- Intelligent Design und die Fanatasien deutscher Vertreter - kosh, 17.07.2007, 18:54
- Hallo kosh, erwarte mal schon die Haue von nereus:)) - prinz_eisenherz, 17.07.2007, 19:58
- Darwin, der Verräter am ID? - oder - Back to the Future? - kosh, 19.07.2007, 18:14
- Darwin, der Verräter am ID? Teil 2 - kosh, 20.07.2007, 15:58
- Re: Intelligent Design und die Fanatasien deutscher Vertreter - kosh - nereus, 17.07.2007, 20:38
- Inwiefern unterscheidet sich"Intelligent Design" von"Intelligent Designer"? (o.Text) - kosh, 18.07.2007, 08:58
- dann muss aber auch FSM eingeführt werden - Sozialabbau, 17.07.2007, 22:56
- Hallo kosh, erwarte mal schon die Haue von nereus:)) - prinz_eisenherz, 17.07.2007, 19:58
Darwin, der Verräter am ID? - oder - Back to the Future?
-->Hallo prinz
Die Schiene mit @nereus hat sich soeben in Luft aufgelöst. Jetzt kann ich auch meinen Marschhalt in diesem Thread aufgeben und hoffentlich erbaulich antworten. Mit verhaltener Polemik:-)
Ich habe mich mal von der puristischen ID-Auslegung etwas entfernt und versuche im Zug Deiner Zitate, auf die Folgen der Lehre einzugehen, um hinterher eine Stellungnahme eines Evolutionsvertreters zu kommentieren, der sich den Glauben als Alternative vorstellen kann.
>... schon der Begriff"Intelligent Designer" ist eine der von den vielen genialen Erfindungen der fortschrittlichen, religiösen Elite in den USA.
Verstehe ich Dich richtig, dass Du ID als Sprössling des Kreationismus begreifst (und nicht umgekehrt)? Die Reihenfolge der Entstehung halte ich für ein erstes Indiz dafür, warum die Folgen von ID derart kreationistisch geprägt sind. Das langwierige Geschwurbel um den Komplex hat übrigens Tradition seit der Zeit vor Darwin. Zunächst ergänzend eine Bestandesaufnahme in Europa:
aus http://www.arte.tv/de/geschichte-gesellschaft/archivs/Christlicher-Fundamentalismus/1321274.html
- Im idyllischen Mittelengland fand im Sommer 2006 die größte internationale Konferenz der Schöpfungsanhänger statt.
... Die Wanderprediger der Organisation verbreiten anschließend die Botschaft von der Darwin-Lüge in ganz Europa, zum Beispiel in Holland.
In Deutschland...
-... ist man sogar schon weiter. Hier hat der Kreationismus bereits die Schulen erreicht. In einer hessischen Universitätsstadt wird den Kindern im Biologieunterricht einer staatlich anerkannten Privatschule beigebracht, dass ein Schöpfer die verschiedenen"Grundtypen" der Tiere erschaffen habe. 8.000 Arten - alle fanden genug Platz auf der Arche Noahs. Als ein Vater dies in den Biologieheften seiner Kinder las, ging er zur zuständigen Kultusministerium. Diese sah allerdings keinen direkten Verstoß gegen die Lehrpläne gegeben und fühlte sich darüber hinaus nicht zuständig. Enttäuscht nahmen die Eltern ihre Kinder von der Schule, um sie vor größerem Schaden zu bewahren.
An einem weiteren, öffentlichen Gymnasium der Stadt bekennt ein Biologielehrer, der die Richtigkeit der Evolution anzweifelt, dass er ein kreationistisches Lehrbuch im Unterricht verwende. Vor der Schulbehörde fürchte er sich nicht, schließlich lehre er ja auch die Evolution.
Von der Lehre nicht überzeugt kann ich mir die evolutionäre Lehrfreude förmlich vorstellen, insbesondere im Kontrast zum Kreationismusprogramm. Bei dem würde ich mich sofort um einen Fensterplatz bewerben.
- In den USA hat Gott im Biologieunterricht nichts zu suchen. Das ist per Verfassung verboten. Aus diesem Grund hat der Kreationismus vor einigen Jahren hier einen"schultauglichen", wissenschaftlichen Ableger bekommen: die so genannte"Intelligent Design"-Theorie...
