- Re: nur ganz kurz - Spartakus, 20.07.2007, 09:18
- Sorry, sollte eigentlich hier hin: - Spartakus, 20.07.2007, 09:20
- Re: nur ganz kurz - Taktiker, 20.07.2007, 10:59
- Re: nur ganz kurz - Spartakus, 20.07.2007, 12:04
- Re: nur ganz kurz - Taktiker, 20.07.2007, 12:36
- Re: Diskussion beendet - - Elli -, 20.07.2007, 13:54
- Re: Diskussion beendet - manolo, 20.07.2007, 15:42
- Ich brenne darauf - Taktiker, 20.07.2007, 17:17
- Re: Diskussion beendet - manolo, 20.07.2007, 15:42
- Re: Diskussion beendet - - Elli -, 20.07.2007, 13:54
- Re: nur ganz kurz - Taktiker, 20.07.2007, 12:36
- Re: nur ganz kurz - Spartakus, 20.07.2007, 12:04
- ein ganz anderer Aspekt hierzu: - Dieter, 21.07.2007, 14:18
Re: nur ganz kurz
-->Hallo Taktiker,
Also wenn ich die Wahl hätte zwischen der"Küste der Sonne" und dem"Kulturmoloch" Berlin, würde ich keine Sekunde zögern nach Spanien zu emigrieren. Aber ich teile durchaus einige Deiner Einwände und mein persönlicher Kompromiss ist München. Sicherlich bietet Berlin viel, (fast) jedes Leben ist möglich, der alte Spruch von Friedrich dem II ("In meinem Staat soll ein jeder nach seiner Facon selig werden.") paßt auch heute noch. Eine Karriere wie z.B. die von Wladimir Kaminer, den ich noch aus seiner Zeit als staatenloser Asylant kenne der mal eine Geschichte vorlesen möchte, ist so schlicht nur in Berlin denkbar. Wo sonst könnte man auch sein Gesicht tätowieren lassen, auf Heroin umsteigen und als Bisexuelle Domina seine Gelüste ausleben? In Berlin würde man damit zumindest nicht auffallen. Wer Alternativkultur wie die Luft zum Atmen braucht, der ist in Berlin sehr gut aufgehoben und ansonsten sowieso jeder zwischen 20-30.
Aber sonst?
Machen wir uns nichts vor, der Ur-Berliner ist ein übler Prolet, egal ob West oder Ost. Das wahre Gesicht Berlins findet man in Hellersdorf oder Tempelhof. Biedere Spießer mit rauher Schale, aber tolerantem Kern. Der Busfahrer der wegfährt, wenn er sieht das man zu rennen anfängt, die Bäckereifachverkäuferin, die einen anschnauzt, weil man mit einem 20'er bezahlen will. Die meisten Bezirke sind unerträglich und das nichts mit Medienkampangnen à la Rütli zu tun, sondern weil die Verhältnisse tatsächlich grauenhaft sind. Reinickendorf hat den Charme von Wanne-Eickel, Tempelhof kann mit Braunschweig konkurrieren und Hellersdorf unterscheidet sich nicht von Hoyerswerda. Neukölln oder Wedding sind raue Pflaster die sich mit ihrem"Ghetto-Style" in nichts von ihren Vorbildern aus den Banlieues oder der US-Unterschichtkultur unterscheiden, einzig der deutsche Sozialstaat verhindert da weitere Exzesse.
Berlin ist keine homogene Stadt, es ist ein Konglomerat verschiedener Städte mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften, ähnlich dem Ruhrpott. Es ist groß genug, dass jeder seine Nische finden kann, aber ob diese Nische nun wirklich das Nonplusultra an Lebensqualität darstellt, wage ich zu bezweifeln. Mit bestimmten Dingen ist man immer konfrontiert, sei es dem Elend, der Verwahrlosung oder den Gescheiterten, die in Berlin imho mindestens 10% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Und mit Gescheitert meine ich die tatsächlich kaputten Lebensgeschichten, die nur noch von Alkohol oder Drogen zusammengehalten werden. Wieso auch nicht, denn echte Perpektiven gibt es nicht.
Wirtschaftlich hat Berlin mehr Ähnlichkeit mit Warschau, als mit dem Standard der z.B. in süddeutschen Großstädten herrscht. Für Berliner Löhne würde keiner meiner Münchner Bekannten aus dem Bett steigen. Sicherlich ist das Leben günstiger, aber wenn man gar keinen Job findet, ist auch günstig zu teuer. Von meinen hart arbeitenden Berliner Freunden, hat keiner was von der großartigen Kultur, dafür ist schlicht keine Zeit. Dafür aber viele Ärgernisse, die sich eben aus der Trashkultur ergeben.
