> Ich bin sicher, dass die Theorie von Karl Marx einmal so anerkannt sein wird wie die Auffassungen von Kopernikus und Newton - trotz der Irrtümer von allen dreien. Bei jeder umstrittenen Theorie stehen die Irrtümer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, bei jeder anerkannten Theorie die Fortschritte, die sie brachte. Notgedrungen muss man also noch über die Irrtümer von Karl Marx sprechen.
"Die Theorie" gibt's schon mal garnicht. Es gibt verschiedene Theorien, z.B.
- Mehrwertlehre (komplett falsch, da es niemals"Werte", sondern immer nur Preise gibt).
- Arbeitswertlehre (völlig daneben, weil"Arbeit" als solche jeder leisten kann wie er will; der"Wert" der Arbeit wird wird hier subjektiv, vom Arbeitenden aus, gesehen, genauso gut kann ein Arbeiter 10.000 Liegestütz in seiner Schicht machen - so what? Es kommt darauf an, ob ihm jemand GELD dafür gibt, die Nummer zu sehen).
- Zusammenbruchsthese (komplett falsch, weil Zusammenbruch immer Verluste voraussetzt, die die Kapitalistenklasse sub summa aber niemals machen kann - eigene Voraussetzung von M & E).
- Entfremdungsthese (richtig, erlebt jeder jeden Tag)
- Cirkulationsthese (richtig, es"fehlt" immer Geld, um den"Mehrwert" - Profit jetzt - zu realisieren).
- Zinseszinsthese, alias"hat das Geld Lieb im Leibe..." (richtig, was erstaubt, weil es damals noch keine Taschenrechner gab; aber chapeau, darauf musste man auch erst kommen).
> Um die gröbsten Missverständnisse vorneweg anzusprechen: Wer etwa meint, dass er mit der Feststellung, Marx habe sich da oder dort geirrt, schon mit der ganzen Marx’schen Theorie fertig sei, der hat ebenso wenig Ahnung von Wissenschaft wie die Marxisten, die vielleicht meinten, dass Marx sich nie geirrt habe. Beide Auffassungen gehen von der lächerlichen Annahme aus, dass eine wissenschaftliche Theorie zu allen Zeiten und unter allen Umständen 100prozentig korrekt sein könne und korrekt sein müsse. > Der eine sucht bei Marx hier Fehler, der andere da. Die folgende Liste zählt die wichtigsten Irrtümer von Marx und Engels auf, die ich gefunden habe:
>Marx, 1848:
>“Revolutionäre Erhebung der französischen Arbeiterklasse, Weltkrieg - das ist die Inhaltsanzeige des Jahres 1849.” (MEW 6, S. 150).
Die Arbeiter hatten sich erhoben. Falsch war die daran sich schließende"Kriegstheorie".
>Marx, März 1850: “Die Revolution... steht im Gegenteil nahe bevor.” (MEW 7, S. 245)
Mark hatte den Zustrom des"neuen" Geldes offfenbat nicht bemerkt, Kalifornien usw. Zusätzliches Geld entspannt, siehe auch Goldmechanismus.
>Marx, Juni 1850: “...gerade jetzt, wo... der Ausbruch einer neuen Revolution nicht mehr lange ausbleiben kann.” (MEW 7, S. 312)
Reine Trotzhaltung. Ich habe Recht, also muss es jetzt...
Leider wird hier das Manifest (Februar 1848) unterschlagen, das eine perfekte Beschreibung der kapitalistischen Errungenschaften liefert.
>[b]Aber Marx noch im Jahr 1850:
>“Bei dieser allgemeinen Prosperität, worin die Produktivkräfte der bürgerlichen Gesellschaft sich so üppig entwickeln... kann von einer wirklichen Revolution keine Rede sein.” (MEW 7, S. 440)
>Marx, 1853:
>“die jetzigen Verhältnisse,... die nach meiner Ansicht bald zu einem Erdbeben führen müssen.” (MEW 28, S. 223.)
>Engels, 1856:
>“Es gibt diesmal ein dies irae (=Zeit der Empörung)...
Dies irae ist der Tag des <b<Zorns[/b] und zwar der des Zornes Gottes. Mit"Empörung" hat das nix zu tun.