Also auch hier, Kreationismus -> ID, nicht umgekehrt. Mit der Duftnote schultauglich.
-"Intelligent Design" gibt sich nach außen hin den Anschein einer wissenschaftlich fundierten Evolutionskritik, tatsächlich aber steckt in ihr eine religiöse Motivation, auch wenn die Befürworter dies vehement abstreiten.
Wenn Kreationismus -> ID, dann ist die religiöse Motivation systemimmanent.
- Sie benutzt eine Art"trojanisches Pferd", um den Schöpfer - jetzt unter dem Namen"Designer" - unbemerkt wieder in den Schulunterricht einzuschleusen.
Für mich ein äusserst interessantes Bild!
- Dennoch hat die Pseudowissenschaft"Intelligent Design" mittlerweile großen Erfolg in den USA. Dreiviertel der US-Amerikaner sind bereits, nach einer aktuellen Umfrage, von Kreationismus oder"Intelligent Design" überzeugt.
Ich bediene mich jetzt einer Stellungnahme in anderer Sache von...
... @weissgarnix in http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/384674.htm
> normative Kraft des Faktischen
Faktisch 3/4 US-Amerikaner, normativ reicht diese Masse allemal bereits aus, um ein Kreationismus -> ID -> Dogma gegen das einzutauschen, was von dieser Bewegung als EVT-Dogma bezeichnet wird, ohne sich allerdings um die naturwissenschaftliche Aussagekraft von ID zu kümmern. Das trifft in besonderem Mass auf den Kreationismus selbst zu, der sich mit ID lediglich schmückt. Wichtig scheint nur zu sein, dass es ID gibt, nicht was ID leistet. Eine naturwissenschaftliche Massenvernichtungswaffe.
- Eine amerikanische Organisation namens Discovery Institute ist die Schaltstelle der"Intelligent Design"-Bewegung. Seit zehn Jahren bemüht man sich hier erfolgreich, das Thema in die Medien zu bringen und den Eindruck zu erzeugen, dass es einen wissenschaftlichen Streit um das Thema Evolution gebe.
Sogar ein Strategiepapier für den Fortschritt ins Mittelalter ist vorhanden, welches besagen soll:
- Doch ein erschreckendes Detail ist den Wenigsten bekannt: Hinter der Medienaufmerksamkeit um den Disput"Gott gegen Darwin" steckt ein Plan. Dies verrät ein geheimes Strategiepapier des Discovery Institutes. Nach diesem Papier plane man die"materialistische" Wissenschaft durch eine"christliche" zu ersetzen. Man hat also nicht nur harmlose Wissenschaftskritik im Sinn, sondern plant die gezielte Vermischung von Glaube und Wissenschaft - ein Rückschritt ins Mittelalter. Damals legte die katholische Kirche fest, was gelehrt werden durfte. Das ist christlicher Fundamentalismus. Die heutige katholische Kirche hat ihre Position dazu längst gefunden: für sie sind Evolution und Glaube sehr wohl miteinander vereinbar.
Kurz und schmerzlos: Back to the Future.
Wenn es wie oben dargestellt wahr ist, dann können die ID-Puristen sich als kleine Minderheit im Club noch so dagegen auflehnen, sie werden die einsamen Rufer in der Wüste bleiben. Die Masse wird nicht auf sie eingehen, und damit sind wir auch schon beim Kernproblem angelangt: Intelligent Design wird instrumentalisiert werden, jeder, der eine Schöpfungsgeschichte der Ungewissheit vorzieht wird sich daraus bedienen können, ausnahmslos jeder kriegt seine Chance, sich seine eigene Pappschuberreligion zusammenzubasteln. Mit ID wird das Fass aufgestellt, ob ID will oder nicht, egal was ID naturwissenschaftlich zutage fördert. Fehlt noch die Zündschnur und der auslösende Zunder.
Darwin, der Verräter am ID?
aus http://www.prof-dr-ewald.de/evolution/index.html
- Am 7. Juli vorigen Jahres veröffentlichte der österreichische Kardinal Schönborn einen Gastkommentar in der"New York Times" unter dem Titel"Finding Design in Nature" ("Den Plan in der Natur entdecken"). Darin heißt es unter anderem:"Die Evolution im Sinn einer gemeinsamen Abstammung (aller Lebewesen) kann wahr sein, aber die Evolution im neodarwinistischen Sinn - ein zielloser, ungeplanter Vorgang zufälliger Änderung und natürlicher Selektion - ist es nicht. Jedes Denksystem, das die überwältigende Evidenz für einen Plan in der Biologie leugnet oder wegzuerklären versucht, ist Ideologie, nicht Wissenschaft."
