- Freigeld und die vergessene Bodenreform - dottore, 09.09.2002, 14:35
Freigeld und die vergessene Bodenreform
-->Hi!
Die"freiwirtschaftliche" Theorie kapriziert sich inzwischen fast ausschließlich auf das"Freigeld", also auf etwas, das"irgendwie" ausgegeben wird.
Diese Ausgabe geschieht entweder (siehe Oldys Gogos) gegen Parität zum Can-$ (entsprechende $-Summen wandern in ein Depot) oder wie in Wörgl gegen erbrachte Leistungen (Käufe der Gemeinde von Sachen oder Diensten in Parität zum damaligen Schilling und unter gleichzeitiger Zusicherung, die ausgegebenen Scheine als Zahlungen an die Gemeinde verwenden zu können) oder gegen garnichts wie es XSurvivor vorschwebt (Pro-Kopf-Zuteilung).
Wie im XSurvivor-Fall der Ausgabe- und Verteilungsmechanismus funktionieren soll, ist unklar. Entsprechende Anfrage-Postings blieben bis heute unbeantwortet.
Was gänzlich unberücksichtigt bleibt, ist der erste Teil der Gesell'schen Theorie, nämlich das Freiland. Erst nach erfolgter Bodenreform, die damals diskutiert wurde (Damschke usw.), sollte die Geldreform angegangen werden. Etwas anderes macht auch keinen Sinn, da der Boden immer ein Abgabenerzwingungsmittel ist und Abgaben in einem"Geld", welcher Art auch immer geleistet werden müssen.
Dazu diese Ãœberlegungen:
Freiland bedeutet nichts anderes als: Grund und Boden werden zunächst staats- oder gesellschaftsmonopolisiert, jeder Nutzer hat danach eine"Pacht" (Bodenrente) zu zahlen.
Zu fragen ist: Womit?
Die Bodenrente dürfte auch bei einer Neu- bzw. Umverteilung des vorhandenen Landes eine der größten, wenn nicht überhaupt die größte Einzelposition sein, die in einer Wirtschaft bewegt würde. Dies entspricht den aktuellen Erfahrungen selbst heutiger Wirtschaftsrealitäten, in denen die Ausgaben für Wohnen einen Großteil der laufenden Einkommen verzehren.
Diese Ausgaben würden bei Freiland noch erheblich steigen, da auch jene, die bisher kostenlos ("bei sich selbst") im bezahlten Eigenheim wohnen, zu Pächtern mutieren würden.
Die Pachtsummen künstlich zu verringern ist nicht möglich, es sei denn, es kommt zu zwangsweisen und damit a priori"ungerechten" Zuteilungen des natürlich knappen Gutes Grund und Boden, was das Problem nicht löst, sondern verschärft.
Die Bezahlung der Pacht ist nicht nach dem bekannten Freigeldmechanismus für Käufe von Waren und Erbringung von Leistungen, d.h. mit Hilfe der Umlaufsicherung zu beschleunigen bzw. zu optimieren.
Die Pacht ist nämlich zu bestimmten Zeitpunkten zu entrichten, die sich nicht verrücken lassen.
Die Märkte für Waren und Dienstleistungen lassen sich mit Freigeld, das künstlich entwertet wird, schneller räumen (Schnellkauf-Syndrom), der Markt für das Pachtgut Boden nicht.
Die als Freigeld, etwa nach den Erfahrungen von Wörgl, ausgegebenen Mengen, um auf Waren- und Leistungsmärkten Effekte zu erzielen, reichen demnach in keiner Weise hin, um auch den großen Kostenblock der Pacht zu bewältigen.
Das Problem war in Wörgl nicht virulent, da es sich um eine Gemeinde gehandelt hatte, in der kaum Mieten angefallen waren, da die Bewohner und Geschäftsleute fast ausschließlich von eigenem Grund und Boden aus operierten. Mietzahlungen in Wörgler Freigeld sind nicht zu ermitteln und wurden von dort auch nicht bestätigt.
Wären die Wörgler zur Zahlung von Bodenpacht verpflichtet gewesen, hätte das Wörgler Freigeld in einem Vielfachen des Tatsächlichen ausgegeben werden müssen. Es ist nach überschlägigen Berechnungen davon auszugehen, dass mit einem Faktor > 1000 zu rechnen wäre. Jedenfalls wäre die tradierte Summe von etwas über 5000 Schilling völlig ungenügend gewesen, um aus Wörgl eine gesamthaft freiwirtschaftliche Exklave zu machen.
Auch eine Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit, etwa durch eine Steigerung der Umlaufgebühr hätte in diesem Falle versagt, da die Pacht nicht schneller bezahlt werden darf als sie fällig ist. Denn ein solches Vorgehen hätte die Pacht ihres Sinns, das Bodenmonopol zu brechen, entkleidet.
Es wären sofort Unterpacht- bzw. Untermiet-Verhältnisse entstanden (wer schneller bezahlt, kann schneller vermieten), die wiederum zu neuen Bodenmonopolen geführt hätten. Unter dem Ober-Monopolisten (Staat, Gemeinschaft) würden sich rasch Sub-Monopolisten einnisten, womit im Grunde gegenüber den aktuellen Zuständen nichts gewonnen wäre.
Als Ausweg aus diesem Mengendilemma böte sich eine gesonderte Währung an, die nur für Pachtzahlungen Verwendung finden kann. Damit würde ein Freigeldsystem zu einer Art Doppelwährung sich verändern und dies mit einem gesonderten Kurs für das Pachtgeld, dessen Rückschleusung in den Umlauf nicht geklärt ist. Doppelwährungen sind auch bei Metallwährungen stets gescheitert.
Es besteht auch die Gefahr, dass - im Falle eines einheitlichen Freigeldes - in Höhe der jeweils zu entrichtenden Pacht dieses normal kursierende Freigeld gestaut wird, um die Mittel zur Pachtzahlung zu akkumulieren. Dies würde den normalen Umlauf von Freigeld in der Güter- und Dienstleistungswelt negativ beeinflussen, wenn nicht gar vollständig konterkarieren.
Außerdem ist ein weiteres Problem zu lösen: Würde die Pacht mit Hilfe von kursantem Freigeld bezahlt, muss es von der verpachtenden Instanz einen Kurs geben, zu dem die Pacht entrichtet wird. Dies würde bedeuten, dass sich die Alternative auftäte, Freigeld mit oder ohne bereits entrichtete Umlaufgebühr zur Pachtzahlung zu verwenden.
Würde es ohne entrichtete Umlaufgebühr akzeptiert, käme die Umlaufgebühr weitgehend in Wegfall. Würde es nur mit Umlaufgebühr akzeptiert, liefe es darauf hinaus, dass die Umlaufgebühr einen De-facto-Aufschlag zur Pachtzahlung darstellt.
Da das Gesell'sche System (Freiland und Freigeld) nur als Einheit gesehen werden kann, muss zunächst das Pachtgeld-Problem gelöst werden, wofür sich bislang noch keine plausible Idee abzeichnet.
Künftige Überlegungen der Freiwirte sollten sich darauf konzentrieren, zunächst die Menge (Summe) des für Pachtzahlungen erforderlichen Freigeldes zu ermitteln. Die Pachtzahlungen, einmal und für sämtliche Wirtschaftssubjekte in etwa gleicher Höhe eingeführt, sind eine Konstante.
Das Boden- und Bodenpachtproblem harrt also dringlich der Behandlung.
Gruß!
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