- Positions - dottore, 12.06.2000, 19:19
- Zu Copper... - JüKü, 12.06.2000, 20:33
- Re: Weizengeld - Dionysos, 12.06.2000, 20:46
- Re: Weizengeld - BossCube, 12.06.2000, 22:44
- Re: Weizengeld - dottore, 13.06.2000, 09:42
- Re: Weizengeld - dottore, 13.06.2000, 09:43
- Re: Weizengeld - BossCube, 12.06.2000, 22:44
Re: Weizengeld
>>Hallo Dottore,
>>da der Text schon etwas weiter unten steht, am Anfang noch einmal die Kopie.
>>>PS. Das Weizengeld der Ägypter gehört auch noch zu den Währungen mit negativen
>>>umlaufgesicherten Zins.
>>>>>>Hi Dionysos -
>>das ist mir ganz neu. Ein Weizengeld? Das muss ein Scherzbold aufgetischt haben. Es gab zwar diverse Weizen-Standards im Nahen Osten (daher u.a. der Name"Shekel" im althebräischen und babylonischen usw. Standard mit ca. 160 Weizenkörnern, die detaillierte Literatur habe ich jetzt leider nicht zur Hand), aber Weizengeld, noch dazu"umlaufgesichert"? Dann wäre die Umlaufsicherung der schnelle physische Verfall des Weizens gewesen. Aber wozu sollte ich so ein"Geld" annehmen? Die Ägypter hatten bekanntlich erst sehr spät Münzen (Ptolemäer, vgl. auch den Fund von Assyut), deshalb wurde bei ihnen verbucht wie in Babylon usw. auch (Papyros, Tontafeln; alles indossierbar, alles Schulden natürlich, alles ergo auch"Geld"). Ein klassisches Giralgeld-System, wobei natürlich andere Dinge die Funktion der"Wertaufbewahrung" übernahmen.
>>Aber im Zentrum der ägyptischen Wirtschaft standen selbstverständlich - wie überall und das bis heute - die SCHULDEN. Herodot, eine ziemlich sichere Bank als Quelle, schreibt, daß Pharao Cheops seine Tochter sogar ins Bordell schickte, damit sie ihm bei der Abtragung der Schulden, die offenbar bauwut-bedingt waren, helfen konnte. Ausserdem lesen wir bei Herodot, dass im Gefolge einer großen Krise die Leute sogar damit anfingen, die Mumien ihrer Vorfahren zu beleihen.
>>KEIN WITZ!
>>Gab es vielleicht in Ägypten auch so etwas wie ein"Nu-penn-mal-mit-der-Tochter-des-Pharao-Geld" oder ein"Mumiengeld"?
>>Wäre also für weiterführende Hinweise sehr dankbar<<<<
>>
>>Ja, der Weizen war die Deckung. Der physische Verfall des Weizens war nur ein kleiner
>>Teil des Schwundes. Die Annahme des Geldes durch das Volk war ein politisch-religiöser Rahmen, der Gottesstaat der Pharaonen. Reguliert wurde dieser über die Tempelwirtschaft. Die Ägypter waren wahre Meister in der in der Vorratshaltung von Nahrungsmitteln. Über 2000 Jahre lang galt Ägypten als Kornkammer der Antike. Der Weizen (Kamut) wurde als heilig verehrt. http://www.mehl.at/kamut.htm Die Weizenerträge waren um das mehrfache höher als in anderen Gebieten und die Bewässerungssysteme am fortgeschrittensten. Um eine funktionierende Wirtschaft über einen so langen Zeitraum ohne große Eroberungskriege aufrechtzuerhalten, bedurfte es eines ausgeklügelten Währungssystems. Als Experten in der Astronomie und Mathematik waren sie in der Lage eine exakte zeitliche Erfassung einer Liegegebühr herzustellen. Der Weizen-Standard dürfte folgendermaßen funktioniert haben. Ein ägyptischer Bauer bringt seine Ernte, zum Beispiel 10 Säcke, zum Lagerhaus. Wie Sie erwähnt haben, bekommt er dafür eine Tonscherbe (Ostraka) mit Anzahl der Säcke und Abgabedatum. Der Unterschied zum klassischen Giralgeldsystem besteht darin, daß der Bauer nach einem Jahr für seine 10 Tonscherben nur 9 Säcke Kamut bekam. Tauschte der Bauer seine Weizenquittung bereits nach einem halben Jahr ein, bekam er einen halben Sack weniger, nach zwei eben zwei Stück weniger. Ob die Demmurage 10 Prozent betrug sei mal dahingestellt. Wahrscheinlich war sie geringer, auf jeden Fall im Laufe der Jahrhunderte