Die ideologische Vortragsweise des letzten Satzes ist Selbsdisqualifikation in einem Guss und bestätigt die Vereinnahmung und Instrumentalisierung einer vielleicht irgendwo vorhandenen bescheideneren Zielsetzung, de facto ist jede halbseidene ID-Erkenntnis kreationistisches Leibgericht. ARTEs Position der katholischen Kirche verschiebt sich beispielhaft.
- Die Kreationisten gaben aber keineswegs auf. Das oberste Gericht hatte ja nicht inhaltlich für die Evolution votiert, sondern nur religiösen Biologieunterricht abgelehnt. Deshalb änderte man die Strategie und begründete eine kreationistische"Wissenschaft",die darlegen sollte, dass Leben und Geist nicht zufällig entstanden sein konnten, sondern eines"intelligent design", eines gezielten Schöpfungsplans bedurften.
Und wieder, Kreationismus -> ID. Der Clou an der Sache kommt aber noch:
- Als ein Urvater des Intelligent Design-Gedankens wird von Kreationisten gern der englische Theologe William Paley (1743-1805) angeführt, der in seinem Buch"Natürliche Theologie" die Grundgedanken eines"natural design" entwickelt hatte.
... Darwin... war damals ein glühender Verehrer von Paley.
... Man kann noch einen Schritt weitergehen...: Darwin erhielt durch die Paleysche Theologie den entscheidenden Anstoss für seine Entwicklungslehre.
Nur Realsatire kann Satire übertreffen:-))) Ursprünglich hiess es noch Natural Design, nicht Intelligent Design, und Darwin war (eine Zeit lang) ID-Anhänger.
- Wir stoßen hier auf eine grundlegende Unterscheidung, die man beim Verständnis des"Intelligent Design" vorzunehmen hat: Es kann im Sinne eines stetigen Eingreifens durch einen intelligenten Schöpfer gemeint sein, ein kontinuierliches Arbeiten an der Entstehung von Leben und Mensch. Intelligent Design kann aber auch bedeuten, dass Gott der Natur neben den physikalischen Gesetzen die Bauprinzipien des Lebens als eine Art erweiterte Naturgesetzlichkeit mitgegeben hat.
Der fleissige Gott (Kontrollfreak), oder der faule Gott (Programmierer), aber ohne Gott geht's nicht, egal wie der Knilch genannt wird, ob Designer, Allah oder Manitou. Irgendwer muss schliesslich der Intelligenzbraten sein, der uns das alles eingebrockt hat. Es wird aber noch interessanter:
- Paley tendierte zu dieser zweiten Interpretation und gelangte bis an den Rand eines deistischen Weltbildes, nach dem Gott das"Uhrwerk Natur" aufgezogen und sich dann selbst überlassen hat. Darwin war überzeugt, dass er mit seinem Gedanken der Selektion durch selbsttätigen Züchtungsprozess in der Natur eines der göttlichen Bauprinzipien konkretisiert hatte.
Paley pro fauler Gott, Darwin findet göttliches Bauprinzip und schon machen sich EVT und ID auf den Weg, deckungsgleich zu werden, damals. Die Harmonie hielt jedoch nicht lange:
- Noch in 1857 schrieb Darwin in einem Brief von einem
"Wesen, das...über Millionen von Generationen hinweg und mit einer unbeirrbaren Macht der Natürlichen Auslese am Werk ist..., die ausschließlich zum Wohl eines jeden Organismus auswählt".
Es wird schwer vollständig aufzuklären sein, warum Darwin später mehr und mehr Agnostiker wurde. Ein Grund scheint mit Sicherheit darin zu liegen, dass er mit dem genannten"Wohl eines jeden Organismus" nicht mehr zurecht kam, mit dem Gedanken also, dass die natürliche Auslese ein gottgefälliger Vorgang sei.
Liegt mit Darwin der erste verbriefte Fall eines Intelligent Design-Vertreters vor, der seiner Lehre abgeschworen hat? Darwin, der ID-Verräter, der sich selbst exkommunizierte, was ihm nie vergeben wurde?
