Re: Alles steht bei William Shakespere. Wiefelspütz wie MacBeth an der Tafel

verfasst von Tempranillo, 29.09.2004, 15:37

-->Hallo,

wie Ihr vielleicht wißt, bin ich seit langem der Ansicht, daß das Kulturelle bei uns dramatisch unterschätzt wird.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein und es sind zuallererst Kunst, Kultur und Wissenschaft, wodurch wir uns von den Tieren unterscheiden.

Abgesehen von diesem Sachverhalt, den man angesichts der drängenden ökonomischen Probleme für absolut nebensächlich halten könnte, lasse ich mir nicht ausreden, daß ein gewisser kultureller Hintergrund ein äußerst wirksames Gegenmittel ist, um die amerikanisierte Gehirnwäsche an sich ablaufen zu lassen.

Was soll ein Mensch an New York gut finden, wenn er mal Venedig, Florenz, Rom und Paris gesehen hat? Wie kann man die an Ludwig Thoma und Oskar Maria Graf erinnernde, ordinäre, in Misthaufen und Freiluft-Fick wühlende Kraftlackl-Literatur eines Ernest Hemingway gut finden, wenn man Thomas Mann, Karl Kraus, Friedrich Nietzsche, Otto v. Bismarck, Montaigne, Montesquieu, Flaubert, Zola und andere gelesen hat?

Was soll ich mit den unsäglichen Hollywood-Fäkalien anfangen, wenn ich weiß, was die ureuropäische Film- und Theaterkunst an seelischem Tiefgang bieten kann? Will im Ernst jemand, sagen wir mal Rainer Werner Faßbinder, mit einem Steven Spielberg vergleichen, dessen größtes Vermögen darin besteht, die Exkremente einer halbverdauten Vergangenheitsbewältigung auf die Leinwand zu bringen?

Das alles, davon bin ich mehr als je zuvor überzeugt, ist nicht nur eine rein ästhetische Angelegenheit. Das hat unmittelbare und sofort spürbare politische Folgen. Meinen Verdacht, daß wir einem Kulturkampf ausgesetzt sind, der uns zwingen soll, 2000 Jahre Deutschland einzig und allein auf Adolf Hitler und das Dritte Reich zu beziehen, habe ich mehrfach aufgetischt.

Im Moment will ich auf etwas anderes hinaus: Wer eine auch nur ungefähre Erinnerung an Shakespeares MacBeth hat, dem wäre sofort die Parallele zu Dieter Wiefelspütz aufgefallen, als sich gegen seine eigentliche Absicht die Wahrheit in seinen Formulierungen ein Ventil verschafft hat.

Das hier meine ich:
>Wiefelspütz begann damit, die Abgeordneten als frei gewählte Repräsentanten des Volkes zu bezeichnen.
"Und von ihnen gehen auch alle Gesetzesinitiativen aus"

Ich bilde mir ein, durch meine, wenn auch nur rudimentäre Kenntnis der Shakespeare´schen Dramen, sofort alarmiert worden zu sein. Ich habe mich schlagartig an eine Szene aus MacBeth erinnert, wo der Titelheld an einer festlichen Tafel sitzt, und ohne wirklich ersichtlichen Grund auf seinen alten Gefährten Banquo zu sprechen kommt, den er zuvor hat ermorden lassen.

Lest mal folgenden Auszug aus Shakespeare´s Stück:

Macbeth:
"Hier wären alle unsre Edeln nun,
Die Zierden unsers Königreichs, beisammen,
Wenn unsers Banquo schätzbare Person
Zugegen wäre. - Möcht' ich ihn doch lieber
Der Ungefälligkeit zu zeihen haben,
Als eines Unfalls wegen zu beklagen!"
[..]

Und hier bedauert er den von ihm selbst befohlenen Mord:

Macbeth:
"Es ist von jeher Blut
Vergossen worden, schon in alten Zeiten,
Eh menschliche Gesetze noch die friedliche
Gemeinheit säuberten. - Ja, auch hernach
Geschahen Morde gnug, zu gräßlich schon
Dem Ohre. Sonst, wenn einem das Gehirn
Heraus war, starb der Mann, und so war's aus.
Jetzt steigen sie mit zwanzig Todeswunden
An ihrem Kopfe wieder aus dem Grab
Und treiben uns von unsern Stühlen. - Das
Ist noch weit seltsamer, als solch ein Mord."

Wiefelspütz ist bestimmt nicht der einzige Politiker, bei dem man einen MacBeth-Banquo-Komplex diagnostizieren könnte, der bei Leichenbegängnissen wie im Falle von Herrhausen, Rohwedder, Barschel u.a. seine dekadentesten Blüten treibt.

Am Beispiel Shakespeares ließe sich auch vorzüglich darstellen, wie nebensächlich es doch ist, ob ein Text original ist oder eine Fälschung. Es kommt doch auf den Inhalt an, oder; im Drama genauso wie bei Protokollen?

Was würde sich an den grandiosen Stücken ändern, wenn sie nicht mehr vom Sohn des Handschuhmachers aus Stratford-on-Avon geschrieben worden wären, sondern von einem Earl of Oxford?

Tempranillo

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