- Crassus, der Partherfeldzug, USA und Irak. Historische Koinzidenzen? - Bankrunner, 14.02.2003, 10:34
- Re: Crassus, der Partherfeldzug, USA und Irak. Historische Koinzidenzen? - Boyplunger, 14.02.2003, 11:07
- Re: Crassus, der Partherfeldzug, USA und Irak. Historische Koinzidenzen? - Euklid, 14.02.2003, 11:26
- Re: Crassus, der Partherfeldzug, USA und Irak. Historische Koinzidenzen? - Bankrunner, 14.02.2003, 11:47
- Re: Der Ã-lkrieg - Er wird auch um die Vorherrschaft von Dollar und Euro geführt - Dionysos, 14.02.2003, 14:09
- Re: Lass den Gegner über deine Absichten im Unklaren... - chiquito, 14.02.2003, 16:48
- Re: Crassus, der Partherfeldzug, USA und Irak. Historische Koinzidenzen? - Boyplunger, 14.02.2003, 11:07
Re: Der Ã-lkrieg - Er wird auch um die Vorherrschaft von Dollar und Euro geführt
-->Hallo Bankrunner,
habe gerade einen interessanten Beitrag zu Deinen Fragen gefunden.
Ich zitiere zwar ungern Marx-Anhänger, aber die Argumente von Prof. Dr.
Altvater (FU Berlin) sind nicht von der Hand zu weisen.
Elmar Altvater
Die Währung des schwarzen Goldes
DER Ã-LKRIEGEr wird auch um die Vorherrschaft von Dollar und Euro geführt
Die USA würden die von Bush und den anderen Falken angedrohte gewaltsame »Abrüstung« des Irak auch allein schaffen, sie wissen aber, dass sie mit ihrer Aggression das Völkerrecht, die UN-Charta und die Menschenrechte verletzen. Also wird das »neue Europa« ins Boot geholt, so sind es viele Regierungen, die sich des Rechtsbruchs schuldig machen und - wie geflissentliche Advokaten kund tun - auf diese infame Weise »neues Völkerrecht« schöpfen. Der Rechtsbruch im Kollektiv verschafft Erleichterung, Legitimation - und Belohnung.
Bush hat mit Blick auf Russland zum Ausdruck gebracht, dass er dessen »Interessen da unten« verstanden habe. Der republikanische Senator Richard Lugar ließ mitteilen, Frankreich und Russland müssten sich an einem Angriff auf den Irak beteiligen, wollten sie von irakischem Ã-l profitieren. Die Türkei darf Teile des Nordirak besetzen, um einen Kurdenstaat zu verhindern und die Hand nach Mosul und Kirkuk, wo die nordirakischen Ã-lfelder liegen, auszustrecken.
Das Fell des Bären wird schamlos wie in einer Räuberbande verteilt, bevor der Bär erlegt worden ist. Es geht um das schwarze Gold - doch ist die Strategie so simpel, die irakischen Ã-lfelder zu besetzen, unter den Interessenten aufzuteilen und leer zu pumpen? Wohl kaum. Denn dann würde es wahrscheinlich lange dauern, bis die Kosten des Krieges, die auf bis zu 1.000 Milliarden Dollar geschätzt werden, hereinkämen und die diversen Interessen der »Alliierten« befriedigt wären. Dann müssten bei einem unterstellten Preis pro Barrel Ã-l von 30 Dollar 33 Milliarden Barrel verkauft werden - dabei sind die Förder- und Transportkosten wie auch der Profit noch gar nicht berücksichtigt.
Ein hoher Preis, zumal die indirekten Effekte eines Kriegs gar nicht kalkuliert werden können. Was ist mit den zivilen Opfern? Sind das nur bedauernswerte »Kollateralschäden« oder verschaffen die sich nicht vielleicht durch Sabotage auch im schnöde ökonomischen Machtkalkül Geltung? Wird eine neue Generation von »Terroristen« genährt, wie Ex-NATO-Oberbefehlshaber Clark befürchtet? Der Griff nach dem schwarzen Gold des Irak führt in eine schwarze Zukunft. Noch werden diese Fragen ausgeklammert, denn sie stellen die Rationalität des kriegerischen Zugriffs auf das Ã-l des Nahen und Mittleren Ostens sowie Zentralasiens in Frage.
