- Debitismus-"Abschiedsbilanz":"Positive" und"nützliche" Aspekte des Modells! - moneymind, 10.09.2005, 01:36
- Re: Debitismus-"Abschiedsbilanz":"Positive" und"nützliche" Aspekte des Modells! - thoughtful, 10.09.2005, 04:24
- Re: Mises - moneymind, 10.09.2005, 12:55
- Re: Determinismus - Fremdwort, 10.09.2005, 14:15
- Re: Determinismus - thoughtful, 10.09.2005, 15:42
- Re: Determinismus und Energieerhaltungssatz. - Fremdwort, 10.09.2005, 15:56
- Re: Determinismus und Energieerhaltungssatz. - thoughtful, 10.09.2005, 16:11
- Re: Philosophie der Energieerhaltung - moneymind, 10.09.2005, 16:48
- Re: Philosophie der Energieerhaltung - Fremdwort, 10.09.2005, 17:02
- Re: später vielleicht - moneymind, 10.09.2005, 23:15
- Re: Philosophie der Energieerhaltung - Fremdwort, 10.09.2005, 17:02
- Re: Determinismus und Energieerhaltungssatz. - Fremdwort, 10.09.2005, 15:56
- Re: Determinismus - thoughtful, 10.09.2005, 15:42
- Re: Debitismus-"Abschiedsbilanz": / Klasse Beitrag! (o.Text) - ---Elli---, 10.09.2005, 12:50
- Re: Debitismus-"Abschiedsbilanz":"Positive" und"nützliche" Aspekte des Modells! - thoughtful, 10.09.2005, 04:24
Debitismus-"Abschiedsbilanz":"Positive" und"nützliche" Aspekte des Modells!
-->
Hi,
noch ein paar ergänzende Gedanken nach dem Lesen Eurer Antworten (für die vielen Dank!), die mir bei dem Versuch, mit dem Thema „Wirtschaftstheorie“ endlich abzuschließen (für mich ähnlich schwierig wie mit dem Rauchen aufzuhören), im Kopf herumschwirren.
Ist eigentlich mehr Selbstverständigung/Selbstgespräch, aber vielleicht ist ja der eine oder andere Gedanke für den einen oder die andere hier im Board auch interessant/nützlich. Wer meint, für ihn sei nix dabei, den folgenden egomanischen Monolog bitte einfach ignorieren.
Nochmal danke an den Banditen für die Frage - habe alle Antworten sehr gern gelesen. Spezieller Dank an Toni, die/der (whatever) mich sozusagen zu meinem Beitrag inspiriert hat.
Nachdem ich mir mein Posting (331739) nochmals mit etwas Abstand (1 Tag) angeschaut habe, kam es mir doch so vor, als ob ich dem Debitismus da nicht ganz gerecht geworden bin, obwohl ich zu meinen Aussagen in Bezug auf Anwendbarkeit und Nützlichkeit und meiner Konsequenz, mich anderen Dingen zuzuwenden statt ewig weiter über historische Ursprünge und „primae causae“ nachzudenken, nach wie vor unverändert stehe.
Deshalb (hoffentlich!) kurz zur Korrektur und Präzisierung:
Ich meine nicht, eine „debitistische“ Sicht der Wirtschaft sei grundsätzlich und vollkommen nutzlos und überflüssig, und wer sich weiter damit beschäftigt, gehöre zu den „wirklich Dummen“ während die, die die Entwicklungen ignorieren, nicht dumm sondern in Wirklichkeit viel schlauer wären.
Sorry wenn dieser Eindruck entstanden sein sollte, ich hatte da (mit Absicht) etwas provokativ formuliert und überzeichnet (wie in einer Karikatur).
Ich habe den höchsten Respekt vor diesem Forum - die Themen die ihr hier diskutiert, das Niveau auf dem ihr das tut und --- das wichtigste --- die respektvollen Umgangsformen, die dabei hier fast immer herrschen und von denen ich mir echt ne Scheibe abschneiden könnte, finde ich höchst bewundernswert. Hut ab!
Also, ich wollte mit meinem Posting nicht auf Euch eindreschen, sondern mal ein paar Gedanken etwas provokativ formulieren, auch für mich selber, weil ich gerade dabei bin, hier umzudenken und mich umzuorientieren.
In diesem Sinne, for those who it may concern, Fortsetzung meines Selbstverständigungsmonologs (if irrelevant to you, please ignore!):
Ich halte den Debitismus nicht für grundsätzlich „nutzlos“ (ich wäre ja blöd, etwas, in das ich viel Zeit gesteckt habe, als grundsätzlich nutzlos zu bezeichnen!).
