie und
Menschenrechte)
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