- Über Prof. Auriti’s alternatives Geldexperiment"Simec" - Kleinanleger, 16.10.2000, 19:49
- Re: Über Prof. Auriti’s alternatives Geldexperiment"Simec" - dottore, 16.10.2000, 23:37
- Re: Über Prof. Auriti’s alternatives Geldexperiment"Simec" - Diogenes, 17.10.2000, 11:30
- Re: Über Prof. Auriti’s alternatives Geldexperiment"Simec" - Kleinanleger, 17.10.2000, 17:25
- Re: Über Prof. Auriti’s alternatives Geldexperiment"Simec" - Diogenes, 17.10.2000, 11:30
- Re: Über Prof. Auriti’s alternatives Geldexperiment"Simec" - dottore, 16.10.2000, 23:37
Re: Über Prof. Auriti’s alternatives Geldexperiment"Simec"
>Don Giacinto und die Notenbanker
ist eine wundervolle Story! Das nächste Freigeld-Experiment!
>Eine italienische Ortschaft experimentiert mit einer neuen Währung. Eine Spinnerei? Erfinder Giacinto Auriti irritiert sogar die Zentralbank.
>Von Oliver Meiler, Guardiagrele
>Zwei Gartentische und zwei Holzstühle machen noch keine Bank. Aber etwas Ähnliches ist das Borsino, eine Art Wechselstube in einem vornehmen Palazzo aus dem 15. Jahrhundert in der Altstadt von Guardiagrele, einem Ort mit 12 000 Einwohnern in der Region Abruzzen. Auf dem Tisch liegt ein Stapel Noten, dahinter sitzen zwei Damen, die für 1000 Lire 1000 Simec herausgeben.
Soweit ist doch alles okay. Frage: Was machen die Damen mit den Lire-Noten?
>Simec? Die Abkürzung steht für Simbolo econometrico di valore indotto, ökonometrisches Symbol für induktiven Wert. Der Fünfhunderter ist braun, der Tausender violett, der Hunderttausender mokkafarben. Auf den Scheinen steht"Besitztum des Trägers", links daneben ein Hologramm mit einem Adler. Der Simec, so sagen die Menschen hier, ist die Währung des Volkes. Er hat sie über Nacht reich gemacht - und auch berühmt. Das"Wall Street Journal" war bereits hier, und auch das russische Fernsehen hat sich angemeldet.
Die Währung des Volkes ist und bleibt die Lira. Denn selbst ein mokkafarbener 1oooooer wird dagegen ausgegeben.
>Ungerecht und undemokratisch
Ist die Welt als solche. Aber das kennen wir schon.
>Am Anfang der Geschichte steht Giacinto Auriti, ein 77-jähriger pensionierter Universitätsprofessor, den die Guardiesi ehrfürchtig Don Giacinto nennen oder auch Maestro, Meister. Die Auritis sind eine alte Grossgrundbesitzerfamilie, die reichste im Städtchen. Don Giacinto, der Rechtsgelehrte, hat eine fixe Idee. Er glaubt, dass ein Grundübel, an dem die Menschheit leide, die Erfindung der Zentralbank sei."Die Notenbanken", sagt Auriti,"drucken Geld und lehnen es aus." Mit anderen Worten: Anstatt es den Bürgern zu geben, schleusen die Zentralbanker das Geld ins Bankensystem, wo es nur gegen Zinsen zu haben ist. Mit der Emission von neuem Geld bestimmen sie dessen Wert. Das findet Auriti ungerecht, geradezu undemokratisch.
So, es gibt demnach eine Bank alldort, wo es Geld zum Nullzins gibt. Ich fahre sofort hin, tausche die dort erhältlich Simec gegen Lire und verleihe diese weiter. Das mache ich schon Morgen und ich nehme richtig viel Lire mit (damit ich die erst Mal in Simec tauschen kann, um sie dann an mich selbst in Form von Nullzins-Bankkrediten in Simec auszuleihen - herrlich!).
>Der Bürger wird also zwangsläufig Debitor, dabei müsste er, so der Professor, Kreditor der Bank sein. Schliesslich sorge das Volk für Wachstum, seien die arbeitenden Menschen der Motor der Wirtschaft.