Die schönen Zeiten sind vorüber
Wer die Ã-lreserven beherrscht, hat viele Trümpfe in der Hand. Die Rate der Erschöpfung bekannter Felder liegt seit den neunziger Jahren höher als die Rate neu erschlossener Ressourcen. Die Ausbeutung beträgt derzeit etwa 22 Milliarden Barrel pro Jahr, es werden aber im Durchschnitt nur sechs Milliarden pro Jahr neu erkundet. Der Höhepunkt der globalen Ã-lproduktion ist überschritten; die schönen Zeiten, in denen die Funde neuer Lagerstätten größer waren als die Ausbeute, sind vorüber - sie kommen niemals wieder, wie Geologen bestätigen.
Der Krieg gegen das Taleban-Regime in Afghanistan bot den USA die Gelegenheit, militärisch auch in den zentralasiatischen Ländern Fuß zu fassen, nahe an den neuen Ã-lquellen und in Ländern, durch die Pipelines verlaufen werden, wenn sie denn erst gebaut sind. Außerdem wird Zentralasien geopolitisch aus dem Einflussbereich Russlands und Chinas, aber auch Indiens herausgehalten. Die westeuropäischen Partner Amerikas dürfen in Afghanistan für Frieden sorgen, aber die Stützpunkte in Usbekistan, Kirgisien, Kasachstan oder Turkmenistan halten die USA allein. Es ist, als ob das Sassanidenreich, das sich vor 1.500 Jahren vom Zweistromland bis zum Hindukusch dehnte, unter transatlantischer Führung, von Washington gelenkt, neu erstehen sollte.
Gerade angesichts steigender Nachfrage nach dem schwarzen Stoff, da Länder wie China oder Indien bei der Industrialisierung nachziehen wollen, ist die Herrschaft über Ã-lproduktion und Ã-lmarkt entscheidend. Wer meint, bei der Versorgung mit diesem Treibstoff der Industriegesellschaften würden Marktgesetze mit »unsichtbarer Hand« wirken, ist blind für die sehr sichtbare Hand der politischen und militärischen Macht. Es geht um die Herrschaft über die bekannten Reserven und den Zugang zu den vermuteten - um die Fähigkeit, den Ã-lpreis zu beeinflussen und die Währung, in der er fakturiert wird.
Die Herrschaft über alte und neu hinzu kommende Reserven ergibt nur dann einen Sinn, wenn sich auch die Preisbildung kontrollieren lässt. Zunächst kann die OPEC vergessen werden, wenn die USA als das größte Ã-l-Verbrauchsland am Preishebel sitzen und nicht mehr die Förderländer und ihr Kartell. Der Ã-lpreis wird sicherlich nicht nach ökologischen Kriterien gestaltet, um die Produktion und Konsumtion vom Ã-l unabhängiger zu machen und alternative Energien zu fördern.
Der Preis des Ã-ls kann nach oben geführt werden, um die Ausbeutung nicht-konventioneller Ã-lreserven, vom Ã-lsand und Ã-lschiefer bis zum Ã-l aus der Tiefsee und zu Gaskondensaten, rentabel zu gestalten. Ein hoher Ã-lpreis könnte auch Voraussetzung für die Rentabilität jener Fördergebiete sein, die hohe Transportskosten aufweisen (Pipelines vom Kaspischen Meer zu Häfen am Golf, am Mittelmeer oder Indischen Ozean). Nicht nur wegen der größeren Knappheit des Ã-ls steigt der Preis, auch aus geostrategischen Gründen.