- Mit fortschreitender Ausarbeitung der Evolutionstheorie anhand von Beobachtungen war Darwin mit dem"Hauen und Stechen", dem brutalen Ãœberlebenskampf bei der Selektion konfrontiert. Das geriet in Konflikt mit seiner Gottesvorstellung.
Aha, Darwin beobachtet ein Hauen und Stechen, wo sich neu- und alttestamentarischer Gott in die Haare geraten. Das Programm eines sanftes Gottes gegen eines, dessen Schöpfer Plagen über das Land bringt.
Eigene Erfahrung: Man führe kleinen Kindern eine Jagdszene aus der Serengeti vor, das kam früher im Wochenrythmus im TV. Ich habe noch keinen Fall erlebt, wo ein Kind nicht gebannt die Jagd verfolgt hätte und nicht darüber entsetzt gewesen wäre, dass die Löwen das Zebra, sein Fohlen, oder die Hyänen das Gnukalb etc. gerissen haben. Das ist für mich ein konkreter Konflikt einer kindlichen Welt- oder sogar Gottesvorstellung, wo in ID-Sprache gefragt werden muss: eine von Gott intelligent designte Natur, wo Tierbabies kurz nach ihrer Geburt schon wieder abzutreten haben? Intuitiv entschieden sich Kinder bislang für das neutestamentarische Programm. Diesen Konflikt hatte ich auch, jahrelang sogar, bis ich einen Fall gesehen habe, wo ein Kalb seinen Jägern entkam. Da war die Welt für mich wieder i.O., wenn man schnell genug ist, darf man weitermachen und seinerseits versuchen, Kälber auf die Welt zu stellen. Bisher habe ich von Kindern auch nur dieses als Antwort auf meine Frage erhalten: Weil das Kalb schnell genug war. Meine Frau kriegt die Krise, wenn ich mir mal wieder die stundenlange Hetzjagd einer Orcagruppe nach einem Pottwalkalb ansehen will, weil das Kalb am Ende stirbt und die Orcas obendrein nicht mal die Hälfte verwerten können. Das ist für sie sinnloser als irgendein Kriegsfilm, wo Soldaten im Dutzend gesprengt werden.
Das Resultat der Merkwürdigkeiten:
- Neodarwinismus
Aber nun sind 150 Jahre vergangen, die Forschung hat sich weiterentwickelt. Das scheint in mehrfacher Hinsicht in der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion nicht ausreichend zur Kenntnis genommen zu werden. Zunächst einmal ist eine Fülle neuer Aspekte hinzugekommen.
In der ID-Thematik werden weitgehend olle Kamellen herumgereicht, nicht selten als Gott gegen Darwin simplifiziert. Aber Darwin ist seit einer halben Ewigkeit tot. Er kann sich auch gar nicht mehr wehren, aber es wird auf ihm rumgetrampelt, statt auf modernen Ansätzen:
- Einer ist die genetische Grundlage von Evolution. Zwar hatte Gregor Mendel schon die von ihm gefundenen Gesetze der Vererbung Darwin mitgeteilt, aber man fand den entsprechenden Brief in Darwins Nachlass ungeöffnet.
Darwin hatte scheinbar mit Mendel noch gar nichts am Hut, aber Mendel ist heute fester Bestandteil der Lehre.
- Man erkannte mehr und mehr, dass die Mutationen sich vorwiegend auf der Ebene der Gene abspielen, sei es durch Zufallsprozesse oder äußere Einflüsse wie Höhenstrahlung und nicht zuletzt durch"Rekombination", Neuzusammensetzung von genetischen Bausteinen.
Äussere Einflüsse und Rekombination, ich habe noch nicht besonders viel über ID gelesen, aber weder das eine noch das andere habe ich angetroffen, scheint wie ausgeklammert. Lieber reitet man auf Zufällen herum bis einem schwindlig wird.
- Merkwürdigerweise lässt die gegenwärtige Diskussion um Intelligent Design und Darwinismus fast durchweg außer Acht, dass sich die Evolutionsforschung selbst in neuster Zeit entscheidend weiterentwickelt und prinzipiell verändert hat. Das soll uns jetzt beschäftigen.