Siehe schon Marx (auch hier schon gequotet:"Die wahre Quelle des Reichstums ist die Arbeit." Recht hat er!).
>So weit seine These, die er seit 34 Jahren energisch vertritt. So energisch, dass er Anfang 1993 den damaligen Gouverneur der Banca d'Italia, Carlo Azeglio Ciampi, des Betrugs, des Wuchers und der Anstiftung zum Selbstmord anklagte. Die Anzahl der Freitode nehme zu, sagt Auriti, weil immer mehr Menschen ihre Schuldenlasten nicht mehr ertrügen. Dafür also verklagte Auriti den Notenbankchef. Der Fall wurde archiviert.
Klar, weil ja nicht der arme Ciampi was dafür kann, dass jemand Schulden macht (heute ist er obendrein Staatsoberhaupt und neben der Queen im TV zu bestaunen).
>Und so machte sich der Professore daran,"des Volkes Geld" zu drucken, den Simec eben. Das war im letzten Frühling, wahrscheinlich in England. Wo genau, das bleibt Auritis Geheimnis. Im Juli dann kamen die Noten in Guardiagrele in Umlauf. Auriti hatte den Guardiesi versprochen, deren Lire 1 zu 1 in die Parallelwährung Simec zu tauschen, wobei der Simec dann beim Kauf in gewissen Läden zweimal mehr wert sei als die Lire. Wie das? Und vor allem: Darf einer sein eigenes Geld drucken? Noch rätselten die Guardiesi über die Initiative ihres exzentrischen, aber gewitzten Don Giacinto.
Zweimal mehr wert als die Lira? Jetzt leihe ich mir schnell noch einen 40-Tonner, damit ich auch genug Lire unterbringe.
>Unterdessen hatte sich ein Viertel der rund 200 Geschäfte im Städtchen bereit erklärt, den Simec als Zahlungsmittel zu akzeptieren - und zwar für 50 Prozent des Kaufs, die andere Hälfte des Preises in Lire.
Das haut ja mathematisch nicht hin - oder? Ich bin enttäuscht! Muss ich den 40-Tonner wieder abbestellen?
>Den so in einer"Gewerkschaft gegen den Geldwucher" verbündeten Händlern hatte Auriti versprochen, er erstatte ihnen den doppelten Wert zurück, wenn sie ihre Simec wieder in Lire eintauschten. Wer also 1000 Lire ins Borsino trug, verliess die Stube mit 2000 Lire. Der eingangs in Kauf genommene Verlust von 25 Prozent wurde so gedeckt. Wie soll das möglich sein, ohne dass jemand Geld drauflegen muss? Nun, Auriti behauptet, ausser den Investitionen zur Einführung der Währung, seien ihm keine Kosten entstanden. Der Geldtheoretiker erläutert das Phänomen des schnell zirkulierenden Geldes anhand eines Dynamos, der desto mehr Licht spende, je schneller er angetrieben werde. Wirklich erleuchtend ist das für den Laien noch immer nicht.
Doch, wir haben das eben erst in Albanien erlebt - den Klassiker des Pyramidenspiels. Und Albanien hat bis 1945 zu Italien gehört. Der Wundermann ist vermutlich Albaner?
>Doch der Bevölkerung gefiel der mysteriöse Mechanismus. Bereits in den ersten Tagen haben die Guardiesi gesamthaft umgerechnet eine halbe Million Franken in Lire von ihren Bankkonten abgehoben, um sie bei Auriti in Simec umzutauschen. Darauf kauften sie die Läden leer, die in ihren Schaufenstern das Schild mit dem Vermerk aufhängt hatten:"Hier werden Simec akzeptiert." So soll es eine ältere allein stehende Dame gegeben haben, die im Lebensmittelladen schnell 40 Kilogramm Parmesan gekauft habe. Ein Herr, so heisst es, liess sich gleich 100 Büchsen Thon über den Ladentisch reichen. Als fürchteten sie, die Aktion werde bald wieder abgebrochen. Andere leisteten sich einst unerschwingliche Designerschuhe oder Schmuckstücke im Laden an der Via Roma. Aus der ganzen Region kamen sie angereist. Guardiagrele erlebte einen unverhofften Boom.
