- Mail von"franco" für's Board / dottore: bitte noch eine Stellungnahme - JÃœKÃœ, 18.05.2001, 16:56
- Re: Mail von"franco" für's Board / dottore: bitte noch eine Stellungnahme - dottore, 18.05.2001, 19:26
Re: Mail von"franco" für's Board / dottore: bitte noch eine Stellungnahme
>franco bat mich, dies reinzustellen:
>Die von dottore vorgeschlagene Transaktion zur
>Ablösung der deutschen Staatsschuld würde die
>Geldbasis in Deutschland bzw. im Euroland erhöhen. Das
>würde zu einem Anstieg des Preisniveaus führen.
Tendenziell ja. Es kommt, siehe auch unten, ganz darauf an, was die bisherigen Inhaber der Staatstitel machen. Sie könnten es ausgeben oder wieder anlegen. Letzteres wahrscheinlicher, denn sie haben ja dadurch, dass sie in Staatspapieren"gespart" hatten, zum Ausdruck gebracht, dass sie das Geld nicht konsumieren wollen. Hätten sie es gewollt, hätten sie die Titel auch längst am Markt verkaufen können.
Falls sie es ausgeben, könnten sie das Geld im In- oder Ausland ausgeben. Geben sie es im Ausland (hier: Nicht-EU-Ausland) aus, z.B. für Weltreisen oder anderer ausländischer Dienste bzw. Kauf ausländischer Waren, hätte dies bestenfalls über den WK-Mechanismus einen Einfluss auf das inländische PN. Um in Dollar gerechnete Weltmarktprodukte bzw. -dienste zu kaufen, müssten sie zunächst Dollar kaufen, was den $-Kurs hinauftreiben und die Importe verteuern würde.
Dagegen kann die ZB vorgehen, zumindest in Maßen. Sie verkauft die bei ihr lagernden Devisen (= tendenzielle Schwächung des $-Kurses) und neutralisiert diesen Effekt.
Abgesehen davon würde der Verkauf von Devisen die Aktivseite der ZB verkürzen und würde - über den Passivseiten-Effekt (Banknoten!) - die GM entsprechend wieder senken.
>1. Frage: Wie sehen die konkreten Zahlen aus?
>Antwort:
>Ich rechne mit einer deutschen Staatsschuldenquote von
>60% am BSP und unterscheide zwei Fälle.
>1. Fall
>Nehmen wir fiktiv an, wir könnten den Anstieg des
>Preisniveaus auf Deutschland beschränken, dann stiege
>dort das Preisniveau um 700 %, d.h. es würde sich
>verachtfachen.
Dies setzt eine strikte Korrelation von GM und PN voraus. Also GM = + 10 %, PN = + 10 %, usw. Diese Korrelation existiert wie wir aus aller bisherigen historischen Erfahrung wissen, in keiner Weise. Das kann mehr oder weniger sein. Es kommt ganz darauf an, wie viel der zusätzlichen GM kaufkraftwirksam eingesetzt wird. Und wie schnell.
Einen"Mechanismus" gibt es nicht.
Dazu kommt: Die Geldbasis (M0, M1 oder was ganz nahe an der Liquidität liegen mag) geht in dem Maße hoch, in dem sich die GMen am langen Ende mindern! Denn die Staatsverschuldung bleibt ja geldmengentechnisch nicht ungebucht. Ich habe - nur ein Beispiel - 100 Mio in Staatspapieren und zu 50 % beliehen. Dann verschwindet mit meiner Wandlung der 100 Mio in Staatspapieren in Cash sofort der 50-Prozent-Kredit und mir bleiben 50 Mio in cash, usw.
Die Vorstellung, dass sich die"Monetarisierung" der Staatsverschuldung (die ja nichts anderes ist als eine Verschiebung späterer Fälligkeiten in subito-cash) in voller Höhe in der Geldbasis niederschlägt, ist völlig falsch. Mit der"Monetarisierung" werden jede Menge zeitlich später definierter"Geldmengen" (Klartext: Kreditmengen) fällig und müssen zurückgeführt werden.