Betrachten wir einmal die Natur in und um Berlin und vergleichen sie mit z.B. München. In Berlin gibt es ein paar nette Parks. Ich liebe den Viktoriapark, obwohl mich da mal ein paar Türken auf dem Weg ins Golgatha mit einer Pistole überfallen haben, aber mir haben die Jungs sogar fast Leid getan. Das Geld reichte nur für eine Gaspistole und für die"Beute" von 80€ riskieren sie mindestens 5 Jahre. Einfach arme Schweine. Aber ich wollte ja auf die Natur kommen, also der Viktoriapark ist nett, Tiergarten ist schön (auch ohne Loveparade) und Treptower Park sowie Volkspark Friedrichshain haben nette Ecken. Zwar alles mit Massen von Menschen überfüllt, aber durchaus schön. Die Wannseeecke hat viele schöne Plätze, ist aber auch schon wieder weiter raus, ansonsten bleiben die vielfältigen und unzähligen brandenburger Seen. Leider mit Stechmücken verseucht. Also ich würde jedenfalls nicht ohne Autan auf die Idee kommen, da einen Grillabend zu verbringen.
Das war es.
Ok, mit 2-3h Autofahrt ist man im Harz oder der Ostsee. Aber für einen Tagesausflug ist das schon zu weit.
Wie sieht es in München aus?
Wenn ich Natur brauche, bin ich in 20Min. am Starnberger See, am Ammersee oder fahre gleich an den Chiemsee. Auch der Walchensee oder Tegernsee ist traumhaft. Innerhalb einer Stunde stehe ich auf einem 2.000m hohen Berg und genieße die Aussicht. Städtische Parks, die durchweg schöner als ihre berliner Pendants sind, interessieren mich da gar nicht, wobei die Isar-Auen durchaus ihren Reiz haben.
Der Qualitätsunterschied ist imho noch größer als der Unterschied zwischen dem FCB und Hertha BSC ;). Und der besondere Bonus, wo selbst alle meersüchtigen neidisch werden, der Winter. Der Winter in Berlin ist schlicht die Hölle, kenne niemanden der das genießt. In Bayern ist das anders, die Berge werden erst im Winter so richtig schön. Bei -10°C eine Klamm oder einen Berg hochmarschieren, unbezahlbar schön. Dazu Menschen die dauerhaft und von Natur aus freundlich sind, immer und andauernd, für einen Exil-Berliner total verstörend.
Mehr als einmal war ich schon in der Versuchung direkt nach Ã-sterreich oder in die Schweiz zu emigrieren, für mich Nahe des Paradieses, was eben wie bei Dir, nicht aus Sonne und Strand besteht. Dennoch würde ich gerne auch Dein Bild über Südspanien erweitern. Ich habe zwar nur einige Monate an der Algarve gelebt, aber das ist ja praktisch nebenan. Ich bin keineswegs ein Sonnenfreak, im Gegenteil, ich reagiere allergisch auf zu viel davon, aber der ständige Sonnenschein macht einfach gute Laune. Es ist praktisch unmöglich bei 12h Sonne am Tag depressiv zu werden.
Und ja, 330 Sonnentage im Jahr sind unbezahlbar, selbst wenn man nicht darauf steht. Es hat den Charakter von Dauerurlaub, selbst wenn man eher ein Schattentyp ist, wie ich. Mein Ex-Schwiegervater hatte eine Villa auf den Kanaren, er lebt das halbe Jahr dort. Ich dachte auch immer, dass einem das irgendwann auf die Nerven geht. Praktische Erfahrung lehrt mich das Gegenteil, optimales Klima, bleibt optimales Klima, egal wie lange man da herumlungert.
Und Kulturell würde ich mal umdenken, Andalusien bietet Sevilla, Málaga, Cádiz, Córdoba, etcpp. Innerhalb von vielleicht 2 Autostunden sollte man ein Angebot finden, was Berlin in nichts nachsteht. Im Gegenteil, meiner Erfahrung nach sind vergleichbare Events im Ausland grundsätzlich interessanter, schon allein deshalb, weil sie eben im Ausland sind. Historisch betrachtet, ist Berlin da ohnehin eher Entwicklungsland. Ich stehe z.B. auf alte Kirchen. In Andalusien wäre ich auf Jahre beschäftigt sie zu besuchen.
So, ich habe fertig. Viel länger als ich wollte, aber es macht ja auch Spaß Urlaub zu verplempern.
Liebe Grüße
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