Für die USA wäre ein steigender Ã-lpreis nicht nur nachteilig. Teures Ã-l würde China und Japan und andere Konkurrenten treffen. Auch das »alte« ebenso wie das »neue« Europa würden Nachteile haben, so lange das Ã-l in Dollar fakturiert wird. Die Kontrolle über einen großen Teils des Angebots auf den globalen Ã-lmärkten durch die USA würde dafür sorgen, dass die Ã-lrechnungen auch in Zukunft in Dollar ausgestellt werden - möglicherweise ein entscheidendes Motiv, um den Irak mit brutaler Konsequenz zu unterwerfen.
Der Super-Gau für Bush
Für die USA ist dies ein Märchen aus tausendundeiner Nacht, denn sie würden den Lebenssaft ihrer Ã-konomie fast umsonst bekommen. Die Druckerei der Federal Reserve verwandelte sich in eine sprudelnde Ã-lquelle. Dollars könnten in jeder gewünschten Menge »gedruckt« werden, um das Ã-l zu importieren. Die goldenen Zeiten des »twin-deficits«, die der US-Mittelklasse einen Konsumrausch in den Neunzigern bescherten, ließen sich fortsetzen. Das Ã-l wäre sozusagen der Wertanker des Dollars, eine multifunktionale Waffe in der Währungskonkurrenz, vor allem mit dem Euro.
Allerdings kann diese Strategie einer Inflationierung der Weltwirtschaft auch scheitern. Die großen Ã-lfirmen würden zwar mitspielen, denn es käme ihnen durchaus zupass, würden Ansprüche an die seit 1972 verstaatlichten und nach einem Krieg reprivatisierten irakischen Ã-lreserven durchgesetzt. Auch ein Teil der Rüstungsfirmen würde gewinnen, doch verlieren dürften nahezu alle anderen Branchen, die nicht im Ã-l- und Rüstungsgeschäft engagiert sind, die Konsumenten, der Finanzsektor. Und sollte der Krieg nicht schnell zu Ende gebracht werden können, dann wären auch eine Flucht aus dem Dollar und mithin dessen Abwertung denkbar.
Das wäre der Super-Gau der Bush-Regierung. Das Ã-l würde nicht mehr in Dollar, sondern beispielsweise in Euro fakturiert. Oder der Preis würde wie 1973 abrupt steigen, sofern sich eine Gelegenheit wie damals der israelisch-arabische Krieg bietet. Bei einem Handelsbilanzdefizit der USA von annähernd 550 Milliarden Dollar 2002 würde die Finanzierung notwendiger Ã-limporten in Fremdwährung für die USA ein nahezu unlösbares Problem, denn die eigene Produktion ist um jährlich zirka 300.000 Barrel rückläufig. So könnte der Schlacht um das Ã-l, um die Herrschaft über Reserven und Preisbildungen, die Schlacht um die Währung folgen, in der das Ã-l fakturiert wird. Die Währungskonkurrenz zwischen Dollar und Euro und Yen dürfte zum Währungskrieg eskalieren. Der derzeitige Konflikt zwischen »altem« und »neuem« Europa würde sich zuspitzen, und zwar in der Frontstellung zwischen den Mitgliedern von Euroland und den anderen Europäern. Spanien und Italien müssten wohl die Fronten zum »alten Europa« wechseln.
Vielleicht wird es nochmals eine kurze Phase niedriger Ã-lpreise geben, wenn der Krieg kurz ist und die Förderung auf den irakischen Felder schnell hoch gefahren werden kann. Langfristig jedoch wird der Ã-lpreis unweigerlich steigen. Dabei stellt sich die Frage, in welcher Währung. Das ist ein Kern des Kriegs um das schwarze Gold. Und daher kommt es schon heute darauf an, nach alternativen Energien zu suchen, also die solaren Energieträger zu entwickeln, zumal diese nicht den Nachteil der fossilen Energieträger haben, dass sie das Klima aufheizen. Insofern ist die US-Politik konsequent. Sie greift nach den fossilen Energieressourcen, und sie weigert sich zugleich, die Emissionen von Kohlendioxid, wie im Kyoto-Protokoll vorgesehen, zu begrenzen. Und sie ist bereit, einen Krieg anzuzetteln. Das schwarze Gold hat nur eine schwarze Zukunft.
http://www.freitag.de/2003/08/irakkrise.php

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