- Bushs Angst vor - dira, 11.01.2002, 11:34
Bushs Angst vor
<h2>Bushs Angst vor"Enrongate"</h2>
Die US-Börsenaufsicht sowie diverse Staatsanwaltschaften und Kongressausschüsse ermitteln im Fall Enron, der größten Unternehmenspleite der US-Geschichte. Für Präsident George W. Bush wird die Lage zunehmend brenzlig: Enrons Manager gingen im Weißen Haus ein und aus, der Chef des Energieunternehmens war ein Bush-Intimus.
In den frühen Tagen von Watergate warnte Richard Nixons Berater John Dean seinen Chef, die Affäre könne schnell zum"Krebsgeschwür der Präsidentschaft" werden. Ganz so weit ist es im Fall Enron für George W. Bush noch nicht. Aber der Bankrott des Houstoner Energiekonglomerates Enron bereitet dem amerikanischen Präsidenten zunehmend Kopfschmerzen.
Die Zutaten, die man für einen Washingtoner Politikskandal erster Güte benötigt, liegen schon bereit: die größte Unternehmenspleite der amerikanischen Geschichte, eine enge direkte Verbindung zwischen den Bankrotteuren und dem Präsidenten sowie eine Reihe von Wahlkampfspenden. Als Komparsen treten auf: Tausende geprellter Pensionäre und Investoren, zahlreiche Staranwälte und ein ebenso einflussreicher wie ehrgeiziger Bush-Gegner.
Die Energie-Kamarilla
Die Manager des inzwischen unter den Gläubigerschutz des Chapter 11 geflüchteten Energieriesen Enron und die Bush-Administration hatten gute Beziehungen zueinander. Bush nannte Enrons CEO Kenneth Lay häufig"Kenny Boy". Kenny bekam während der Bush-Cheney-Kampagne von seinen Washingtoner Freunden den Titel"Pioneer" verliehen. Zum Club der"Pioneers" durften sich jene zählen, die mindestens 100.000 Dollar für Bushs Wahlkampf gespendet hatten.
Die Enron-Manager waren auch nach der Wahl häufig bei der Regierung zu Besuch. Wie das Weiße Haus inzwischen bestätigt hat, waren Lay oder andere Enron-Manager im vergangenen Jahr mindestens sechsmal bei US-Vizepräsident Dick Cheney oder dessen Beratern zu Gast. Das Letzte der vom Weißen Haus bestätigten Treffen fand im Oktober 2001 statt, kurz vor Enrons Fall. Über Enrons Finanzlage, die sich zu diesem Zeitpunkt täglich verschlechterte, habe man jedoch nicht gesprochen, so die US-Regierung.
Freunde der Familie
Im Oktober 2001 hatte das Unternehmen bekannt gegeben, die Jahresabschlüsse der vergangenen vier Jahre seien auf Grund von"buchhalterischen Fehlern" falsch. Enrons Gewinn müsse um mehr als eine halbe Milliarde Dollar nach unten korrigiert werden. Kurz darauf ließen die Geschäftspartner des Energiehändlers das Unternehmen fallen wie eine heiße Kartoffel, der Kurs stürzte von 85 Dollar auf heute 80 Cent.
Nach Informationen des"Independent" haben mindestens vier Enron-Mitarbeiter für die Bush-Administration gearbeitet und die Ausrichtung von Bushs Energiepolitik maßgeblich beeinflusst."Kenny Boy" Lay sei zudem häufig als informeller Berater bei verschiedenen energiepolitischen Beratungen zu Gast gewesen.
Die Futterkrippe der Politik
Nicht nur Bush muss jetzt zittern. Denn Enron war eine ständige Geldquelle für Washingtons Politiker. Seit 1990 hat das Unternehmen nach Angaben des Center of Responsive Politics, das politische Spenden dokumentiert, insgesamt 5,8 Millionen Dollar für Wahlkampagnen gespendet, davon etwa drei Viertel an die Republikaner.
Zudem verfuhr der Energiehändler bei seinen Spenden ähnlich wie bei seinen Strom- oder Gasgeschäften: Enron versuchte sich durch eine breite Streuung seines Geldes abzusichern. Nach Angaben der britischen Zeitung"Independent" haben 71 der 100 US-Senatoren Zuwendungen von Enron erhalten, dito die Hälfte der 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Es dürfte sich um ein Investment mit Rendite gehandelt haben. Bei einem im Jahr 2000 verabschiedeten Gesetz, das den Handel mit Rohstoff-Termingeschäften regelt, wurden jene Energiederivate ausgespart, mit denen Enron im vergangenen Quartal etwa 90 Prozent seines Gewinns machte.
Seit nicht mehr ausschließlich Afghanistan die amerikanischen Medien beherrscht, wird es für den Präsidenten zunehmend ungemütlich. Neben einer Heerschar von Journalisten ermitteln inzwischen verschiedene Behörden im Fall Enron. Gestern gab das amerikanische Justizministerium bekannt, dass eine eigens eingerichtete Task Force untersuchen werde, ob Enron Anleger und Wirtschaftsprüfer vorsätzlich getäuscht habe. Auch die amerikanische Börsenaufsicht SEC untersucht den Fall. Drei verschiedene Ausschüsse des Kongresses befassen sich ebenfalls mit Enron.
Bushs Nemesis
Besonders unangenehm für Bush: Die Hauptuntersuchung wird vom Kongressausschuss für Regierungsangelegenheiten durchgeführt: Vorsitzender des Gremiums ist der Demokrat Joe Lieberman, der im vergangenen Wahlkampf als Al Gores Vizepräsident kandidierte. Lieberman, dem für 2004 Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt werden, könnte in den kommenden Monaten zu Bushs schlimmster Nemesis werden. Liebermann hat bereits die Frage aufgeworfen, ob bei der Energieberatung, die Enron für das Weiße Haus durchgeführt ist, alles mit rechten Dingen zugegangen sei.
Bisher hält sich Lieberman noch an das Skandal-Drehbuch und verspricht, seine Untersuchung werde eine"Suche nach der Wahrheit sein und keine Hexenjagd". Allerdings werde man"gehen, wohin auch immer uns unsere Suche führen mag". Es könnte eine interessante Reise werden.
Von Thomas Hillenbrand
Quelle
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