ID ist irgendwo und irgendwann in der Entwicklung stehen geblieben und strampelt seit dieser Zeit an Ort, und immer scheint das Feindbild EVT ein undankbarer Wegbegleiter gewesen zu sein, selbst bei den Puristen. Währenddessen wurden verschiedene Aspekte aus der EVT übernommen, was ich z.B. dahingehend interpretieren kann, dass man ohne diese Zugeständnisse tatsächlich stehen geblieben wäre, oder man meint in einer Art politischem Kuhhandel mit EVT eine naturwissenschaftliche Lösung zu finden (wenn ihr den Designer akzeptiert, akzeptieren wir dafür...).
Dabei ist es nicht etwas so, dass man der ID nicht in gewissen Punkten entgegenkommt.
-... die Entwicklung des Linsenauges,.... Dieses komplexe System ist in der Evolution mindestens dreimal parallel zustandegekommen, unter völlig verschiedenen äußeren Umständen: bei bestimmten Ringelwürmern, bei der Krake und beim Menschen, allgemein den Wirbeltiern.
... Dass rein zufällig im Spiel von Mutation und Selektion eine so raffinierte Konstruktion sich mehrfach entwickelte ist schlicht unplausibel.
Hier wird der Zufall also ebenfalls eingeschränkt. Allerdings mit einer anderen Begründung:
- Manche der"genialen Ideen" der Evolution sind mehr als 100 Mal unabhängig voneinander realisiert worden. Conway Morris neigt deshalb zu der Annahme, dass in der Natur neben den Naturgesetzen - die letztlich auf physikalische Gesetze hinauslaufen - grundlegende Strukturprinzipien existieren. Er nimmt diese als universal an, dem Kosmos sozusagen schon beim Urknall in den Schoß gelegt.
Grundlegende Strukturprinzipien, die Nähe zur ID-Auslegung 2. Art nach Paley (vgl. oben) ist frappant. Nur dass Morris sich nicht darin versteigt, eine Intelligenz zu postulieren. Und er macht sogar eine erstaunliche Prognose:
- Als Konsequenz ergibt sich für ihn eine Aussage, die Science Fiction-Autoren aufhorchen lässt: Sollten wir je einem"alien", einem intelligenten Lebewesen eines anderen Planeten begegnen, es bestünde eine große Wahrscheinlichkeit, dass er ganz ähnlich"gebaut" ist wie wir - außer dem Fall dass der ferne Planet ganz mit Wasser bedeckt ist; in diesem Fall hält Conway Morris ein dem Delfin ähnliches Wesen für denkbar, dass eine hohe Intelligenzstufe erreicht hat.
Spontan denke ich an die Entwicklung der Autos. Ich bin aufgewachsen mit deutlich unterscheidbaren Modellen, heute muss ich oft nach dem Logo suchen, um eine Aussage über den Hersteller zu machen. Kein Wunder, immer mehr Bestandteile Teile werden aus Gründen der Effizienz (Energie, Zeit, Kosten, Konkurrenz) vereinheitlicht, einheitliche Fahrgestelle werden weltweit ausgeliefert um"individuelle" Blechkleider übergestülpt zu bekommen. Die Aerodynamik und Verbrauchs- und Verbraucheranforderungen lassen kaum mehr viele Alternativen, wenn man auch noch Menschen mitsamt Gepäck drin unterbringen will.
Und auch der Autor stellt fest:
- Sieht man von diesen Bemerkungen über aliens ab, so kommt Conway Morris sehr dicht an die"Intelligent Design"- Ideen von William Paley heran und liegt es nahe, dass gemäßigte Kreationisten Unterstützung durch die seriöse Wissenschaft witterten. Dem schob Conway Morris allerdings selbst einen Riegel vor, etwa mit folgender Bemerkung in einem Interview mit der ZEIT (35/2004). Auf die Frage, ob er unsere Welt"für sehr intelligent entworfen" halte, sagt er:
"Da muss ich etwas klarstellen: Den Begriff intelligent design würde ich nie verwenden. Er ist von den Kreationisten besetzt, diesen Pseudowissenschaftlern, die die Bibel wörtlich auslegen und davon ausgehen, dass Gott Pflanzen, Tiere und den Menschen in sieben Tagen erschaffen hat. Von solchen Leuten will und muss ich mich klar abgrenzen als Wissenschaftler und als gläubiger Christ."