>... wie nie vorher, die ganze europäische Industrie kaputt, alle Märkte überfüllt... alle besitzenden Klassen hereingeritten, kompletter Bankrott der Bourgeoisie.... Auch ich glaube, dass sich alles dies Anno 1857 erfüllen wird...” (MEW 29, S. 78)
Für 1857 lag er bombenrichtig! Damals gab's die erste"Weltwirtschaftskrise" - hier schon oft genug vorgestellt.
>Marx, 1857:
>“Die Revolution marschiert heran, wie durch die Entwicklung der (französischen Bank) Credit mobilier und durch die Finanzen Bonapartes im allgemeinen bewiesen wird.” (MEW 29, S. 153)
Frankreich war seit 1857 morsch und fiel endgültig gegen die Preußen 1870/71.
>Marx, 1857:
>“1848 sagten wir: jetzt kommt unsere Zeit, und sie kam in einem eingeschränkten Sinn, diesmal aber kommt sie vollständig, jetzt geht es um den Kopf.” (MEW 29, S. 212).
>Marx, Dezember 1857:
>“Ich arbeite wie toll die Nächte durch an der Zusammenfassung meiner ökonomischen Studien, damit ich wenigstens die Grundrisse im Klaren habe vor der Sintflut.” (MEW 29, S. 225)
Die 1857er Krise war um Haaresbreite das Ende des"Kapitalismus". Schon damals wurde er gestretcht: Hamburg (Vollpleite) wurde nur durch Güterzüge voller Silber aus Ã-sterreich gerettet.
>Marx, 1857:
>“Da Lupus (= Wilhelm Wolff, der den Vorhersagen von Marx nicht traute, ihm aber bei seinem Tod 1864 sein Vermögen vermachte, so dass Marx Zeit und Geld hatte, das KAPITAL zu schreiben.) beständig Buch über unsere Krisenvorhersagen führte, so erzähle ihm, dass der ‚Economist‘ von letztem Sonnabend erklärt, die Endmonate von 1853, durch ganz 1854, Herbst 1855 und während der plötzlichen Veränderung von 1856 sei Europa immer nur um Haaresbreite dem drohenden Krach entkommen.” (MEW 29, S. 225)
War absolut richtig!
>Marx, 1862:
>“Wir gehen offenbar einer Revolution entgegen - woran ich seit 1850 nie gezweifelt habe.” (MEW 30, S. 641)
>Marx, 1969
1869
>"Es gibt in der Tat keine deutsche Einheit. Sie könnte nur erreicht werden durch eine deutsche Revolution, die die preußische Dynastie hinwegfegt....." (MEW 32, S. 608) (Die deutsche Einigung wurde zwei Jahre später erreicht nicht gegen die preußische Dynastie, sondern durch die preußische Dynastie. wb)
Siehe 1918, Preußen futsch, Zentralstaat konnte starten. Revolution sowieso.
> Marx, 17. 02. 1870:
>"Unter uns gesagt... ich erwarte für die soziale Bewegung mehr von Deutschland als von Frankreich." (MEW 32, S. 651) Aber:"Am Morgen des 18. März 1871 wurde Paris geweckt durch den Donnerruf: 'Es lebe die Kommune!' Was ist diese Kommune?... Ihr wahres Geheimnis war dies: Sie war wesentlich eine Regierung der Arbeiterklasse.... dies war die erste Revolution, in der die Arbeiterklasse offen anerkannt wurde als die einzige Klasse, die noch einer gesellschaftlichen Initiative fähig war." (Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, S. 335 u. 342 u. 344)
Das war nicht der große Irrtum. sondern, dass die Revolution im relativ unter entwickeltsten Land der Industrieklasse ausbrach: Russland.
>Marx, 1874:
>“Die allgemeinen europäischen Zustände sind derart, dass sie mehr und mehr zu einem allgemeinen europäischen Krieg drängen.” (MEW 33, S. 635)
>(Karl Marx starb am 14. März 1883, es dauerte bis 1914, bevor ein europäischer Krieg ausbrach.)
