- Herkunft des Geldes bei Issing... doch Nobelpreis für dottore? - weissgarnix, 03.10.2007, 17:40
- Re: Herkunft des Geldes bei Issing... doch Nobelpreis für dottore? - aprilzi, 03.10.2007, 19:27
- Re: Herkunft des Geldes bei Issing... doch Nobelpreis für dottore? - weissgarnix, 03.10.2007, 21:16
- Für"Demokratie = Militärdiktatur im Wartestand"? - bernor, 03.10.2007, 22:27
- Re: Rang + Schmuck? Finde Tauschtheorie besser... - mT - McShorty, 03.10.2007, 20:29
- Re: Rang + Schmuck? Finde Tauschtheorie besser... - mT - dottore, 04.10.2007, 14:20
- Ãœber die Schwierigkeiten, ein Buch zu schreiben - Zandow, 03.10.2007, 22:09
- Re: Herkunft des Geldes bei Issing... doch Nobelpreis für dottore? - aprilzi, 03.10.2007, 19:27
Re: Rang + Schmuck? Finde Tauschtheorie besser... - mT
-->Hi McShorty,
es geht zunächst nicht um die Tauschtheorie des Geldes, sondern um die grundsätzlichere Frage menschlicher Interaktionen, welche die Hingabe und/bzw. Hergabe von Gegenständen und/oder Personen beinhalten und in welcher Art und Weise sich daraus"Geld" entwickelt haben könnte.
Dazu ist es unerlässlich, sich mit Stammesgesellschaften zu beschäftigen. Was wegfällt, falls man der Meinung ist, Staaten würden Stämmen historisch vorausgegangen sein und nicht umgekehrt.
Bei Stämmen unterscheiden wir:
- akephale und
- kephale Stämme (kephale = griech. Kopf, Haupt)
Bei beiden Arten bilden sich Interaktionen der Mitglieder untereinander aus (Reziprozitäten). Daraus entwickeln sich "Verpflichtungen" und bei Nichterfüllung dieser soziale Sanktionen (bis hin zur Ächtung bzw. zum Ausstoßen aus dem Stammesverband). Wer nun wen und vor allem womit verpflichten kann, ist ein weites Feld ethnologischer Forschung, auch der Geschenke- und Gabentheorien (Mauss u.v.a.m.). Zu Preisen, Märkten und demnach"Geld" - als etwas, das per definitionem Standard (= in sich gleich) haben muss - ist es dabei nicht gekommen, jedenfalls fehlen bisher entsprechende Belege.
Auch die Tit for Tat-Story (Rapoport, zuletzt: Axelrod, Evolution der Kooperation) als Teil der Spieltheorie fällt hierher (Gefangenendilemma). Dabei kann auch mit"Geld" gespielt werden, aber es entwickelt sich nicht daraus, sondern existiert dann eben bereits. So kommen wir also nicht wirklich weiter.
Bei kephalen Stämmen haben wir nun nicht nur den Chief, sondern logischerweise Hierarchien. Dass der Chief sich durch besondere Insignien (Rangzeichen, Schmuck) auszeichnen muss, versteht sich von selbst (bis heute noch"Krone").
Der Chief kann diese Insignien aus dem Stamm abfordern, wofür es viele Belege gibt. Diese Insignien werden weiter verfeinert, was aber - da den Rahmen der oben beschriebenen Reziprozität sprengend - nicht von jedermann gleich zu leisten ist, sondern von den"Könnern" (Begabung), die der Chief dann - auch räumlich! - an sich zieht. Für diese"königlichen Werkstätten" (Offizine aller Art) existieren inzwischen sehr gute Fundlagen, zuletzt ein Artikel in"Science" dazu (Mittelamerika).
Der Chief wird aber diese Insignien nicht"zirkulieren" lassen (ebenfalls ein Must für jede"Geld"-Form), was ihn ja de facto ent-machten würde. Er wird thesaurieren (man denke an die gigantischen Schatzkammern der assyrischen bzw. persischen Großkönige) oder - falls es sich um Dienste handelt - zu Großbauten u.ä. schreiten.
