- Nochmal der Staat und seine Funktion - Georg, 06.08.2000, 03:06
- Re: Nochmal der Staat und nochmals... - dottore, 06.08.2000, 08:13
Re: Nochmal der Staat und nochmals...
>Tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte, aber ich glaubte so jetzt etwas
>wie eine Art Konsens zu sehen und fand die ganze
>Diskussion auch sehr interessant,
>u.a. wiel sie auch viel zu selten ist,
Dieses Board liegt eben immer ahead of the crowd. Die"Systemdebatte" kommt unausweichlich auf uns zu - oder glaubt jemand ernsthaft, dass Szenarien wie Dom sub 1000 (Chart d'horreur) oder Dow 400 (JüKü) ohne Systemdebatte ablaufen werden?
Am Ende jedes Exzesses, wenn dann doch die Rechnung auf den Tisch flattert, kommt es immer zu großer Turbulenz, man nennt so etwas auch"Revolution" (lat. revolverer = umwälzen). Auch Roosevelt nannte seinen New Deal"revolutionary" und AH seine Machtergreifung ebenfalls"revolutionär". Von Lenin, Trotski pp. ganz zu schweigen.
>Forderungen die dem Volk und dem Staat hoffentlich gleichermassen zugute
>kommen.
Die Forderungen werden als invalid, uneinbringlich und uneintreibbar ins Nichts verdampfen.
>Diese Staatsprogramme sind meiner Meinung zu hinterfragen
Durchaus. Aber zuerst werden in der Großen Krise diese Staatsprogramme noch einmal maximiert (siehe Japan aktuell) und dann stehen wir vor der Frage, wie wir die Schulden, die Staatsprogramme letztlich nur sind, aus der Welt schaffen. Durch Hyperinflation, die in der Repudiation endet (repudiare = lat. verweigern; 1923 weigerte sich die deutsche Bevölkerung das in 300 Papierfabriken und 150 Druckereien rund um die Uhr produzierte"Geld" noch zu akzeptieren). Oder durch Ausbuchen (= Streichung).
Und danach wird es nie wieder"Staatsprogramme" geben.
>Da ziehe ich den kürzeren (wegen meiner 'kurzfristigen' Meinungsposition für den Staat), weil mindestens seit den Fuggern hierzulande die Wirtschaft die Regeln bestimmte, weil das Land eben zivilisiert genug war.
Die Wirtschaft bestimmt immer die Regeln, Wirtschaft hier definiert als das Phänomen, dass immer doppelt gebucht wird.
>Rahmenbedingungen heißen auch im Prinzip, gleiche Chancen für alle,
>weil Monopolbildungen sonst folgen, ein Extrem des Marktes,
>der Staat hat ein Monopol, aber in zeitgeschichtlich immer begrenzterem Rahmen,
>je zivilisierter der Markt ist (viele Vergleiche in anderen Ländern).
>Das Ideale wäre nur die Verteilung der Macht (ob auf den Staat oder den Markt auf für alle zufriedenstellende VOR-bedingungen (Stichwort: Ungerechtigkeiten).
"Es kann nur einen geben" (The Highlander) - entweder die freie Wirtschaft oder den Staat, der in diese Wirtschaft eingreift, was die Definition von"Wirtschaftspolitik" ist.
>Die Autobahn Ostfriesland-Emsland wird erst jetzt in nächster Zeit gebaut,
>wenn die finanziellen Möglichkeiten bestehen, vorher war das
>vom gesamten Volke wahrscheinlich auch nicht einzusehen.
"Finanzielle Möglichkeiten"? War das eine Umschreibung von"Möglichkeit, noch mehr Schulden zu machen"?
>Er ist nicht unbedingt insolvent, aufgrund des Gegenwertes, der Staat
>bezahlt grösstenteils INVESTITIONSGÜTER, die beste Investition, die man machen
>kann, abgesehen von dem Sozialetat (nicht abwertend gemeint, aber unvermeidlich)
Selbstverständlich sind die großen Staaten sämtlich insolvent. Business Week hat einmal ausgerechnet, was denn der Verkauf aller Staatsaktiva in Europa bringen würde (einschliesslich Truppenübungsplätze und Gebirgskämme). Rauskamen 360 Mrd. Dollar. Alle die Staatsverschuldung BRD liegt bereits bei 1,2 Milliarden Dollar. Verkauft der Staat alles (siehe UMTS-Auktion - Erlös zur Tilgung von Staatsschulden) und wohnt nur noch zur Miete und hat selbst den Dienstwagen des Bundespräsidenten geleast, bleibt ihm nur noch die Mündung des Gewehrs, in das der Bürger gucken darf, wenn es heißt: Steuern zahlen.
Und spätestens dann wird wohl alles klar sein.
>Nun gut, menschliche Schwächen sind auch beim Staat vorhanden
Wie sagte Benedetto Croce so schön: Der Staat, das ist nichts als die Ansammlung von Schreibtischen in düsteren Gebäuden.
>Mit Einschränkung, weil niemand den Nutzen einer Strasse berechnet,
>wenn sie privat errichtet wird, dann hoffentlich mit 100 jähriger
>Garantie, es sei denn, die Baufirma geht pleite....
"Nutzen" ist ein inoperationaler Begriff. Ob die Straße sich rechnet, sehen wir sofort, wenn sie privat finanziert und durch Maut rentierlich gemacht wurde. Immerhin gibt es solche Privatstraßen schon lange. Und der große Bankier Siggi Warburg hat das als erster erkennt und die italienischen Autostrade mit Hilfe von Eurodollar-Anleihen finanziert. Läuft bestens, niemand hat dort je Geld verloren oder sich beschwert.
Das Phänomen der"Privatisierung" alias"Entstaatlichung" kommt doch nicht von ungefähr. Sie entsprang nicht den Köpfen weiser Politiker, sondern ist eine Folge der praekonkursiten Lage, in der sich der Staat befindet. Ist aber endlich auch das Tafelsilber verscheuert, kommts zum Schlussakkord.
d.
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