>Engels, 1884:
>“Die russische Konstitution (=bürgerliche Revolution) wird nun so oder so doch wohl im Lauf dieses Jahres kommen, und dann kann’s losgehen.” (MEW 36, S. 88)
Konstitutuon = ganz was anderes, nämlich eine russische Verfassung.
>Engels, 1886
>"... wenn es auch für eine ruhige und festbegründete Herrschaft der Bourgeoisie in Deutschland zu spät ist...." (MEW 21, S. 454)
>Engels, 1889:
>“Der Verfall der englischen Industrie aber ist nach meiner Ansicht zusammenfallend mit dem Kladderadatsch der kapitalistischen Produktion überhaupt.” (MEW 37, S. 325)
Engels hatte schon Kasse gemacht; sein Argument ist das eines Aktionärs, der zu früh verkauft hat.
>Engels, 1891: > “Aber wenn diese Ackerbaukrise die Industriekrise in England ausbrechen lässt, die wir seit 25 Jahren erwarten... dann!.... und wenn die Ereignisse diese Richtung nehmen, wird unsere Partei schon um das Jahr 1998 zur Macht kommen können.” (MEW 22, S. 243).
1898.
>Engels, 1892:
>“Natürlich wird die nächste Revolution, die sich in Deutschland mit einer Beharrlichkeit und Stetigkeit ohnegleichen vorbereitet, zu ihrer Zeit kommen, sagen wir 1898-1904.” (MEW 38, S. 545).
Anstieg der SPD übersehen, war 1914 stärkste Partei in D.
>Welche Schlussfolgerungen sind aus dieser Irrtümerliste zu ziehen? > Man könnte sich mit der einfachen Feststellung begnügen, dass kein Mensch in die Zukunft sehen könne, und Karl Marx und Friedrich Engels halt auch nur Menschen gewesen seien. Ich denke, das würde die Sache nicht ganz treffen. > Von marxistischer Seite könnte man noch einwenden, dass nur die politischen Fehleinschätzungen aus den Jahren 1848 bis 1850 in öffentlichen Schriften geäußert wurden. Alles andere waren Bemerkungen an enge Freunde und Genossen, an die man nicht den gleichen wissenschaftlichen Maßstab wie zum Beispiel an die Bände des"Kapital" stellen kann. Richtig ist daran, dass diese Bemerkungen nicht selber Teil einer wissenschaftlichen Theorie waren, aber es waren immerhin politische Schlussfolgerungen aus dieser Theorie, und zwar von Leuten, denen niemand unterstellen kann, sie hätten diese Theorie missverstanden und falsch angewandt.
Die Theorie, siehe oben, ist in ihren beiden Kernaussagen (Arbeitswert/Mehrwert/Ausbeutung und Zusammenbruch wg. sinkender Profitrate komplett falsch. Siehe dazu R.Deutsch & Galiani.
>Ich denke, für alle diese Irrtümer von K. Marx und F. Engels gilt, was Engels 1892, fast 50 Jahre nach dem Erscheinen seines Buches"Lage der arbeitenden Klasse in England", zur amerikanischen Neuauflage schrieb:"Ich habe mir nicht einfallen lassen, aus dem Text die vielen Prophezeiungen zu streichen, namentlich nicht die einer nahe bevorstehenden sozialen Revolution in England.... Das wunderbare ist nicht, dass so viele dieser Prophezeiungen fehlgingen, sondern dass so viele eingetroffen sind...." (MEW 22, S. 270).
>So muss man meiner Meinung nach auch über Irrtümer von Marx und Engels sagen: Das Bemerkenswerte ist nicht, dass so viele ihrer Prognosen fehlgingen, sondern dass so viele eingetroffen sind.
>Wal Buchenberg, 08.10.2000
Wal,
etwas mehr Theorie wäre zu begrüßen. Erklär' doch mal der Runde hier, wieso es zum Zusammenbruch des Kapitalismus kommen soll (Mehrwert wird zum Kapital geschlagen, ergo sinkende Profitrate ergo Kollaps - wie geht das? Ich habe noch nie eine Pleite gesehen, die im Handeslregister wegen"zu geringer Gewinne" eingetragen wurde).
Gruß
d.
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