Ich denke, das ist er „nur“ in Bezug auf das Ziel, Handlungsalternativen und „bessere“ Strategien (für individuelle Vermögensanlage, Wi-Politik, Entwicklungspolitik etc.) zu entwickeln.
Das war für mich aber eben ein wichtiges Ziel bei meiner Beschäftigung damit. Ich sehe die Aufgabe von „wissenschaftlichen Analysen“ halt einfach darin, neue Handlungsalternativen zu eröffnen, Ziele zu erreichen etc. und nicht einfach nur in der Erkenntnis der „reinen Wahrheit“. Schlüssigkeit und Erklärungskraft eines Modells sind wichtige Kriterien, für mich letztlich aber der Ziel- und Anwendungsorientierung untergeordnet.
Wobei man seine Ziele im Forschungsprozess aber meiner Meinung nach möglichst bewußt außen vor lassen sollte --- man kann ja schlecht Ergebnisse, die den eigenen Zielen widersprechen oder entgegenzustehen scheinen, einfach ignorieren. Soviel Ehrlichkeit muß dann schon sein. Ich konnte leider an so manchem Marxisten beobachten, wie leicht es ist, sein „Theorieverständnis“ kreativ nach vorgefaßten utopischen Idealen der „Gerechtigkeit“ oder „Freiheit“ zu strukturieren, die Schlüssigkeit der theoretischen Analyse dabei aber völlig verkommen zu lassen und theoretische Widersprüche zugunsten der „Utopie“ einfach zu ignorieren. So geht´s meiner Meinung nach net!
Insofern habe ich großen Respekt vor dottore -- denn daß er sich bei der Forschung und Theoriebildung von vorgefaßten Idealen oder Zielen leiten läßt, kann man meiner Meinung nach wirklich nicht behaupten. Ich denke, dottore versucht wirklich sowas wie „ehrliche Modellbildung“, ganz illusionslos und nüchtern, und eine ähnliche Haltung sehe ich bei vielen hier im Board, die sich intensiv in diese Fragestellungen reinknien. Und das finde ich im Grunde auch genau richtig und sympathisch, denn mit so einer Haltung habe ich auch versucht, an das Thema ranzugehen.
Marx (in seinen späteren Jahren!) übrigens auch: ist kein Zufall, daß sich viele Sozialisten in ihren moralisierenden Reden meist auf die Marxschen Frühschriften bezogen haben --- die, die er als Jungspund verfaßt hat, als er von Ã-konomie noch wenig Ahnung hatte. Aber das nur am Rande --- Marx ist ja vorläufig out, könnte aber ja sein daß das nicht so bleibt. (Staatsproblem ist bei Marx übrigens nur ganz rudimentär behandelt, obwohl das von ihm geplant war --- im dritten Band des „Kapital“, den er unfertig in seiner Schublade liegengelassen hat und den Engels nach seinem Tod aus Fragmenten zusammengestellt hat. Ich gebe also dottore völlig recht, wenn er sagt, daß fast alle Behandlungen des Staatsproblems in der ökonomischen Theorie unbrauchbar sind - ist auch mein Eindruck).
Bei dottore habe ich allerdings manchmal doch das Gefühl, daß er (vielleicht nicht immer bewußt) doch so etwas wie einen (mir recht unrealistisch erscheinenden) anarchistischen Freiheitsbegriff im Hinterkopf hat, z.B. wenn er solche Sachen sagt wie „Freiheit und Staat schließen sich aus“, „frei ist nur wer seine eigene Republik gründet“ etc. Dem jungen Marx gar nicht so unähnlich (der ja vom „Absterben des Staats“ geschwärmt hat etc.)! Aber die Freiheitsdiskussion will ich hier nicht aufmachen (zu weites Feld). Ich habe aber manchmal den Eindruck, daß bei der Diskussion über den historischen Ursprung von Macht, Handel, Freiheit etc. hier auch verdeckt oder unbewußt „Glaubenskriege“ ausgefochten werden und frage mich manchmal, ob es nicht sinnvoll wäre, mal direkt auf dieser oft implizit bleibenden Ebene der persönlichen Werte oder Ethik der einzelnen Diskussionsteilnehmer zu diskutieren (was genau ist z.B. Freiheit für jeden von Euch? Freiheit wovon, Freiheit wozu? Wie wichtig ist sie Euch im Verhältnis zu, sagen wir mal, „Wohlstand“ etc. etc.) statt diese Fragen im Gewand von vermeintlich objektiver und wertfreier Geschichtsforschung zu diskutieren oder unthematisiert mitzutransportieren. Aber dafür ist hier nicht die Stelle und jetzt nicht die Zeit.