>Damit verbunden wäre also auch eine
>riesige Umverteilungsaktion von den Gläubigern hin zu
>den Schuldnern, vergleichbar einer Währungsreform mit
>der Umtauschrelation von 8:1
Grundsätzlich dazu: Da die Gläubiger des Staates (Staatsbürger mit Staatstiteln) zugleich seine Schuldner sind (Staatsbürger als Steuerzahler, wie auch von franco selbst eingeräumt:"Staatsschulden werden durch zusätzliche Steuereinnahmen getilgt") und da jede Steuer eine Zwangsabgabe und ergo eine Enteignung ist, da der Steuerzahler immer unfreiwillig auf sein Geld bzw. Vermögen verzichtet, wäre die Aktion, wenn sub summa betrachtet, nichts anderes als eine Vorwegnahme einer ohnehin in Zukunft zu erwartenden Enteignung bzw."Umverteilung".
Steuern sind"Umverteilung" pur. Oder etwa nicht?
Außerdem lässt sich die höchst elegante Form des"sinking-fund-systems" zur Tilgung der Staatsverschuldung einführen wie von England z.B. glänzend im 18. Jh. vorgeführt: Der Staat entnimmt aus dem ihm bei der ZB jetzt liegendem Guthaben zunächst nur so viel, dass der Haushalt ausgeglichen ist. Das dürfte im wesentlichen preisneutral ablaufen. Dann kauft er eine erste Tranche der Staatspapiere zurück. Er bringt diese Tranche in eine Fonds ein und bedient die dann dort befindlichen Papiere bis Laufzeitende. Die dort auflaufenden Zinsen, die der Staat weiterhin bezahlt, dienen dazu, in gleicher Höhe weitere Staatspapiere aus dem Markt zu nehmen. Die Staatsverschuldung baut sich daraufhin nach Zinseszinseffekt ab. Dabei kann entsprechend je nach Höhe der zusätzlichen Steuereinnahmen der Fonds alimentiert werden.
Varianten aller Art sind möglich, jedenfalls ließe sich die Tilgung der Staatsverschuldung mit Hilfe des bei der Buba liegenden Staatsguthabens bei vernünftiger Handhabung so vorgehen, dass es auf keinen Fall zu den schlagartigen Horror-PN-Steigerungen kommen müsste.
Zwingend erforderlich ist allerdings ein gleichzeitig erfolgendes Verbot neuer Schuldenaufnahme durch den Staat. Dies for ever. Etwaige"gesamtwirtschaftliche Störungen", z.B. Rezessionen, könnten jederzeit durch eine Erhöhung der Entnahme aus dem ZB-Guthaben des Staates und einem zusätzlichen außerplanmäßigen Rückkauf von Staatspapieren beseitigt werden. Denn dies würde nicht anders wirken als ein Kauf von Staatspapieren im Rahmen einer OMP durch die ZB, mit deren Hilfe bekanntlich"Liquiditätsspritzen" in die Wirtschaft geleitet würden (zur Beruhigung etwaig aufgeregter keynesianischer Gemüter).
>2. Fall
>Der montäre Expansionseffekt verteile sich gleichmäßig
>über Europa.
>Dann stiege das europäische Preisniveau um 250%, d.h.
>es würde sich verdreieinhalbfachen.
Dazu das gleiche Argument wie eben vorgebracht.
Außerdem könnten die Inhaber von Geldbasis-Guthaben europäische Papiere aller Art kaufen, Staatspapiere voran, was den anderen EU-Staaten eher gefallen würde, da dies deren Rendite-und damit Zinsnveau senken würde.
Überhaupt ist nicht einzusehen, warum die Bisher-Sparer jetzt nicht weiter sparen, also in andere Papiere umsteigen sollten. Das ganze Geld könnte sich auch an der Börse allein austoben - und wer hätte schon etwas gegen steigende Kurse, nachdem bisher niemand etwas gegen steigende Kurse gehabt hat.
>2. Frage: Wie wirkt sich die Aktion auf die
>Mitgliedsländer der EWU aus?
>Nur der zweite Fall ist realistisch. Er bedeutet aber,
>dass auch die anderen Länder zur Kasse gebeten werden.
>Die anderen Länder würden sich gegen ein solches
>Verfahren natürlich zur wehr setzen. Denn Sie würden
>an den realen Kosten des Staatsschuldenabbaus in der
>BRD zu 2/3 beteiligt werden, also klar die Hauptlast
>übernehmen. Das würde zumindest defacto, d.h.