Der Chief kann sich durchaus auch mit anderen Chiefs mit Hilfe von Geschenken austauschen, sozusagen eine Reziprozität auf höchstem Niveau. Gilt nicht nur für die frühen Großreiche (von deren inzwischen vollzogenen Staatlichkeit jetzt abgesehen), sondern auch für die von Dir angesprochenen Kula-Ringe und Potlatch-Veranstaltungen, wobei zu beachten ist, dass sich da nicht Stämme selbst gegenseitig beglücken und zu übertreffen suchen, sondern deren Chiefs (mit Hilfe logischerweise ihrer Stämme).
Dazu sehr aufschlussreich: Reden, Exchange in Ancient Greece.
Zum Insignien- und Machtphänomen dazu ein Beitrag als Einleitung eines Sammelbandes, der den Raum Costa Rica / Kolumbien umspannt:
hier
Interessant dabei die Ablösung der Jade durch Gold und beim Gold u.a. die Tatsache, dass Gold-Kupfer-Legierungen höher geschätzt wurden als das reine Gold, was den Spaniern als besonders merkwürdig aufstieß (oro puro vs. bajo oro).
Beim"Geld" sind wir dabei im präkolumbischen Amerika noch immer nicht, wiewohl das Geld-"Material" en masse vorhanden war und dies nicht nur bei den Chiefs.
Also ist der Spur nachzugehen, wie es denn in der Alten Welt dazu kommen konnte. Diese Spur führt stracks nach Mesopotamien und dem hier schon lang und breit vorgestellten"Shekel-Standard", der sich über Kleinasien und Griechenland bis ins westliche Mittelmeer (Rom) und ganz Europa verbreitete (selbst die Kelten führten einen Shekel-Standard ein) - wenn auch mit den für alle Metall-Standards geltenden Gewichtsverschlechterung: Schon bei Kroisos und seinem ausgefeilten Münzsystem finden wir zunächst dan ca. 10-, dann ca. 8-Gramm-"Stater".
Danach wurde die von unterworfenen Völkern / Stämmen eingeforderte, termin- und sanktionsbewehrte Naturalabgabe in Parität zum Edelmetall Silber gebracht (180 Gerstenkörner = 1 Shekel, Gerstenkörner deshalb, weil sie am besten Gewicht in sich selbst halten).
Der Geniestreich der mesopotamischen Herrscher lag nun nicht in der Eroberung (nach Überschreiten der betreffenden Dunbar-Zahl im Erobererstamm - ohne dass dieser sich"teilen" konnte, sondern in toto loszog) und damit Externalisierung der Abgaben zum physischen Machterhalt. Sondern in der Wiederhergabe eines Teils der in Silber-Parität denominierten Abgabe, um sich damit Kämpfer aus Dritt-Stämmen einzukaufen (Söldner waren das meist"gehandelte" Gut dieser frühen Antike überhaupt!). Dies, um damit den Machterhalt in einem immer größeren Territorium ("Reich") und wachsender Bevölkerung (im"fruchtbaren Halbmond") zu sichern.
Die Söldner-Stämme (später Stadtstaaten, wie poleis usw.) bzw. deren Chiefs konnten nun ihrerseits thesaurieren (Fundlage für das spätere Europa exzellent; aber siehe schon die Cella der antiken Tempel als"Staatstresor") und/oder sich jene Güter beschaffen, welche die zur laufenden Abgabe Verpflichteten ihnen andienen mussten, um an das Metall zu kommen.
Damit ist die Zirkulation gelungen (zunächst einfacher Metall-, dann Münz-Standard).
Dass die Mainstream-Geldtheoretiker dies - selbst nach Abschied von der Tausch- und/oder Konventionstheorie - nicht akzeptieren werden/wollen, versteht sich von selbst. Wer führt schon gern seinen Gegenstand auf Gewalt, unbeschränkte Machtausübung und letztlich eingesetzten oder angedrohten Waffengebrauch und damit (in moderner Terminologie) auf Kriminalität bzw. Verbrechen zurück?
Die Sakraltheorie (Bernhard Laum), wonach man erst der"Gottheit", dann den Priestern, schließlich dem Staat ein"Opfer schulde", woraus sich dann das"Geld entwickelte", ging schon weit genug.
Gruß!

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