Lieber zurück zur Anwendungsfrage:
Letztlich, wenn man dann mal ne einigermaßen zufriedenstellende und schlüssige begriffliche Synthese hingekriegt hat, von der man das Gefühl hat, daß sie den Fragenkatalog, mit dem man angefangen hat und der im Forschungsprozess dann weiter gewachsen ist, einigermaßen befriedigend und zusammenhängend beantwortet (was für mich ab einem bestimmten Punkt der Fall war) --- dann ist für mich Zeit, wieder die Relevanzfrage zu stellen: Anwendungen? Welche alternativen Handlungsmöglichkeiten folgen daraus? etc. Und die sollte man eben meiner Meinung nach genauso gnadenlos stellen und beantworten, wie man bei der Forschung Wert auf Ehrlichkeit und Schlüssigkeit gelegt hat.
Letztlich beurteile ich eine wissenschaftliche Theorie bzw. ein Erklärungsmodell eben nach seiner Nützlichkeit im Hinblick auf neue Handlungsstrategien, Verbesserungen etc. etc. (call it „instrumentalistisches Wissenschaftsverständnis“ oder „Praxisorientierung“ oder whatever you want: die Frage ist doch am Schluß: SO WHAT? What do we do differently now?)
Wenn aus der Theorie keine new action folgt, then isn´t it just Elfenbeinturmgerede, in letzter Konsequenz?
Wenn dann die Antwort im wesentlichen lautet: „Fehlanzeige“, kann man natürlich ewig am Modell weiterbasteln, Details weiter ausarbeiten, oder Generalüberholungen versuchen etc. Wenn aber absehbar ist, daß dabei keine grundsätzlich neuen Ergebnisse zu erwarten sind, then why bother?
Man kann aber natürlich aus ganz anderen Gründen als irgendeinem Anwendungsbezug an dem Modell weiterbasteln, zum Beispiel einfach aus Spaß am Forschen, am Verstehen von Geschichte, am Spiel mit Begriffen, an neuen Detaileinsichten etc. etc. und das finde ich auch VÃ-LLIG LEGITIM!
Ist nur nicht mein Ding, da bei Wissenschaft für mich halt der Anwendungsbezug im Vordergrund steht --- wenn ich Spielen, Spaß haben, lernen oder Wahrheiten herausfinden will, treibe ich mich lieber auf künstlerischen als auf wissenschaftlichen Spielwiesen herum (Kunst hat nämlich auch eine „wissenschaftliche“ bzw. „handwerkliche“ Seite, bei der man mit Abstraktionen arbeitet, analysiert, präzise plant usw. --- sie geht aber darin nicht auf, sondern hat auch eine metaphorische Seite, the „fuzzy side“ of Art sozusagen, und auf der Ebene erschließen sich für mich „Wahrheiten“ von ganz anderer Qualität als „wissenschaftliche“ Wahrheiten!
Ich habe bei meiner Beschäftigung mit Wi-Theorie auch zeitweise eine Menge „reinen Erkenntnisspaß“ gehabt, ich erinnere mich da ganz gut an Momente, wo plötzlich eine Unzahl von Begriffen / Konzepten an die richtige Stelle rückte und der berühmte „Durchblick“ sich einstellte (und die Einsicht Geld = Forderung mit Erfüllungstermin (!) und nicht Tauschware hat mir ein solches Mega-Aha-Erlebnis beschert). Tolles Gefühl, das! Monatelang herumgelesen, Fragen gestellt und gesammelt, Widersprüche festgehalten und dokumentiert, aber alles irgendwie Stückwerk geblieben... und dann, BUMM (bzw. eher „KLICK“) scheint plötzlich (fast) alles zusammenzupassen --- das sind so die Sternstunden wissenschaftlicher Arbeit für mich, wo der Erkenntnisspaß sozusagen voll reinhaut.
Aber allein deswegen und dafür mache bastele ich persönlich halt nicht an wissenschaftlichen Modellen herum --- wenn´s mir nur um den Spaß an der Sache geht, um Einsicht und ums Herstellen schöner Produkte ohne Rücksicht auf Anwendbarkeit und direkte Nützlichkeit, dann treibe ich mich wie gesagt viel lieber auf der Spielwiese der Kunst herum.
Aber das ist bloß mein Verständnis von Wissenschaft - man kann Wissenschaft natürlich auch zum Spaß oder „als Kunst“ betreiben, wenn man will.
Insofern wäre die dottoresche Theorie für mich also mehr so etwas wie ein wissenschaftliches Kunstwerk als eine nützliche Theorie. Aber wissenschaftliche Kunstwerke können eben „nur“ wissenschaftliche Wahrheiten vermitteln --- also abstrakte. Für mich genausointeressant oder sogar interessanter (da neuer für mich) sind für mich da eben mittlerweile mehr metaphorische Wahrheiten, also Kunst und Humor --- und es ist schon ne ganze Weile her, daß ich das letzte Wi-theoretische Buch gekauft habe, während mein Nachttisch von künstlerischem Lesestoff geradezu überquillt.