>materiell gegen das Bail-Out-Verbot verstossen.
Das Bail-out-Verbot wäre gar nicht berührt. Ich möchte wirklich wissen, was passiert, wenn die deutschen Ex-Staatstitelhalter dann eben in die Staatstitel anderer Mitgliedsländer umsteigen. Käme es in den anderen EU-Staaten zu Protesten? Warum denn?
>
>3. Frage: Wie kann man sich diese Effekte und ihr
>Zustandekommen vorstellen?
>Die Wirkung der ganzen Operation kann man sich auch
>vereinfacht so vorstellen:
>Der Staat kauft seine Schulden mit zusätzlichem
>Zentralbankgeld zurück, was er laut Statuten der EWU
>gar nicht kann bzw. darf.
Die Statuten verbieten nirgends das entstehen von Notenbankgewinnen oder plafondieren sie. In meinem Vorschlag entstehen sie aber, da die ZB die Münzen abnimmt, da vom Publikum angefordert und sofort zum Nennwert bilanziert. Wenn die Münzen dann bei der ZB verbleiben, entsteht bei ihr der besagte Notenbankgewinn und der ist nach oben offen. Die EZB hat nach einem über 200 Mio hohen Verlust in 1999 für 2000 einen Gewinn von ca. 2 Mrd. Euro ausgewiesen (wenn ich die zahlen richtig im Kopf habe). Der Gewinn wird an die Mitglieds-ZBs ausgekehrt. Wer bitte hat unter Berufung auf die Statuten irgendeinen Einwand dagegen vorgebracht, dass die EZB so ZB-Geld geschaffen hat?
Das Gleiche gälte übrigens für den Fall, dass sich der $-Kurs auf 4,20 DM stellen würde. Entsprechend könnten die ZBs ihre dann stark vergrößerten Akivseiten ("Dollarreserven") via entsprechend verlängerten Passivseiten als Notenbankgewinne und ergo als ZB-Geld an die Staaten auskehren.
>Aber darüber wollen wir uns
>jetzt zu Demonstrationszwecken hinwegsetzen.
>Die Privaten verkaufen also ihre verzinslichen
>Staatspapiere im Austausch gegen unverzinsliches
>Zentrankgeld. Weil das Geld unverzinslich ist, werden
>die Wirtschaftssubjekte nicht darauf sitzen bleiben
>wollen. Ihr Geldbedarf wird sich durch die staatliche
>Entschuldungstransaktion nicht verändern. Das
>zusätzliche Geld ist also überschüssiges Geld, das sie
>los werden wollen. Sie werden Güter, Aktien und andere
>Wertpapiere kaufen.
Wenn sie Aktien und andere Wertpapiere kaufen, wen sollte das stören? Das PN bleibt davon zunächst völlig unberührt.
>Das ganze Preisniveau verschiebt
>sich nach oben. Dadurch entwertet sich alles Geld
>überhaupt, nicht nur das zusätzliche.
Das Argument, dass sich in einer Aktienhausse das Geld entwertet, ist interessant. Nur: warum hat es denn bisher keinen gestört?
>Schuldner würden
>entlastet und Gläubiger geschädigt.
Gläubiger = Schuldner bei Staatspapieren, wenn auch nicht zeitgleiche Fälligkeiten, siehe im übrigen oben.
>Das Ganze wäre
>eine staatliche Aktion zur Enteignung von Privaten.
Wer würde bei einer Wertpapier-Hausse enteignet? Wo waren die Stimmen, die vor dieser Form der Enteignung bisher gewarnt haben?
>An
>dieser Enteignung wären aber auch die nichtdeutschen
>Länder des Eurolandes beteiligt. Für die Deutschen
>wäre das in einem gewissen Sinne ein Geschäft.
Wenigstens etwas.
>Sie
>würden ihre kompletten Staatsschulden los und müssten
>nur ein Drittel der Kosten übernehmen. Die Überwälzung
>von 2/3 der Kosten auf die Euro-Nachbarländer käme
>einer Kriegserklärung an die Euro-Partner gleich.
Kriege erklären Staaten, aber niemals Bevölkerungen. Wenn die Deutschen (Bevölkerung jetzt) einen ernsthaften Versuch machen wollten, endlich das Staatsschuldenproblem anzugehen, wer sollte es ihnen verübeln?
Gruß
d.
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