Das ist das Problem für puristische ID-Vertreter, der Begriff ist bereits besetzt. Auch wenn dafür kein Copyright zu existieren scheint, die normative Kraft des Faktischen hat Fakten geschaffen, die von ID-Vertretern einzig geschürt werden können, wenn sie ID für ihre Zwecke propagieren. Und noch eine bemerkenswerte Aussage:
-... von Seiten der Chemie die Entstehung von Leben...:
"Niemand hat bisher verstanden, wie das Leben begonnen hat. Hunderte Forscher haben sich mit dieser Frage befasst, darunter jede Menge Nobelpreisträger - und trotzdem sind sie in den letzten 50 Jahren im Grunde keinen Schritt weitergekommen. Selten ist Wissenschaft gründlicher gescheitert."
... auch hier sind, wie bei der Höherentwicklung der Arten, viel größere Zufallsspielräume zu überbrücken als oft angenommen oder zugegeben wird.
Ich habe mir zur seltsamen Behandlung des Zufalls auch schon Gedanken gemacht, hier eine Stellungnahme:
- Hier scheint es angebracht, einmal die Frage nach dem Begriff"Zufall" zu stellen. Das Wort Zufall wird auf zwei völlig verschiedene Weisen gebraucht:
Zum einen... mathematische Behandlung des Zufalls...
... Die andere Art von Zufall zu sprechen, ist schlicht Ausdruck von Unkenntnis, die Unmöglichkeit, Ursachen zu lokalisieren. Dabei bleibt offen, ob es verstehbare Ursachen überhaupt gibt. In der Evolutionsbiologie wird oft der Eindruck erweckt, man habe es mit Zufall im erstgenannten Sinn zu tun. Das mag auch für eng eingegrenzte, aus der Natur herausgeschnittene Entwicklungsprozesse richtig sein. In der Mehrzehl der Fälle aber handelt es sich um"Zufälle" der zweiten Art.
Ein Sprachproblem also, dem man geflissentlich aufsitzt, beiderseits, allerdings hat das für die ID gravierende Konsequenzen, wenn sie willkürlich EVT-Zufall interpretiert. Wo ein Zufall 2. Art gemeint ist, ist auch eine Berechnung unmöglich.
- Das Konvergenzprinzip setzt ein zusätzliches Fragezeichen hinter das Zufallsprinzip in der Evolution, macht es zu einer unplausiblen Hypothese. Conway Morris schlägt deshalb vor, dass wir es mit Strukturvorgaben in der Natur zu tun haben. Er rückt sie in die Nähe dessen, was bereits seit einigen Jahrzehnten in der Physik das"Starke Anthropische Prinzip" genannt wird. Das ist ebenfalls eine naturphilosophische Grundannaheme, nach der die Entstehung eines intelligenten menschlichen oder menschenähnlichen Wesens ein kosmisches Finalprinzip ist, das man nicht mit physikalischen Kausalbetrachtungen gewinnen kann...
Die EVT entwickelt sich immer weiter, bleibt nicht stehen, stellt sogar das Zufallsprinzip in ein neues Licht. Man kann spekulieren, dass diese Entwicklung ohne ID nicht möglich war, aber sie zeigt auch, dass EVT auf den Sprung in den Glauben verzichten kann. Würden sich seriöse ID-Vertreter von der ID-Floskel verabschieden und sich meinetwegen mit Strukturvorgaben befassen, würden sie nicht als die Fanatiker begriffen, als die man sie aus kulturgeschichtlichen und gesellschaftspolitischen Gründen begreifen muss, um einen Rückfall in die dogmatische Christenheit zu verhindern.
Sie hätten als Kollegen eine wesentlich bessere Chance für ihre Forschungen, denn als Apostel. Das Schlusswort:
- Glaube und religiöse Überzeugung haben es jedoch nicht nötig, sich auf die Nischen zurückzuziehen, die ihnen Biologen und Physiker lassen und auf einen Transzendenzbezug zu verzichten. Naturforschung liefert immer nur begrenzte rationale Aspekte dessen, was auf unserem Planeten und im Kosmos geschieht. Wo sie kritische Bescheidenheit übt, kann sie konstruktiv-gemeinsam mit religiösem Denken über das Wunder der Welt reflektieren. Das sollte hier am Beispiel der Evolution deutlich werden.
Grüsse
kosh
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