Ja, bis dann ganz Italien Parmesan und Thunfischbüchsen bis unters Dach gelagert hat. Ich bleibe wohl doch besser hier...
>Waren wurden billig wie nie zuvor
Doch billiger waren sie schon früher. Immer früher, weil in Italien (eine Lira war mal = 1 Schweizerfranken) immer nur steigende Preise gekannt hat.
>Der Juwelier Fulvio Dicintio erzählt, er habe dank des"Maestro" seine Einnahmen verdoppelt, nachdem es mit seinem Laden in den letzten sechs Jahren nur noch bergab gegangen war. Die Besitzerin des Kleidergeschäfts Mimo weiss zu berichten, dass sie jetzt jeweils rund 30 Kunden habe am Tag, während es früher nur etwa fünf waren. Rosetta Pietroni macht erst seit zwei Wochen mit. Sie musste wohl. Die mit Don Giacinto verbündeten Händler waren geradezu unschlagbar billig geworden, ohne dabei den Kunden Rabatte zu gewähren.
Toll, sollte noch Ware da sein? Ich muss dann doch wieder den 40-Tonner einspannen.
>Der Simec hat den örtlichen Gewerbeverband gespalten. Und so kam es, dass im August eine Gruppe skeptischer Geschäftsleute in Guardiagrele die Justiz aufforderte, Auritis Handeln zu prüfen. Darauf trat die Finanzpolizei auf den Plan und beschlagnahmte den Simec: Kassetten voller Scheine trugen sie aus dem Borsino - unter dem Protest der Guardiesi. Nur, bereits einen Monat später hob das Provinzgericht in Chieti die Massnahme auf und gab den Simec wieder frei. Dem Professor konnte kein gesetzliches Vergehen nachgewiesen werden, da die Händler aus freien Stücken und mit eigenem Risiko am Experiment teilnahmen. Jetzt läuft eine neue Untersuchung auf höherer Ebene. Die Zentralbank ist irritiert und überlegt sich, das Projekt zu stoppen.
Die Zentralbank ist immer irritiert. Rechnen können die noch weniger als der Finanzvorstand von EM.TV.
>Doch für Auriti ist die Schlacht vorerst einmal gewonnen. Der Bürgermeister von Guardiagrele, der Linksdemokrat Francesco Caramanico, freut sich mit dem Professor. Der Simec habe das abgelegene Dorf auf einen Schlag wohlhabender gemacht. Und der strenggläubige Katholik Auriti meint zufrieden:"Ich habe das Geld in der Tasche der Leute verdoppelt, habe einem leblosen Körper neues Leben eingehaucht."
Lazarus freut sich ganz besonders. Endlich wissen wir, wie es damals wirklich war.
>Nichts als Romantik? Auriti nennt es eine Revolution, die nun langsam die ganze Region ansteckt. Numismatiker rennen ihm die Türen ein. Leute im Ort wollen ihn für den Nobelpreis vorschlagen. Ein Student an der Univerität von Teramo, wo Auriti lange gelehrt hatte, schreibt eine Doktorarbeit über den Simec und dessen Erfinder."Ich drucke Geld und gebe es den Leuten", sagt Auriti immer wieder, das sei halt etwas anderes als auslehnen.
Gibt es den Leuten? Gegen Lire, klaro. Also was tut er wirklich?
>Da hat er wohl Recht. Wenns schief gehen sollte, dann würde er alles aus seiner Tasche berappen. Aber so weit komme es nicht. Er hat sich die Sache mit dem Simec gut und lange überlegt. Und dann sagt er noch:"In Guardiagrele gibt es viele Verrückte, aber nur ganz wenige Dummköpfe."
Das findet der geneigte Leser auch. Wie könnte ein Professor auch jemals ein Dummkopf sein?
>Gefunden in [ Freiwirtschaft - Marktwirtschaft ohne Kapitalismus ]
Lieber dort lassen, wo der Fundort war.
Den 40-Tonner jetzt endgültig abbestellt habend
grüßt
d.
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