Aber um nochmal sowas wie eine zwar nüchterne, aber trotzdem realistische Abschlußbilanz zu ziehen, die auch positive Momente meiner Beschäftigung mit dem ganzen Themenkomplex einbezieht und das ganze Modell nicht pauschal als „nutzlos“ abwertet, sondern ihm besser gerecht wird, versuche ich nochmal zu sammeln, in welcher Hinsicht ich davon eben doch auch profitiert habe:
Orientierung
Nicht nur Orientierung in Bezug auf grundlegende wirtschaftliche Phänomene wie Kredit, Konjunktur, Infla und Defla, Unternehmer vs. Gewerkschaften, Staat vs. Privatwirtschaft, Geld- vs. Abgaben- und Solidarwirtschaft etc. V. a. auch Orientierung im Hinblick auf die verschiedenen Wi-Theorien (Klassik, Marx, Neoklassik, Keynes) und die in diesen Theorien wurzelnden Ideologien (Liberalismus, Sozialismus, Anarchismus etc.). Dieser Abschnitt könnte noch ewig lang werden - daher kurz zusammengefaßt:
Einfach ein klarer und schlüssiger Überblick, wie er sich in keinem offiziellen Lehrbuch findet.
Utopiekritik / Illusionslosigkeit
in Bezug auf Versprechen utopischer Sozialbastler und Patenrezeptverfasser (wie Gesellfritzen, Leninisten, Anarchisten usw. ). Gut gemeint, insofern ist die Absicht dieser Leute auch zu respektieren, aber leider ist gut gemeint nicht automatisch auch „gut gemacht“, denn davor sollte erstmal „zureichend analysiert“ kommen, und da liegt halt leider bei Sozialisten, Marxisten, Liberalisten und Gesellianern sozusagen immer derselbe Hase im Pfeffer. Ideale hamse, Durchblick fehlt.
Von daher sind also sämtlichen marktgängigen Ideologien/Utopien debitistisch gestrichen, thrown right out the window (and I don´t miss them, either!). Könnte man auch als Zeitersparnis interpretieren, denn ich mache um solche Ideologen und Utopisten jetzt immer einen großen Bogen, da ich besseres zu tun habe, als mir über deren Illusionen Gedanken zu machen.
Respektlosigkeit
vor den Theorien sogenannter Wi-Experten an Unis, in Banken und in der Politik. Ich rege mich z.B. über Politik und politische Blah-Rhetorik längst nicht mehr auf, sondern ignoriere sie einfach (wie übrigens die meisten Menschen, die sich für Wi-Theorie einen Sch****dreck interessieren und mir als Reaktion auf meine theoretischen Aufklärungsversuche den Vogel gezeigt haben, intuitiv ebenfalls). Meinen Banker besuche ich höchst selten, ein sehr netter und solider Mensch, der brav versucht, mir die Anlageprodukte seiner Bank zu verkaufen; aber erzählen lasse ich mir von dem auch nix. Naja, viel anzulegen gibt´s bei mir eh net - wer nich viel anzulegen hat, hat auch nich viel zu verlieren.
Respekt
vor der „emotionalen Schlauheit der theoretischen Dummheit“ dieser Leute („gewöhnliche, desinteressierte Leute“, und sogar auch Politiker und Wi-Theoretiker incl. Mickey-Mouse-Ã-konomen). Denn andere als die besten Absichten möchte ich diesen Leuten genausowenig unterstellen wie debitismus-Anhängern.
Ãœbung
in eigenständigem Denken jenseits irgendwelcher Fremd-Anforderungen, -Vorschriften und -Vorgaben (was natürlich seinen Preis hat)
Anlagestrategien
Eesti hat dazu mir vernünftig erscheinendes geschrieben. Doesn´t really apply to me personally, weil es bei mir nicht viel anzulegen gibt (hängt mit meiner Lebensplanung und meinen Prioritäten zusammen), ich kenne mich in diesem Bereich auch null aus und interessiere mich im Prinzip auch nicht sonderlich dafür, aber ich gebe eesti (aus meiner nichtwissenden Perspektive) vollkommen recht.
FAZIT:
Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte bis zum Zeitpunkt VOR meiner Beschäftigung mit Wi-Theorie, würde ich es nochmal machen, auf dieselbe Art und Weise, also ohne Respekt vor Autoritäten und ohne Scheu vor „Fringe Theories“? Trotz des ernüchternden (und letztlich nicht zu alternativen Handlungsstrategien führenden) Ergebnisses, das dabei herausgekommen ist?
Ja, auf jeden Fall.
So, und now on to other things.
Gruß
moneymind
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