gleichbleibend. Der zehnte Sack diente für die Lagerhalterung. Für einen Teil des Schwundes dürften auch kleine Nager verantwortlich sein. Die Pharaonen werden auch ordentlich zugelangt haben. Schließlich war es ja ein feudalistisches System und die Tempel und Pyramiden verschlangen Unsummen. Dieser Getreidestandard funktionierte nur als regionale bzw. staatliche Währung. Die Mesopotamier (Babylonier) und später dann die Griechen akzeptierten als Handelswährung nur Gold und Silber. Das sich die Ägypter für diese Münzen als regionale Währung nicht interessierten, zeigen die zerschnittenen griechischen Silbermünzen, die man im Nil-Delta fand. Man wollte offenbar die Silberdeckung prüfen und traute den fernen Handelspartnern nicht so richtig über den Weg. Für das Scheitern der Brakteaten im Mittelalter war der unregelmäßige Abstand und die zu große Höhe der Demurrage verantwortlich. In beiden Kulturen fand jedoch ein gewisser Wohlstand auch für die Allgemeinheit statt. Im alten Ägypten waren Frauen den Männern oftmals gesetzlich gleichgestellt, bis hin zum Erwerb von Grundbesitz.
>>Um 2900 v.Chr. wurde unter Pharao Menes, der die zerstrittenen Völker einte, die 1. Dynastie gegründet. Nach dem Bau der größten Pyramiden wie Cheops und Chephren brach das Alte Reich in der 4. Dynastie 2270 v. Chr. zusammen. Sicher fand zu dieser
>>Zeit noch eine Konzentration des Reichtums statt, der die Niedergangsphase auslöste.
>>Die eigentliche Blütezeit begann später und sollte fast 1500 Jahre andauern. Die Gesell-
>>schaft brachte noch 22 Dynastien hervor mit teilweise über 30 Königen in den einzelnen.
>>Das Ende der eigentlichen ägyptischen Geschichte und Kultur wurde mit der Eroberung
>>der Perserkönige Kamyses und Darius um 525 v Chr. eingeleitet. Mit der Eroberung durch Alexander begann 332 vor Chr. die griechische Herrschaft und wurde 323 v. Chr. von den Römern abgelöst. Dem Land wurden die römischen Metallwährungen mit positiven Zinssätzen aufgedrückt. Obwohl es den Anschein behielt, daß Ägypten ein
>>eigenständiger Staat blieb, flossen doch die Zinsen nach Rom. Es wurde in das Stadium
>>eines Entwicklungslandes zurückversetzt und diente nur als Kolonie Roms später dann
>>arabischer Kalifen und Osmanen.
>>Das Informationsangebot zu diesem Thema ist jedoch sehr mager, da die Ägyptologie
>>relativ unerforscht ist und Archäologen sich normalerweise weniger mit Währungszu-
>>sammenhängen auseinandersetzen.
>>Der Weizen-Standard ist somit vergleichbar mit der Schekel-Währung der Sumererer
>>(Babylon), die es mit der Bezahlung des heiligen Geschlechtsverkehrs mit den Pristerinnen in Umlauf hielten. Anstatt der Göttin Inanna lockte in Ägypten der Kult um die Fruchtbarkeitsgöttin Isis die Menschen zur Weizenabgabe in die Tempel.
>>MfG
>>Dionysos
>Der Gedanke, Getreide als"Währung" zu benutzen, würde auch 1923/24 wieder aufgegriffen, als man nach der Hyperinflation wieder zu stabilem Geld wollte. Es gab einen Plan von Karl Helfferich, eine"Roggenmark" einzuführen. Der Voschlag würde aufgrund zu großer Preisschwankungen verworfen und man bediente sich lieber der Rentenmark, die Zwangsgrundschulden auf industriellen und landwirtschaftlichen Besitz zur Sicherung hatte.
>Gruß
>BossCube
Hochinteressanter Beitrag und eine perfekte Ergänzung mit Erklärung von BossCube. Ich werde der Sache sub specie Währungstheorie nachgehen (dauert etwas). Nur ein kleiner Einwand zum Zeitrahmen. Die Pharaonen-Zeit war erheblich kürzer und lag mehr in Richtung Gegenwart als bisher angenommen, vgl. Heinsohn/Illig: Wann lebten die Pharaonen? Mantis-Verlag 1999.
Gruß
d.
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